Witten. Schüler der Holzkamp-Gesamtschule in Witten säen, pflegen und ernten Gemüse auf dem Bildungsacker – und lernen dabei mehr als nur ein Handwerk.
Wer die Wiese vor dem Bildungsacker am Vöckenberg in Witten betritt, wird von einigen Holzkisten voller Kürbisse begrüßt. „Die haben wir letzte Woche geerntet“, sagt Melanie Karlsohn-Vogel. Die 34-Jährige ist Lehrerin an der Holzkamp-Gesamtschule (HGE) und heute mit einigen ihrer Schüler hier. Jeden Mittwoch bis zu den Herbstferien kommen die Jugendlichen für ein paar Stunden auf das Feld, um gemeinsam Unkraut zu zupfen, den Acker zu pflügen und Gemüse anzubauen.
Marlin und Elvedin, beide in der zehnten Klasse, stehen ein paar Meter weiter in der Sonne – na ja, Marlin steht und Elvedin „ackert“. Der 15-Jährige lockert den Boden mit einer Grelinette auf. Das ist eine Art Forke, oder auch „Stampfer“, wie Elvedin sie nennt. „Wegen der Sonne ist es etwas anstrengend“, sagt er. „Es macht aber Spaß“, ergänzt Marlin, der seinen Mitschüler gleich ablösen wird.
Schüler aus Witten erlernen Kompetenzen fürs Berufsleben
Für die Schüler der HGE ist es das erste Projekt auf dem Bildungsacker. Beteiligt sind „spezielle Schülergruppen“, nämlich „Schüler, die voraussichtlich keinen Hauptschulabschluss machen werden“, erklärt Bettina Sudholt, Sonderpädagogin im inklusiven Unterricht. Auf dem Acker lernen sie Dinge, die sie für den Beruf brauchen. Pünktlichkeit, nennt Sudholt zum Beispiel, Verantwortungsbewusstsein und Teamwork.
Das angebaute Gemüse macht sich zu unterschiedlichen Zielen auf den Weg. Ein Teil der Ernte geht etwa in die Gemeinschaftsverpflegung, zum Beispiel in die Uni-Mensa, sagt Marion Körner vom Vorstand der Entwicklungsgesellschaft für ganzheitliche Bildung, die den Acker bewirtschaftet. Ein weiteres Angebot ist das Gemüsenetz von wirgemüse.de. Dort können Bürger Gemüse direkt vom Feld bestellen und abholen oder sich nach Annen liefern lassen.
Gemüse auf dem Bildungsacker nach Demeter-Standards angebaut
Die rund 30 verschiedenen Kulturen, die im Bildungsacker gedeihen, werden nach Demeter-Standards und ohne den Einsatz elektronischer Geräte angebaut. „Wir können am effektivsten mit dem Boden umgehen, wenn wir ihn von Hand bearbeiten“, erklärt Marion Körner. Hier werde „aufbauende und stark bildungsgeprägte Landwirtschaft“ betrieben. Mit dem Ziel, dass etwa Schüler und Studenten früh verstehen, dass Lebensmittel und Gesundheit miteinander zusammenhingen.
Möglich wird das Projekt mit finanzieller Unterstützung des Rotary Club Ruhr. Dessen Präsident Rainer Sieber ist heute auch auf den Acker gekommen und beobachtet die Arbeit der Schülerinnen und Schüler. „Wir legen den Fokus auf „Hands-on“-Projekte, die regional Hilfestellung leisten“, Projekte zum Anfassen eben. Der Club wolle Jugendliche auf ihrem Weg aus der Schule in den Beruf unterstützen.
Spaß am gemeinsamen Tun steht auf dem Bildungsacker im Vordergrund
Jugendliche ackern zwischen 8 und 13.30 Uhr
Am Gemeinschaftsprojekt der Holzkamp Gesamtschule und der Entwicklungsgesellschaft für ganzheitliche Bildung sind zwölf Schülerinnen und Schüler beteiligt.
Einmal wöchentlich kommen sie zwischen 8 und 13.30 Uhr auf den Bildungsacker zum Feldunterricht in Corona-Zeiten.
Die Arbeit der Jugendlichen wird vor Ort von Daniela Kürten, Fachkraft für Gemüsebau, und der Sozialarbeiterin Carolin Dörr begleitet.
Fragt man die Schüler, die heute den Bildungsacker bestellen, was sie in den vergangenen Wochen gelernt haben, fällt ihnen die Antwort schwer. Dabei haben sie gerade das erste Mal in ihrem Leben Peperoni geerntet oder einen Regenwurm in der Hand gehalten. Sie haben sich die Arbeit untereinander aufgeteilt und darauf geachtet, keines der Beete platt zu trampeln. „Hier müssen alle zusammenarbeiten“, sagt Lehrerin Melanie Karlsohn-Vogel. Außerdem lernten die Schüler hier ein „echtes Handwerk“, findet ihre Kollegin Bettina Sudholt.
Anders als in der Schule, wo die Erfolgserlebnisse oft ausblieben, könnten die Jugendlichen auf dem Bildungsacker sehen, was sie mit ihren eigenen Händen und mit Hilfe der Natur geschaffen haben. Und: „Wir haben hier einfach Spaß am gemeinsamen Tun“, sagt Sudholt.