Witten. Bürger fragen – Bürgermeisterkandidaten antworten: Das sind Themen, die Lesern in Witten auf den Nägeln brennen – von Graffiti bis Grundsteuer.
Kurz vor der Kommunalwahl am Sonntag (13.9.) haben die Bürger und Bürgermeisterkandidaten in Witten noch einmal das Wort. Wir haben unsere Leser dazu aufgerufen, einmal all das zu fragen, was ihnen auf den Nägeln brennt, und die wichtigsten Themen ausgewählt. Da geht es um das Erscheinungsbild der Stadt, eine bessere Infrastruktur für Radfahrer, kaputte Straßen oder die hohe Grundsteuer. Einige Fragen richteten sich an alle Kandidaten, andere wurden gezielt an einen speziellen Kandidaten gestellt. Nicht alle Politiker haben geantwortet.
Wie wollen Sie das Erscheinungsbild der Stadt Witten verbessern?
Leser Heinz-Dieter Heyer fragt: Wie wollen Sie das äußere Erscheinungsbild der Stadt, das von Graffiti, Müll, ungepflegten Blumenbeeten und schlechten Straßen geprägt ist, verbessern?
Sonja Leidemann (SPD): Im Oktober wird in der Innenstadt ein Quartiersmanagement eingerichtet, das sich um diese Belange kümmert. Grundsätzlich wird die City mehrmals täglich gereinigt. Die Straßen werden nach und nach saniert. Husemann-, Ruhr- und Bergerstraße wurden bereits saniert. Der Bahnhof ist in einem sehr guten Zustand, das Rathaus wird saniert.
Lars König (CDU): Graffiti kann teilweise durch Angebote an Jugendliche kanalisiert werden. Das Müllproblem kann durch verstärkte Kontrolle und Geldbußen gelöst werden. Bei ungepflegten Grünflächen ist die Verwaltung in der Pflicht. Für die Straßen muss man durch verstärktes Einwerben von Fördermitteln von Bund und Land das vorhandene Geld bestmöglich nutzen. Man könnte aber auch eigene Technik anschaffen und nicht nur eine Schaufel Asphalt in die Schlaglöcher scheppen.
Stefan Borggraefe (Piraten): Es gibt auch viel Positives, etwa das Wiesenviertel, die wachsende Universität oder die ehrenamtlichen Baumscheiben-Patenschaften. Ich will die Zusammenarbeit mit den umliegenden Unis verbessern sowie mehr IT- und High-Tech-Firmen als zukunftsfähige Gewerbesteuerzahler nach Witten holen. Gegen Vandalismus helfen mehr Angebote für Jugendliche und Streetworker.
Ulla Weiß (Die Linke): Witten befindet sich im Strukturwandel von Stahl und Kohle zu Dienstleistungen, Gesundheitswirtschaft und digitaler Wirtschaft. Witten muss von den Altschulden befreit und von Bund und Land für die gesetzlich angeordneten Aufgaben bezahlt werden. Dann kann die gesamte öffentliche Infrastruktur besser gepflegt werden.
Dr. Richard Surrey (WBG): Die Stadt hat bereits einen Mängelmelder installiert, wo Bürger melden können, was ihnen negativ auffällt. Es ist natürlich notwendig, diese Mängel dann zügig zu beseitigen. Die Sauberkeit in der Stadt kann durch den gezielten Einsatz von Reinigungskräften auf ein besseres Niveau gebracht werden. Ein besonderes Anliegen ist es mir, den Erhalt von Fassaden und Gebäuden in die städtische Satzung aufzunehmen.
Peter Skotarzik (Witten direkt): Für Graffiti und Vermüllung sind die Bürger verantwortlich. Da hilft auf Dauer nur Prävention, also Aufklärung schon im Kleinkindalter. Wenn es um ungepflegte Beete geht, sollten vielleicht die Mitarbeiter der städtischen Betriebe eine verbesserte Ausstattung und andere Anweisungen erhalten. Eventuell muss auch die Personalstärke erhöht werden.
Martin Strautz (Bürgerforum Witten): Ursache dafür sind leere Kassen. Deshalb müssen wir auch bei den Finanzen der Stadt ansetzen. Von den hier erhobenen Steuern muss mehr nach Witten zurückfließen. Solange wir aber kein Geld haben, können wir uns andere Werte schaffen: In der Innenstadt pflegen manche Bewohner die Straßenbeete und Baumscheiben selbst. Auch gibt es immer wieder Müllsammelaktionen. Ich begrüße das sehr.
Wann wird in Witten die Infrastruktur für Radfahrer verbessert?
