Witten. Weil Petra Tusche 65 Jahre alt geworden ist, kostet ihre Reiseversicherung nun fast das Doppelte. Die Wittenerin hält das für Diskriminierung.

Petra Tusche staunte nicht schlecht, als ihr jetzt die Jahresrechnung ihrer Reiserücktrittsversicherung ins Haus flatterte. Statt 59 Euro verlangte die Ergo plötzlich 109 Euro von ihr. Begründung: Sie habe die Altersgrenze von 65 Jahren überschritten. Für die Wittenerin war das wie ein Schlag ins Gesicht: „Das darf nicht sein, das ist doch Altersdiskriminierung!“, schimpft sie. Die 65-Jährigen seien heute so fit wie die 55-Jährigen früher. „Ich bin keine alte Frau, ich bin immer noch jung und frisch – und diese Behandlung macht mich sauer!“

Die Bürokauffrau hat dabei sogar Verständnis dafür, dass der Beitrag der Reiseversicherung bei Senioren angepasst wird. 10 oder 20 Euro mehr: „Dazu wäre ich bereit gewesen, weil ja im Alter die Knochen ein bisschen quietschen. Aber fast das Doppelte? Niemals!“ Das übersteige die Grenzen des guten Geschmacks. Junge Leute könnten schließlich auch krank werden.

Wittenerin hat Versicherung nie in Anspruch genommen

Und der Zeitpunkt der Erhöhung sei besonders ungerecht: Schließlich würden sich gerade Neu-Rentner ein paar Urlaubsreisen gönnen wollen. „Ich bin auch sehr reisefreudig“, sagt Petra Tusche, die die Versicherung vor einigen Jahren für einen Urlaub auf Lanzarote abgeschlossen hat. Seitdem war die viel unterwegs. „Die Versicherung habe ich aber nie in Anspruch genommen.“

Aber es wird immer wahrscheinlicher, dass sie es bald einmal muss: Bei Reisenden über 65 Jahren spricht die Ergo auf Nachfrage der Redaktion von einer „Zielgruppe mit einem nachweislich erhöhten Schadensrisiko“. Das würden umfangreiche Schadensdetailanalysen zeigen. Deshalb habe das Unternehmen für diese Zielgruppe spezielle Tarife entwickelt. Die Erhöhung kann dabei in manchen Fällen sogar weit mehr als das Doppelte betragen: Für eine Einzelperson steige etwa der Beitrag in der Jahres-Reisekranken-Versicherung ohne Selbstbeteiligung von 18 Euro (bis 64 Jahre) auf 71 Euro, teilt die Ergo mit.

„Auch ein Hundertjähriger genießt ohne Einschränkung Versicherungsschutz“

Dafür gebe es aber keine weitere Altersbegrenzung nach oben. Auch ein Hundertjähriger genieße ohne Einschränkung Versicherungsschutz. „Damit tragen wir dem steigenden Bedürfnis nach Mobilität auch im Alter bei gleichzeitiger Beitragsstabilität Rechnung.“ Die Versicherung betont, ein einheitlicher Tarif wäre gegenüber der Solidargemeinschaft der Versicherten nicht fair.

Auch Elke Weidenbach, Versicherungsexpertin bei der Verbraucherzentrale NRW, hält diese Altersstaffelung für „rechtlich in Ordnung“. Das Verfahren gebe es ja nicht nur bei den Reiseversicherungen, sondern auch bei vielen Autoversicherungen – bei denen es sowohl für Junge wie auch Alte teurer werden kann.

Verbraucherzentrale rät: Angebote vergleichen

Die Referentin kann den Ärger von Petra Tusche dennoch gut verstehen. Indes: Der Gesetzgeber habe zwar Altersdiskriminierung verboten. „Außer es gibt einen sachlichen Grund dafür“, erklärt sie. Und der sei mit der Risikokalkulation der Versicherung nun einmal gegeben. Elke Weidenbach kann der Wittenerin aus Sicht der Verbraucherschützer daher nur einen Rat geben: „Sie sollte die Angebote der verschiedenen Versicherungen vergleichen und dann zu einem anderen Vertragspartner wechseln – es gibt auch welche, die ohne Altersgrenze arbeiten.“

Das Thema hat sich für Petra Tusche aber sowieso schon erledigt. „Ich habe umgehend gekündigt.“ Für die Zeit will sie auch keinen neuen Vertrag woanders abschließen. „In der Corona-Zeit mache ich ohnehin nur kleine Reisen – und dazu starte ich dann spontan.“

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