Witten. Keine guten Nachrichten für den Einzelhandel in der Wittener City. Drei Fachgeschäfte werden schließen. Corona ist nicht allein der Grund dafür.

Nicht nur Galeria Kaufhof schließt. Zum Jahreswechsel verlassen auch drei weitere, alteingesessene Fachgeschäfte die Innenstadt, die seit vielen Jahren eine treue Stammkundschaft hatten. Hat das Corona-Sterben der kleinen Läden begonnen? Jein, sagen die Inhaber.

Corona hat Wittener Boutique den Rest gegeben

Corona ist nicht der Grund, warum die Boutique Léger auf der Steinstraße schließt. „Aber das hat uns den Rest gegeben“, sagt Anita Winskowski-Sir, die das Geschäft 22 Jahre lang geleitet hat. Das Konsumverhalten der Kunden sei einfach zu verhalten, sagt sie bedauernd. Zur generellen Zurückhaltung komme: Frauen bräuchten im Home-Office derzeit ebenso wenig neue Garderobe wie für Familienfeste. Die Folge: Die Kunden bleiben weg.

Auf hochwertige, zeitlose Mode hatte sich die Boutique „Léger
Auf hochwertige, zeitlose Mode hatte sich die Boutique „Léger" an der Steinstraße in Witten spezialisiert. © FUNKE Foto Services | Barbara Zabka

Hochwertige, zeitlose Damenmode und schicke Accessoires bietet die 59-Jährige in ihrem Geschäft an. „Wir haben immer auf Qualität und hohe Produktions-Standards geachtet“, sagt sie. Das hat seinen Preis. Ein Kaschmir-Pullover von Léger etwa kann schon mal über 250 Euro kosten. „Früher war das kein Problem, es gab genügend Kundschaft dafür“, so die Inhaberin. Doch das habe sich gewandelt. „Das sieht man doch auch im Stadtbild.“

„Eigentlich ist das Geschäft immer gut gelaufen“

Für ihre Kundinnen, die ihr in all den Jahren die Treue gehalten haben, tut es Anita Winskowski-Sir leid. „Aber das waren am Ende einfach zu wenig.“ Die Kundschaft sei zusammen mit ihr älter geworden, habe sich nicht verjüngt. „Und einen Online-Shop haben wir nicht.“ Deswegen ist für die 59-Jährige jetzt der richtige Zeitpunkt gekommen, einen Schlussstrich zu ziehen. Sie und ihre beiden Mitarbeiterinnen wollen sich zur Ruhe setzen.

Noch viel Ware muss Jutta Fladda (58) verkaufen, ehe sie ihr Geschäft „Lingerie Jutta Kleinschmidt“ im Januar schließen kann.
Noch viel Ware muss Jutta Fladda (58) verkaufen, ehe sie ihr Geschäft „Lingerie Jutta Kleinschmidt“ im Januar schließen kann. © FUNKE Foto Services | Barbara Zabka

Ähnlich sieht es bei Jutta Fladda, ehemals Kleinschmidt, aus. Sie schließt ihr Wäsche-Fachgeschäft auf der Ruhrstraße nach 16 Jahren. Corona sei nicht der Hauptgrund dafür gewesen. Vor allem spielt die Gesundheit der 58-Jährigen nicht mehr mit, sie will kürzer treten. Bis Januar soll der Ausverkauf laufen, vieles ist schon reduziert. Noch hofft die Inhaberin, einen Nachfolger zu finden. „Denn eigentlich ist das Geschäft immer gut gelaufen, ich habe eine große Kundschaft.“

„Witten können wir bald zuschließen“

Zu der gehört auch Christel Fassunge. Sie ist traurig über das Aus. „Der Laden wird fehlen, so was gibt es doch in Witten gar nicht mehr.“ Sie sei immer gern in die City zum Einkaufen gekommen. Aber jetzt? Kein Kaufhaus, keine Wäsche, kein Herrenfachgeschäft: „Witten können wir bald zuschließen“, klagt die 76-Jährige.

Und bald auch keine Naturschuhe mehr. Der „Fortschritt“ auf der Ruhrstraße macht ebenfalls zum Jahresende zu. Stolze 33 Jahre haben Günter und Sigrid Schwabe unter diesem Namen Öko-Schuhe und -Mode verkauft. „Wir sind der älteste Naturwarenladen der Stadt“, sagt der 64-Jährige, der den Betrieb zusammen mit seiner Frau „mit viel Herzblut“ betrieben hat. Und mit Erfolg: Das Geschäft in der Nähe des Wiesenviertels sei bis zuletzt immer gut gelaufen, versichern beide. Der Entschluss, Ende 2020 in den Ruhestand zu gehen, sei schon vor Corona gefallen. Wie Jutta Fladda vom Wäscheladen hoffen auch sie, dass sich noch ein Nachfolger findet, der das Geschäft übernehmen würde.

Händler müssen sich digitaler Herausforderung stellen

Doch das ist in diesen Zeiten schwierig. „Man braucht Mut, viel Leidenschaft und die Kraft, sich der digitalen Herausforderung zu stellen“, so Angelika Bilow-Hafer, die zweite Vorsitzende der Standortgemeinschaft Witten-Mitte. Das Online-Geschäft dürfe nicht mehr als Feind der Händler betrachtet werden.

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Sie bedauere das Aufhören der Kollegen „wirklich, wirklich sehr“. „Am liebsten würde ich die Läden selbst übernehmen“, sagt sie traurig. Denn die liebevoll geführten Geschäfte mit ihrem besonderen Angebot würden der Stadt fehlen. Einen Trend zu einer Schließungswelle kann die Chefin der Genussgalerie aber nicht erkennen, dazu seien die Gründe zu persönlich. „Es ist ein Wandel – und ich hoffe jetzt auf mutige Menschen, die wieder etwas Neues wagen.“

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