Leserin Ute Alexy fragt: Wann wird in Witten endlich die Infrastruktur für Fahrradfahrer verbessert?“
Leidemann: Wir haben dazu einen umfangreichen Maßnahmenkatalog, der umgesetzt wird.
König: Das vorliegende Konzept muss zügig umgesetzt werden. Es beinhaltet eine Vielzahl guter Maßnahmen, die eine deutliche Verbesserung bringen werden.
Borggraefe: Wenn es nach mir geht, sehr bald. Für die Umsetzung muss mehr Geld vorgesehen werden. Durch 20 Prozent mehr Einnahmen bei den Parkgebühren könnte der Haushaltsansatz für die Umsetzung des Radverkehrskonzepts verdoppelt werden.
Weiß: Seit langem setze ich mich für eine sofortige Verbesserung dieser Infrastruktur ein, insbesondere in den Gefahrenbereichen Husemannstraße, Ruhrstraße/Ruhrdeich und für eine sichere Aufbewahrung am Hauptbahnhof.
Surrey: Hier ist es dringend an der Zeit, konzeptionell vorzugehen, um die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer zu gewährleisten. Allerdings sind bei der weitläufigen Stadtfläche Berufs- oder Einkaufsfahrten von Bommern nach Stockum eher unwahrscheinlich. Radnutzung ist immer wünschenswert. Sie deswegen zum Goldenen Kalb hochzustilisieren, halte ich für übertrieben.
Skotarzik: Im Juli 2019 haben wir im Rat ein umfangreiches Klimaschutz- und Radverkehrskonzept beschlossen, das jetzt schnell umgesetzt werden muss.
Strautz: Das Radverkehrskonzept wird bereits schrittweise umgesetzt. Ich plane zusätzlich Fahrradstraßen für sichere Alltagspendelwege.
Welche Partei ist gegen das Gewerbegebiet Vöckenberg?
Leser Joachim Winkler fragt: Welche Partei ist gegen die Umwandlung der Ackerfläche in das Gewerbegebiet Vöckenberg?
Leidemann: Ob es ein Gewerbegebiet Vöckenberg geben kann, liegt zurzeit im Entscheidungsprozess der Neuaufstellung des Regionalplanes. Erst wenn dieser fertiggestellt ist, haben die zuständigen Ausschüsse und der Rat zu entscheiden, ob es ein solches Gewerbegebiet geben wird. Vorrangig ist aber die Reaktivierung alter Brachflächen wie beispielsweise die Thyssendeponie.
König: Wir stehen für die Reaktivierung von Brachen und setzen bei der Flächenentwicklung insbesondere auf die Fläche der alten Thyssendeponie nach erfolgter Sanierung.
Borggraefe: Wir fordern, dass die Fläche Vöckenberg in Stockum für die regionale Landwirtschaft und als wichtige Frischluftschneise für ganz Witten erhalten bleibt.“
Weiß: Wir kämpfen seit Bekanntwerden der Planungen zum Gewerbegebiet Vöckenberg für den Erhalt dieser wichtigen Freifläche.
Surrey: Es ist unser Anliegen, vorhandene Industrie- und Brachflächen für die Neuansiedlung von Gewerbe zu nutzen und Freiflächen wie den Vöckenberg als solche zu erhalten.
Skotarzik: Wir sprechen uns seit Jahren gegen eine Umwandlung aus.
Strautz: Wir sind dagegen.
Warum ist die Grundsteuer B in Witten so hoch?
Leserin Eva Schwarze fragt: Warum ist die Grundsteuer B in Witten so hoch?
Leidemann: Die Grundsteuer B und die Gewerbesteuern sind in Witten so hoch, weil sonst der Haushalt nicht genehmigt worden wäre. Witten hat sehr hohe Sozialleistungen zu zahlen.
König: Als eine der wenigen originären Einkunftsquellen der Stadt ist der Grundsteuersatz Ausdruck einer über viele Jahre verfehlten Haushaltspolitik einerseits und der fehlenden Kompensation von ausgabenwirksamen bundes- und landespolitischen Entscheidungen andererseits.
Borggraefe: Durch eine mutigere Politik, etwa in Sachen Glasfaserausbau, hätte man schon längst bessere Bedingungen für die Ansiedlung von mehr zukunftsfähigen Gewerbesteuerzahlern schaffen können. Dann müsste die Grundsteuer B nicht so hoch sein.
Weiß: SPD und CDU in Witten haben sich nur unzureichend gegen das Stärkungspaktgesetz NRW und seine Auswirkungen auf Witten gewehrt. Das Gesetz fordert einen Haushaltsausgleich, der in Witten u. a. mit der Erhöhung der Grundsteuer B kurzzeitig erreicht wurde.
