Witten. Eine Frau aus Witten hat zwei alte Shetlandponys bei sich aufgenommen. Zuvor standen die Tiere verwahrlost auf einer Weide – und halb verhungert.

Dass das Shetland-Pony Moritz eines Tages freudig auf sie zulaufen würde, wenn sie die Weide betritt, hätte sich Christina Schmidt-Edinger vor wenigen Wochen noch nicht träumen lassen. Denn bei einer ihrer ersten Begegnungen zitterte der Schecke noch am ganzen Körper, als sie sich ihm näherte.

„Er muss misshandelt worden sein“, ist sich die 48-Jährige sicher. Die Wittenerin hat Moritz und seinen Freund Max vor rund einem Monat zu sich geholt und päppelt sie seitdem auf. Zuvor standen die beiden verwahrlost und fast verhungert auf einer Wiese in Witten-Durchholz.

Bei einem Spaziergang mit ihren Hunden waren Christina Schmidt die beiden Pferde aufgefallen. „Max war komplett verfilzt und seine Mähne mit dem restlichen Fell verwachsen“, erinnert sich die Tierfreundin. Zudem habe er offene Stellen am ganzen Körper gehabt. Und Moritz war „nur noch Haut und Knochen“. Mit auf der Weide standen auch zwei Esel.

Shetland-Pony auf Weide in Witten konnte kaum noch fressen

Für die tierliebe Wittenerin war schnell klar: Diesen Geschöpfen musste sie helfen. Noch am gleichen Tag, als sie die Tiere entdeckte, besorgte die Betriebswirtin für Hundepflege Futter. „Aber eines der Ponys – Moritz – konnte überhaupt nicht mehr fressen“, so die 48-Jährige. Es sei kurz davor gewesen, zu verhungern. Sie informierte das Veterinäramt.

Völlig verfilzt waren Fell und Mähne von Max, als Christina Schmidt aus Witten ihn fand.
Völlig verfilzt waren Fell und Mähne von Max, als Christina Schmidt aus Witten ihn fand. © Schmidt

Vier Wochen Zeit hätte das Amt den Haltern dann gegeben, um die Ponys und Esel weiterzuvermitteln. „In der Zeit habe ich sie dann immer heimlich gefüttert“, sagt Christina Schmidt. Auch habe sie immer wieder den Kontakt zu den Besitzern gesucht und Hilfe angeboten. Doch sie sei jedesmal brüsk abgewiesen worden.

„Niemand wollte die Ponys haben“

Kurz vor Ablauf der Frist habe sich dann die Halterin bei ihr gemeldet und ihr mitgeteilt, dass sie die Tiere haben könne – sonst würden sie zum Schlachter kommen. In Kooperation mit dem Wittener Tierheim fand Schmidt für die beiden Esel eine neue Heimat auf dem privaten Tierschutzhof „Deichmanns Farm“ in Lippetal. „Aber niemand wollte die die Ponys haben.“ Also entschied sich die Tierfreundin, die beiden bei sich aufzunehmen: „Ich konnte sie doch nicht im Stich lassen.“

In Windeseile entstand auf dem Grundstück hinter ihrem Haus ein Stall und Auslaufflächen für die alten Ponys. „Damit sie wenigstens noch ein paar schöne Monate oder Jahre haben können“, sagt Christina Schmidt. Die Pflege ihrer beiden neuen Mitbewohner ist seitdem fast ein Fulltimejob. „Moritz habe ich die ersten drei Wochen zehnmal am Tag mit der Hand gefüttert.“ Denn normal weiden kann das Tier nicht. Er wird mit eingeweichtem Heu, geraspelten Möhren und anderem Spezialfutter aufgepäppelt.

Tierärztin: Ponys waren in einem extrem schlechten Allgemeinzustand

Der Schecke hat einen verformten Kiefer und völlig aus der Form geratene Zähne. Der Rappe Max kam mit vereiterten Zähnen und Abszessen im Maul in sein neues Zuhause. Zudem kämpft er mit verformten Beinen und einer Arthrose, ausgelöst durch seine extrem langen Hufe, die offenbar auch nie gepflegt wurden. „Da muss jetzt alle fünf Wochen der Schmied ran“, so seine neue Besitzerin. „Aber normale Beine wird er nie mehr haben.“

Auch Moritz’ Fell war zottelig. Der Schecke aus Witten kann bis heute kaum kauen.
Auch Moritz’ Fell war zottelig. Der Schecke aus Witten kann bis heute kaum kauen. © Schmidt

„Die beiden Ponys waren in einem extrem schlechten Allgemeinzustand“, bestätigt Tierärztin Sylvia Mönkemöller, die die beiden Ponys seither betreut. Sowohl ihre Ernährung als auch ihre Pflege seien mangelhaft gewesen. Noch heute, nach zwei Zahn-operationen, fresse Moritz nur unter Schmerzmitteln. „Und ich bin mir immer noch nicht sicher, dass er es schafft“, so die Fachärztin für Pferde.

Hoffnung, dass Moritz es schafft

Das hofft Neu-Besitzerin Christina Schmidt sehr. „Sie sind mir sehr schnell ans Herz gewachsen.“ Nach seiner zweiten OP am Kiefer habe sie nun Hoffnung, dass Moritz vielleicht eines Tages wieder einigermaßen normal Futter aufnehmen kann. Immerhin gelingt es ihm nun, ab und an etwas Gras von der Weide zu fressen und bei sich zu behalten.

Ponys sind schon über 30 Jahre alt

Max und Moritz sind nach Schätzung der behandelnden Tierärztin Sylvia Mönkemöller Mitte 30. In der Regel werden Shetlandponys zwischen 30 und 40 Jahre alt. Das älteste Pferdchen dieser Rasse soll 50 Jahre alt geworden sein.

Die robusten Tiere kommen ursprünglich von den Shetlandinseln. Die Tiere wurden während der industriellen Revolution auf das britische Festland gebracht und dort im Bergbau unter Tage als Grubenponys eingesetzt.

Was für Christina Schmidt alle Mühen wettmacht, ist der Anblick der beiden Pony-Senioren, die sich trotz aller widrigen Umstände nun endlich wohl zu fühlen scheinen, sich im Gras wälzen oder sich von ihr streicheln lassen. „Aber ich kann nicht in drei Wochen 30 Jahre auslöschen.“ Was sie neben der Gesundheit der beiden am meisten beschäftigt: „Es ist erschreckend, dass es so etwas in Deutschland geben kann. Und dann auch noch hier um die Ecke.“

Mehr Nachrichten aus Witten lesen Sie hier.