Witten. Der zweite Warnstreik im öffentlichen Dienst hat wieder den Nahverkehr in Witten lahmgelegt. Diesmal sind auch andere Bereiche betroffen.
Warnstreik, zum Zweiten. Am Donnerstag (8.10.) ist alles wie am Dienstag (29.9.) vor einer Woche. Diesmal stehen die Pendler und Schüler allerdings buchstäblich im Regen, zumindest morgens. Kein Bus weit und breit. Dafür trägt Verdi den Protest jetzt noch sichtbarer auf die Straße.
Kann man das schon Kundgebung nennen, was sich da um halb zehn am Kornmarkt versammelt hat? Nun, man sieht einige Gelbwesten, ein paar Verdi-Fahnen und hier und dort kleine Grüppchen und natürlich machen die Funktionäre am Mikro mit starken Worten Stimmung.
Gewerkschaftssekretär ruft in Witten: „Wir brauchen kein schlechtes Gewissen zu haben“
„Gestern ein Held, morgen kein Geld?“ Buh! Gewerkschaftssekretär Mario Schmidt greift gleich das zentrale Thema auf, das manchem Streikenden vielleicht ja noch etwas Bauchschmerzen macht: Darf man eigentlich in diesen Corona-Krisenzeiten auf die Straße gehen, noch dazu im öffentlichen Dienst, wo die Arbeitsplätze vielleicht nicht alle gut bezahlt, aber doch zumindest sicher sind?
Man ahnt die Antwort. „Wir haben alle durch Corona zu kämpfen gehabt und brauchen kein schlechtes Gewissen zu haben“, ruft Schmidt. Und an die Adresse der Arbeitgeber, die bisher kein Angebot vorgelegt hätten, sagt er: „Mit uns nicht!“ Tröten, Rasseln, hallo, heute ist Streik! Junge Verdi-Mitglieder, die gar nicht selbst streiken, sind gekommen, um die noch ziemlich lichten Reihen zu schließen.
Kurzarbeit bei den Stadtwerken in Witten: „Das war eine schlimme Zeit“
Einige der vielleicht knapp 80 Teilnehmer haben es nicht weit gehabt, sie brauchten nur vom Rathaus rüberzukommen. Warum sie streike? „Für mehr Geld“, sagt eine Mitarbeiterin aus dem Jugendamt. „Gerade für die unteren Lohngruppen brauchen wir die 150 Euro“, greift Mario Schmidt von Verdi eine der Forderungen in diesem Tarifkonflikt auf.
Er bestärkt die Kundgebungsteilnehmer noch einmal darin, wie gerechtfertigt dieser Streik sei. „Wenn wir nicht wären, wären die Krankenhäuser nicht besetzt gewesen und die Kinder nicht betreut worden und die Stadt vermüllt.“ Fazit auch in Corona-Zeiten: „Wir sind unverzichtbar!“
Reinigungskräfte sind dabei, türkischstämmige Frauen mit Kopftüchern und Verdi-Regenplastikhüllen, auch Beschäftigte der Stadtwerke wie jene Frau, die sagt: „Ich kämpfe um meinen Arbeitsplatz.“ Wieso, ist der nicht sicher? „Auch wir waren in Kurzarbeit. Das war eine richtig schlimme Zeit. Von heute auf morgen wurde alles zugemacht“, sagt die Angestellte aus der Bäderabteilung. Nun, heute, bleiben die Bäder wieder dicht, diesmal nicht wegen der Pandemie, sondern weil Warnstreik ist. Auch das Kundenzentrum des Energieversorgers ist geschlossen. Und wer die Bürgerberatung im Rathaus nicht erreicht, darf sich nicht wundern. Auch dort kann es zu Ausfällen kommen.
Schiller-Schüler aus Witten nehmen die Beine in die Hand
Die, die zur Arbeit müssen oder zur Schule, haben sich schon fast daran gewöhnt, dass mal wieder kein Bus kommt. Schüler nehmen auf dem Weg zum Schiller-Gymnasium die Beine in die Hand, morgens bringt sie Papa oder Mama oder sie gehen gleich zu Fuß, nachmittags springt der Opa ein.
Der ZOB, wie ausgestorben, an den Haltestellen: kein Mensch. Dafür dichter Berufsverkehr am Morgen auf der Ruhrstraße und den anderen Aus- und Einfallstraßen. Und doch, man sieht wieder einige wenige Busse, die von Privatunternehmen im Auftrag der VER gesteuert werden. Günther war beim Arzt und muss jetzt zurück nach Wetter. Ob sein Bus kommt? Er kommt und ist auf die Minute pünktlich. Auch das gibt’s, wenn in Deutschland gestreikt wird.
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