Surrey: Die Grundsteuer B ist in Witten skandalös hoch. Im Haushaltsicherungskonzept, dem die Stadt unterliegt, wollte man so den Einsatz eines externen Sparkommissars um jeden Preis verhindern. Denn die Kommune hat an vielen Stellen eigenverantwortlich hohe Ausgaben getätigt.
Skotarzik: Weil die Verwaltung sowie der überwiegende Teil der Ratsmitglieder seit Jahrzehnten dem Irrglauben erliegen, mit ständiger Steuererhöhung die Schulden zu senken.
Strautz: Die meisten Steuern bleiben nicht in Witten, sondern gelangen in Landestöpfe. Manches kommt auch von dort zurück, derzeit aber nicht genug. Weil Witten trotzdem seinen Haushalt flott kriegen muss, wurden die Steuern hochgedreht, die direkt in Witten bleiben, also Gewerbesteuern und Grundsteuer B.
Diese Fragen richten sich speziell an Sonja Leidemann und Lars König
Leser Wilfried Böckmann: Schnelles Internet ist in Zeiten von Home-Office, Homeschooling und Online-Studium dringend nötig. Wie wollen Sie den Breitbandausbau in Witten beschleunigen?
Leidemann: Auf Betreiben der Stadt ist der Breitbandbeauftragte des Kreises in Kontakt mit Net Cologne. Nach Darstellung des Unternehmens aktualisiert der Provider ständig seine Infrastruktur. Formell hatte die Stadt keinen Einfluss auf Art und Umfang des Ausbaus. Grundsätzlich setzen wir auf einen flächendeckenden Ausbau mit Glasfaseranschlüssen. Ab dem Zeitpunkt, an dem ein geförderter Ausbau von Glasfaser möglich ist, wird die Stadt unverzüglich alle Möglichkeiten nutzen, um seine Bürger mit moderner Infrastruktur zu versorgen.
König: Es gibt hierzu eine Vielzahl von Fördertöpfen insbesondere des Bundes. Um hier deutlich voranzukommen, muss über Personal gesprochen werden, das Zukunftsthemen wie Breitbandausbau und Digitalisierung vorantreibt.
Leserin Claudia Friedrich: Wann wird endlich die völlig kaputte Herbeder Straße saniert?
Leidemann: Sie soll 2024/25 erneuert werden, die Straßenbahnschienen müssen bis 2026 ausgetauscht werden.
König: Als Bürgermeister werde ich mich mit Nachdruck dafür einsetzen, dass sie zeitnah saniert wird.
Leser Wolfgang Spiering hat noch zwei Fragen speziell an Sonja Leidemann: Finden Sie es richtig, dass gut erhaltene Straßen aufgerissen und umgebaut werden (Johannisstr.) und kaputte Straßen (Stockumer Str. Nähe Lueg, Bebbelsdorf) nicht repariert werden?
Leidemann: Die Stockumer Straße und Bebbelsdorf sind in der Planung, können aber erst begonnen werden, wenn die Pferdebachstraße fertig ist und die Umleitungsregelung entfällt. Die Bonhoefferstraße wird gebaut, weil der Kanal marode ist. Die Johannisstraße wird umgebaut aufgrund von Luftreinhaltungsmaßnahmen und weil es Fördermittel für die Quartiersentwicklung gibt.
Auf Ihren Wahlplakaten ist kein SPD-Aufdruck. Wer bezahlt diese?
Leidemann: Mein Wahlkampf ist ein personenzentrierter Wahlkampf. Ich werde von SPD und FDP unterstützt. Finanziert wird er durch mich und die SPD.
Diese Frage richtet sich speziell an Peter Skotarzik
Leser Siegfried Nimsch hat eine Frage ganz speziell an Peter Skotarzik von der Wählergemeinschaft Witten direkt: Wie wollen Sie das Amt des Bürgermeisters ausüben, wenn Sie nach eigenen Angaben eine Erwerbstätigkeit für sich persönlich ablehnen? Ehrenamtlich?
Skotarzik: „Dass das Amt des Bürgermeisters nicht ehrenamtlich geführt werden kann, ist uns beiden bekannt. Ich werde es mit derselben Einstellung ausüben, mit der ich seit elf Jahren mein Ratsmandat und meine weiteren ehrenamtlichen Tätigkeiten täglich erfülle. Ich betrachte mein Handeln als Dienst am Allgemeinwohl. Selbstverständlich werde ich den überwiegenden Teil meiner Bezüge und Aufwandsentschädigungen spenden.“
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