Witten. Nach dem Tönnies-Skandal fragen sich Verbraucher in Witten: Woher kommt eigentlich das Fleisch bei meinem Metzger? Und im Restaurant?

Seit Wochen steht der Tönnies-Schlachtbetrieb wegen schlechter Arbeitsbedingungen und Hygieneverstöße in der Kritik. Der Skandal hat die Verbraucher aufgeschreckt. Viele wollen wissen, woher eigentlich das Fleisch kommt, das sie beim Metzger ihres Vertrauens oder im Supermarkt kaufen. Betriebe in Witten reden Klartext.

Sven Westemeier hat im Oktober 2018 seinen Lehrbetrieb übernommen – die Metzgerei Lassner an der Stockumer Straße. „Wir sind die einzigen in Annen und vielleicht sogar in ganz Witten, die vor Ort produzieren und verkaufen“, sagt der 29-Jährige. Auf keinen Fall komme ihm etwas von Tönnies in die Theke. Sogar einen Aushang hat Westemeier draußen am Fenster gemacht, dass sein Betrieb sich von solchen Machenschaften distanziere.

Metzger in Witten-Annen verkauft nur deutsche Ware

Seine Schweine bekommt er von einem Betrieb in Wuppertal, der die Tiere wiederum aus der Region bezieht, sagt der Jung-Metzger. Ähnliches gelte fürs Rind: „Da haben wir vor allem Jungbullenfleisch, nichts aus Brasilien oder Argentinien.“ Er verkaufe nur deutsche Ware. Die Hähnchen tragen das Ki-Roy-Siegel, wurden also mit Mais gefüttert und nicht mit Antibiotika gemästet. Dann koste das Fleisch eben auch ein, zwei Euro mehr. „Unsere Stammkunden wissen das alles.“

Hofladen oder Supermarkt?

Thieles Hofladen wirbt im Netz als „Landmetzgerei in Bommern“. Die Rinder stehen in Durchholz auf der Weide, sagt Senior-Chefin Karin Thiele. Schwein und Geflügel stammen von Thönes Naturverbund im niederrheinischen Wachtendonk. Brühwürstchen und Grillfleisch – alles selbst gemacht. Den Kunden gefällt’s offenbar, die Nachfrage steige.

Edeka Grütter in Herbede bestückt seine Frischetheke ausschließlich mit Ware vom Fleischhof Rasting in Essen-Kupferdreh. Außerdem können Kunden unter dem Aktions-Motto „Wir kennen unsere Bauern“ an Bustouren zu Höfen am Niederrhein teilnehmen. „Es kann sein, dass Fabrikware in den Truhen liegt“, sagt Chef Dominik Grütter. „Aber wenn, dann wäre das jetzt nicht mehr von Tönnies.“

Prospekte vom Eichenhof in Osnabrück liegen auf der Theke der Fleischerei Dasenbrock an der Ruhrstraße. Darin erfahren verunsicherte Kunden, woher das Schweinefleisch kommt – nämlich von ursprünglichen Rassen, die artgerecht gehalten werden und nicht so schnell wachsen. „Wir bilden eine Erzeugergemeinschaft mit den Bauern und dem Schlachthof. Da wird viel von einer unabhängigen Stelle kontrolliert und bei Nichteinhalten drohen Strafen“, erklärt Metzgerei-Chef Philipp Dasenbrock (32), der vier Filialen in der Umgebung betreibt und viel auf Wochenmärkten verkauft.

Tiere könnten auch auf einer Weide in Witten gestanden haben

Auch das Rindfleisch kommt von Bauern aus der Umgebung, die Tiere könnten auf einer Weide in Witten gestanden haben. Ein Bochumer Betrieb schlachtet sie. Dasenbrock bietet überwiegend Färsenfleisch an. Das stammt von weiblichen Tieren, die noch nicht gekalbt haben. Ihr Fleisch zeichne sich durch eine feine Marmorierung aus. „Im Mund schmeckt man den Unterschied“, sagt Dasenbrock über das hochwertige Erzeugnis.

Über den Geschmack entscheidet auch der Gast im Restaurant. Der Koch in der Stockumer Pfeffermühle brät nur argentinisches Steak. Gekauft wird im Großhandel. „Das Herkunftsland steht auf dem Etikett“, heißt es aus dem Haus an der Hörder Straße.

Wittener Restaurant-Besitzer: Unsere Esskultur geht den Bach runter

Bei André Vordenbäumen kommt nur Rind auf den Teller. Der Chef des Herbeder Restaurants „André’s 1726“ ordert im kanadischen Alberta. Dort, so sagt er, stehen die Tiere nur auf der Weide, nicht im Stall, werden vollständig verarbeitet und nicht nur in Einzelstücken – wie bei Tönnies. Das Fleisch wird verschifft und erhält bei der wochenlangen Reise über den Ozean die richtige Reife. „Deshalb ist das auch so teuer“, sagt Vordenbäumen.

Tönnies mache er übrigens keinen Vorwurf, „der hat nur 10.000 Tiere am Tag geschlachtet, um den Markt mit Billigfleisch bedienen zu können“. Vordenbäumen sagt es ganz deutlich: „Unsere Esskultur geht den Bach runter.“ Deshalb müsse dringend ein Umdenken stattfinden – hin zu mehr Qualität beim Fleischkonsum.

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