Witten. Sie standen im Regen und manchmal auch kurz vor der Trennung. Trotzdem ist eine Familie aus München gut in Witten angekommen – mit dem Fahrrad.

Wer eine Reise tut, der kann was erzählen. Konstantin Schultz ist mit seiner Freundin und der kleinen Tochter von München nach Witten geradelt. 33 Tage waren sie unterwegs. Sie sind 1200 Kilometer gestrampelt und um eine wichtige Erkenntnis reicher: Den schönsten Fahrradweg gibt es an der Ruhr.

Wann hat man schon mal einen ganzen Monat, um durch Deutschland zu radeln, dachte sich die kleine Familie. Konstantin Schultz (45) und seine Lebensgefährtin Ina (40) nutzten die Elternzeit für dieses ehrgeizige Unterfangen. Schließlich ist Tochter Klara gerade mal 14 Monate alt.

Sie tat das einzig Richtige, was man in einem Fahrradanhänger den lieben langen Tag so tun kann, während Papa in die Pedale tritt. Schlafen. „Dafür war sie hellwach, wenn wir uns ausruhen wollten“, sagt der Anwalt, der in Witten aufgewachsen ist, schon zum Studium nach München ging und dort heute noch lebt, nach der Ankunft in Witten.

Manchmal steht man auch im Regen: Freundin Ina mit Tochter Klara.
Manchmal steht man auch im Regen: Freundin Ina mit Tochter Klara. © Konstantin Schultz

Ohne E-Bike hatte sich das radelnde Trio vor über einem Monat auf den Weg gemacht, mit möglichst wenig Gepäck. Klar gehörten ein bisschen Spielzeug und regenfeste Kleidung dazu. In 29 Etappen von 30, 40 Kilometern ging es an Iller, Main und Neckar entlang ins Rheintal und später Richtung Ruhrgebiet. Das Ziel stand fest. Konstantin Schultz hatte seinen Vater Gert (84) in Witten wegen Corona schon seit Januar nicht mehr gesehen.

Anfangs stellten die sportlichen Reisenden fest, dass ihnen all die schönen Flussradwege aber zunächst einmal entgegenkamen. „Bis Karlsruhe haben wir uns das irgendwie zusammengestückelt“, sagt der Jurist. Gerade die Berge waren eine Herausforderung. „In Ulm will Ina fast aufgeben, nachdem sie sich das Höhenprofil unserer Tour durch die schwäbische Alb angesehen hat“, schrieb Schultz in sein Reisetagebuch.

Doch alle hielten durch. Sie wurden mit einer wunderschönen Landschaft für jeden Anstieg entschädigt, unverhofft gutem Essen bei einem Fernsehkoch, einem guten Tropfen in den erlesenen Weinanbaugebieten – und der Erfahrung, in Corona-Zeiten auf 29 unterschiedliche Art und Weise Frühstück serviert zu bekommen. „In Ottobeuren traute man sich ein Frühstücksbüfett – mit Gefrierbeutel über der Hand“, so Schultz. Und auch das war der Pandemie geschuldet: „Überall sind auf einmal Autokinos.“

„Beim Anstieg in Geisenheim sind wir kurz vor der Trennung“

Papa musste den Fahrradanhänger ziehen, von München bis Witten: „Das war der Deal“, sagt Konstantin Schultz, der mit seiner Freundin Ina und Tochter Klara (1) seinen Vater in Vormholz besucht.
Papa musste den Fahrradanhänger ziehen, von München bis Witten: „Das war der Deal“, sagt Konstantin Schultz, der mit seiner Freundin Ina und Tochter Klara (1) seinen Vater in Vormholz besucht. © Konstantin Schultz

Für eine Beziehung ist eine solche Fahrradtour mit all ihren Überraschungen durchaus eine Prüfung, wie das Paar feststellte. „Beim Anstieg im Geisenheim sind Ina und ich kurz vor der Trennung. Schloss Vollrads versöhnt uns“, vermerkte Konstantin Schultz. Sankt Goar an der Loreley blieb dagegen als „herbe Enttäuschung“ im Gedächtnis, unvergesslich die „donnernden Güterzüge“ in der Nacht.

Am Ende waren alle erschöpft, aber glücklich. „Null Pannen, keine Infektionen.“ Und das Schönste kommt ja immer zum Schluss. Gemeint ist der Ruhrtalradweg ab Kettwig, die letzte Etappe, die allen am besten gefallen hat. Am Montag (13.7.) erreichten sie Witten. Wie schrieb Konstantin Schultz: „Kemnade, Vormholzer Berg, wir kommen an. Die Sonne lacht, Fatta auch, das Bier steht kühl.“

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