Witten. Nach dem Absturz der SPD in Witten und dem großen Erfolg der Grünen hätte eine GroKo keine Mehrheit mehr. Wer könnte nun Bündnisse schmieden?
Diese Kommunalwahl hat die SPD in ihrer einstigen Hochburg Witten erschüttert. Holte sie 2014 noch alle 25 Direktmandate, waren es diesmal nur noch 16 – bei einem Stimmenverlust von zehn Prozentpunkten.
In der Innenstadt gingen gleich vier Direktmandate an die Grünen verloren, während sich die SPD-Bewerber etwa in Annen durchsetzen konnten. Die Frage aller Fragen lautet nun: Wer regiert künftig im Rat? Denn für eine Neuauflage des wegen der Kommunalwahl im Februar nach sechs Jahren aufgelösten Bürgerbündnisses (GroKo) gäbe es diesmal keine Mehrheit.
Junge Hoffnungsträger der SPD in Witten verlieren Direktmandate
Der früheren Parteivorsitzenden und Bundestagsabgeordneten Christel Humme (70) tut es gerade um die jungen Leute in der SPD leid, die ihren Sitz im Stadtparlament verloren haben, manche ganz knapp wie Patricia Podolski, eine der Hoffnungsträgerinnen in der SPD, die mit vier Stimmen Unterschied das Nachsehen gegen einen Grünen hatte. Oder Robert Beckmann aus Rüdinghausen, der ob der grünen Welle ebenfalls plötzlich aus dem Rat flog. Wundenlecken war bei den Genossen am Montag angesagt. Nie war ihr Ergebnis nach dem Krieg so schlecht wie diesmal.
SPD-Fraktionschef Uwe Rath, der wie viele anderen am Sonntag aufgrund der großen technischen Panne im Rechenzentrum in Hagen ohne vorläufiges Endergebnis ins Bett ging, wachte mit einem „unerfreulichen“ Resultat auf. Noch deutlicher wird der junge SPD-Parteivorsitzende Axel Echeverria, der sein Kreistagsmandat knapp verfehlte. „Das ist eine katastrophale Niederlage für uns.“
SPD-Vorsitzender aus Witten: Eigene Partei- und Fraktionsarbeit hinterfragen
Die Sozialdemokraten in Witten geben sich am Montag als gute Verlierer. Keiner versucht, den Schwarzen Peter nur nach Düsseldorf oder Berlin zu schieben. Dass man zwar im schlechten Landestrend liege, zeigten eindeutig die Ergebnisse, sagen zwar alle. „Doch wir müssen auch unsere Rats- und Parteiarbeit hinterfragen“, erklärt Echeverria.
„Man hat das Gefühl, dass manche Prozesse zu langwierig sind“, sagt sein Fraktionschef. Als Beispiele nennt Rath die schleppende Umsetzung des Radverkehrskonzepts, die früher schon einmal in einem Prüfauftrag an die Verwaltung offenbar stecken gebliebene Asphaltierung des Rheinischen Esels oder die Baustellen in der Stadt. Wahlen gewinne der, dem der Wähler gute Lösung zutraue.
Grüne in Witten holen erstmals Direktmandate – und dann gleich vier
Nun, das waren am Sonntag offenbar die Grünen, die erstmals überhaupt Direktmandate holten, und dann gleich vier. Aus neun Ratsmitgliedern wurden über Nacht 13. Alle vier Wahlkreise habe man in der Innenstadt gewonnen, freut sich Fraktionssprecherin Birgit Legel-Wood (60), die selbst ein Direktmandat holte.
Gefragt nach künftigen Mehrheiten im zersplitterten Rat, wagt sie wie die wenigsten an diesem Montag eine Prognose. Klar ist: Es geht nur mit zwei großen Parteien, ob SPD, CDU oder Grüne, und einem kleineren Partner. Weder Rot-Schwarz noch Schwarz-Grün hätten eine eigene Mehrheit.
SPD-Parteichef Axel Echeverria, dessen Partei am Ende nur knapp vor der CDU lag, zeigt sich zwar offen für Gespräche. Es sei aber „sehr schwierig“, bei diesen Stimmenverhältnissen feste Bündnisse aufzubauen. Er persönlich glaube eher an wechselnde Mehrheiten.
SPD-Spitze sieht selbst mit Bündnispartnern keine „belastbaren Mehrheiten“ in Witten
Mit einem dritten, kleinen Partner sei es schwer, belastbare Mehrheiten aufzubauen, sagt Fraktionschef Uwe Rath. Es sei nutzlos, diese Frage jetzt zu diskutieren, „wenn man nicht weiß, zu welcher Partei die 65. Person gehört“, erklärt Birgit Legel-Wood von den Grünen, die eigentlich zweitstärkste Fraktion werden wollten. Jetzt müsse man erst einmal die Bürgermeister-Stichwahl abwarten. Der neue Rat hat 64 Sitze.
In 14 Tagen ringen Amtsinhaberin Sonja Leidemann (SPD) und Lars König von der CDU um den Chefsessel im Rathaus. Leidemann liegt aktuell rund fünf Prozentpunkte vor ihm. Dass es die 60-Jährige zum vierten Mal schafft, ist für SPD-Fraktionschef Uwe Rath kein Selbstläufer. Die Bürgermeisterin selbst ist zuversichtlich, wiedergewählt zu werden. „Der Wahlkampf fängt heute wieder an.“
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