Witten. Mode made in Witten, nicht zuletzt oder zuallererst von Frauen, die als Flüchtlinge kamen. Jetzt nähten sie für ihr Projekt an ungewohnter Stelle.
„Nournanour“ steht für „Vielfalt tragen“ und damit ist eigentlich schon alles gesagt über dieses besondere Projekt. Flüchtlingsfrauen, die aus dem arabischen Raum nach Witten kamen und hier keine passende Kleidung für sich fanden, setzten sich kurzerhand in einem Kurs selbst an die Nähmaschine. Nun wollen sie sogar ihr eigenes Modelabel gründen. Um die Jahresmiete für ein Ladenlokal zusammenzubekommen, geht „nouranour“ jetzt in die Öffentlichkeit – und näht wie am Samstag (18.7.) mitten in der City.
Blumen und Schwäne schmücken den bunten Kimono, den Maria Natalia Delgado Benitez stolz präsentiert. „Das ist unser größtes Produkt, das man erwerben kann“, sagt sie. Die Frauen haben in das traditionelle, fernöstliche Kleidungsstück viel Zeit und Arbeit investiert. Im besten Fall sollen für diesen Kimono rund 500 Euro in der großen Flasche landen, die auf einem Tisch auf dem Rathausplatz steht.
15 bis 20 Frauen engagieren sich bei der interkulturellen Initiative. Sie wollen eine Kleidungsmarke etablieren, mit der sich Vielfalt tragen lässt. Doch dafür fehlen aktuell noch Räumlichkeiten. „Im Moment haben wir keine Kapazitäten mehr“, sagt Julia Ebner, die das Projekt von Anfang an begleitet.. „Wir brauchen mehr Platz und wollen sichtbar sein.“
Dafür werben sie an diesem Samstag. Tücher und Beutel hängen an einer Leine. Während im Hintergrund fleißig genäht wird, wühlen Interessierte in den Körben nach den Accessoires.
Besonders gefragt sind aus aktuellem Anlass ein selbstgenähter Mund- und Nasenschutz. Eine ältere Dame fragt nach: „Sind die für Kinder?“ Hanife Demir steht hinter dem Tisch und steht den Besuchern Rede und Antwortet. Die 22-Jährige leitet selbst Nähkurse und war von Anfang von der Idee überzeugt, eine eigene Marke zu kreieren. „Was mich besonders begeistert, ist die Verbindung von Kulturen“, sagt sie.
Denn Kleidungsstücke aus anderen Kulturen gingen in den einschlägigen Textiltempeln eher selten über den Tresen, sagt Demir. Solche Mode werde dann eher aus der Türkei bestellt. „Fairtrade“ stehe dabei weniger im Vordergrund. „In der türkischen Community ist das bisher nicht so interessant.“
Nouranour setzt daher auf reine Naturfasern. Vielfältig und nachhaltig soll die Marke sein. „Wir wollen damit auch einen Dialog schaffen“, sagt Demir. „Das Nähen kann dafür ein gemeinsamer Nenner sein.“
Angefangen hatte alles 2014 mit der an der Uni Witten/Herdecke angestoßenen Flüchtlingshilfe „Willkommen in Witten“. Frauen aus Afghanistan, Iran und Syrien kamen zusammen. Ärztliche Notfallversorgung, Deutschkurse oder Kinderbetreuung wurden organisiert, um sich in Deutschland zurechtzufinden. Und als sie bemerkten, dass es hier keine passende Kleidung für arabische Frauen gibt, setzten sie sich an die Nähmaschinen.
Aus ehrenamtlicher Initiative in Witten soll Sozialunternehmen werden
Nun folgt für alle Beteiligten der nächste Schritt. Aus der ehrenamtlichen Initiative soll ein Sozialunternehmen werden. „Die Frauen wollen ja ökonomisch unabhängig sein“, erklärt Julia Ebner. In Aussicht steht ein Ladenlokal an der Ruhrstraße, in dem früher eine Eisdiele war. Dort sollen Nähwerkstatt, Deutschkurse und Kinderbetreuung einen Platz finden.
Die Monatsmiete beträgt 1000 Euro. Mit einer „Crowdfunding“-Kampagne sollen Spenden von 12.000 Euro gesammelt werden, um die Räumlichkeiten für ein gesamtes Jahr nutzen zu können. Bis zum 31. Juli müssen die Frauen das Geld zusammenhaben. Zwar fehlt noch die Hälfte, aber Ebner ist zuversichtlich. Am nächsten Samstag rattern erneut die Nähmaschinen vor dem Rathaus – um dem Traum von der eigenen Vielfalt noch ein Stück näher zu kommen.
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