Witten. Noch immer plagt die große Trockenheit die Bauern. Dennoch könnte die Ernte ganz ordentlich ausfallen. Doch jetzt droht wieder Gefahr.

Wenn jetzt zum Wochenende hin die Temperaturen steigen, kommt für die meisten Wittener endlich der lang ersehnte Sommer – für die Landwirte hingegen nur eine weitere Zitterpartie. Wie heiß wird es? Kommt eine Dürre im August? Oder macht ein Gewitterhagel vielleicht schon am Samstag das Getreide platt: Diese Sorgen plagen die Wittener Bauern.

Dabei ist das Jahr bislang besser verlaufen als gedacht. Und vor allem: Besser als in den Hitzesommern 2018 und 2019. „Es wird nicht grandios, aber guter Durchschnitt“, dieses Fazit wagt Dirk Kalthaus, der Vorsitzende des EN-Landwirtschaftsverbandes, nachdem etwa die Hälfte der Ernte eingebracht ist. Für den Mais, der ja erst spät wachse, sehe es bislang sogar richtig gut aus. „Für den wird es ein Spitzenjahr, der konnte vom Juni-Regen profitieren.“

Von März bis Ende Juni sind in Witten 62 Liter Regen gefallen

Für fast alle anderen Pflanzen gilt: Es ist weiterhin viel zu trocken. „Von März bis Ende Juni sind gerade einmal 62 Liter Regen pro Quadratmeter gefallen, vor etwa 15 Jahren waren noch 300 die Regel“, sagt Dirk Liedmann von der Kornkammer Haus Holte. So viel Wasser müsste es gar nicht sein, um die Pflanzen gedeihen zu lassen. „Die Hälfte würde uns reichen.“

Biobauer Dirk Liedmann ist mit seinem Hafer nur bedingt zufrieden. Die Körner hätten wegen der Trockenheit wie 2019 wieder zu wenig Gewicht.
Biobauer Dirk Liedmann ist mit seinem Hafer nur bedingt zufrieden. Die Körner hätten wegen der Trockenheit wie 2019 wieder zu wenig Gewicht. © Bingmann

Aber die Wünsche der Landwirte wurden auch in diesem Jahr wieder nicht erfüllt. Entsprechend haben viele Pflanzen sehr gelitten. „Die Haferkörner haben zum Teil so wenig Gewicht, dass sie sich nicht mehr schälen lassen“, klagt Biobauer Liedmann. Das Wintergetreide wie der Dinkel habe etwas Vorsprung, weil es vom Herbstregen profitiert habe. „Die anderen Sorten haben gelitten.“

Ein Schauer kann für die Ernte einen großen Unterschied machen

Manchmal mache ein einziger Regenschauer schon einen großen Unterschied aus. Auf einem Weizenfeld in Essen hatte der Wittener fünf Tonnen Ertrag pro Hektar, in Dortmund waren es ganze zwei Tonnen mehr. „Und das nur, weil es in Dortmund im Juni noch einmal kräftig geregnet hat.“ Auch selbst im Stadtgebiet von Witten macht die Lage viel aus: „Wir Bergbauern in den Hölzern haben niedrigere Erträge als die Kollegen im flachen Land, etwa in Stockum oder Heven“, sagt Gerd Pampus, der Vorsitzende des Bauern-Ortsverbands Witten. Oben in den waldreichen Gebieten mache sich die Trockenheit noch stärker bemerkbar.

Dass es überhaupt mit der Ernte noch so gut aussieht, das liegt an den kühlen Temperaturen. Und geregnet hat es im Juli doch eigentlich genug, oder? „Ja, aber das ist nur ein Tropfen auf dem heißen Stein“, erklärt Liedmann. Die Kartoffeln könnten vielleicht noch davon profitieren, für den Rest der Felder komme das lang ersehnte Wasser zu spät.

Wittener Mohn-Ernte fiel besser aus als erwartet

Dennoch will der Biobauer aus Gedern nicht klagen. Die Erntemengen fielen in diesem Jahr höher als erwartet aus. „Und auch die Qualität ist besser“, sagt er mit Blick auf die kommende Kartoffelernte. Selbst der Ertrag seiner Experimente könne sich sehen lassen. Drei Tonnen Blaumohn – den er als einziger in NRW anbaut – hat Liedmann geerntet. Dabei seien zwei von drei Feldern nichts geworden. Und auf dem dritten, am Schloss Steinhausen, lief es zunächst auch nicht so wie geplant. Statt 85 Pflanzen pro Quadratmeter sind gerade mal 30 aufgegangen, dazwischen wucherte die Kamille. „Wir dachten schon, das wird nichts“, gibt der 55-Jährige zu. Aber dann sei die Kamille eingegangen: Auch der war es zu trocken.

Dirk Kalthaus, Vorsitzender des Landwirtschafts-Verbandes Ennepe-Ruhr, zieht eine vorsichtig positive Bilanz für die Ernte 2020.
Dirk Kalthaus, Vorsitzender des Landwirtschafts-Verbandes Ennepe-Ruhr, zieht eine vorsichtig positive Bilanz für die Ernte 2020. © Verband

Große Erleichterung herrscht derzeit auch bei den Futterbau-Betrieben. „Dieser Sommer war unsere letzte Chance“, erklärt Kalthaus, der selbst 70 Kühe auf seinem Hof in Ennepetal hält und von der Milchwirtschaft lebt. Die Futtervorräte seien nach den letzten zwei Hitzejahren schon extrem knapp gewesen. Noch eine Dürre hätten die Betriebe nicht überstanden. Doch 2020 sei der erste Grasschnitt ganz gut gewesen, der zweite zwar etwas schlechter, aber: „Wir haben soeben noch die Kurve gekriegt – da fällt mir nicht ein Stein, da fallen mir 1000 Steine vom Herzen.“

Rinderbauern wurden in der Coronakrise ihr Fleisch nicht los

Doch das Wetter ist nicht das einzige Problem der Landwirte: Mehr als mit den Erntemengen hätten die Bauern derzeit mit den niedrigen Preisen zu kämpfen, so Dirk Kalthaus. Corona habe die Situation verschärft, vor allem für die Rindfleischproduzenten. „Die haben wegen der Gastro-Krise massive Probleme beim Absatz ihrer Produkte.“ Bei den Schweinen komme der Tönnies-Skandal dazu. Auch die Milchpreise seien gesenkt worden. „Wer da vom Export abhängig ist, für den wird es schwierig.“

39 landwirtschaftliche Betriebe sind gemeldet

In Witten sind laut aktueller Statistik 39 landwirtschaftliche Betriebe – in Haupt- und Nebenerwerb – gemeldet, diese Zahl nennt die Landwirtschaftskammer NRW. Sie bewirtschaften eine Fläche von rund 1151 Hektar. Zwei Betriebe davon haben mehr als 100 Hektar Land, vier zwischen 50 und 100 Hektar.

Auf 473 Hektar wird in Witten Getreide angebaut, vor allem Weizen (226 ha), Gerste (173), Hafer (35), Körnermais (35) und Silomais (33). Auf rund 107 Hektar wird Raps angebaut.

Andererseits habe die Pandemie auch positive Auswirkungen für die Bauern, das bestätigen beide Landwirte. Die Menschen würden sich in Krisenzeiten wieder auf lokale und regionale Lebensmittel besinnen. „Auch regionale Vermarkter haben einen deutlich höheren Zulauf gehabt“, weiß Kalthaus. Die Kunden seien lieber zum Hofladen als in den Supermarkt gegangen. „Aber das sind kleine Bereiche, das kann die anderen Ausfälle nicht kompensieren.“

Stefan Pawliczek bringt in diesen Tagen den Hafer für die Kornkammer Haus Holte ein. Er ist in die Fußstapfen seines Vaters getreten und macht im Betrieb mit.
Stefan Pawliczek bringt in diesen Tagen den Hafer für die Kornkammer Haus Holte ein. Er ist in die Fußstapfen seines Vaters getreten und macht im Betrieb mit. © FUNKE Foto Services | Barbara Zabka

Um den Rest der Ernte einzubringen wünschen sich die Bauern noch ein paar schöne, trockene Tage. „Sechs würden reichen, dann sind wir durch“, sagt Liedmann, der mit seinem Kollegen Bernhard Pawliczek insgesamt 250 Hektar Land zwischen Essen und Dortmund bewirtschaftet und damit zu den größten Höfen in Witten zählt. „Und wir hoffen, dass die Corona-Krise bald vorbei ist“, ergänzt Kalthaus. „Denn dann sind wir Landwirte mit einem blauen Auge davon gekommen – und können zufrieden sein.“

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