Witten. Es hat das Lehren und Lernen verändert, aber es klappt. Auch Wittens Studenten lernen in diesem Semester digital - und vermissen Kommilitonen.

Corona-Krise, Lockdown - nicht nur viele Unternehmen haben ihre Mitarbeiter ins Homeoffice geschickt, digitales Arbeiten zumeist erfolgreich erprobt. Auch die Universität Witten/Herdecke hat in diesem Sommersemester aufs Online-Lehren und -Lernen gesetzt. „Mit großem Erfolg“, wie der Digital-Koordinator und Vizepräsident der Hochschule, Professor Jan Ehlers, betont. Dennoch dürften viele Wittener Studenten bei dieser Nachricht aufatmen: Im Wintersemester werden Studierende und Dozenten wieder an die Hochschule zurückkehren.

Ben Kotala studiert Humanmedizin an der Universität Witten/Herdecke. Der 27-jährige Berliner findet: „Das ist ein einsames Semester.“
Ben Kotala studiert Humanmedizin an der Universität Witten/Herdecke. Der 27-jährige Berliner findet: „Das ist ein einsames Semester.“ © FUNKE Foto Services | Walter Fischer

Was auch Ben Kotala sehr freut. Der Berliner studiert im ersten Semester Humanmedizin und ist für das Studium nach Witten gezogen. „Ich habe lange auf den Studienplatz gewartet“, sagt der 27-Jährige, der bereits fünf Jahre als Notfallsanitäter im Rettungsdienst in Brandenburg gearbeitet hat. Dann konnte Ben Kotala im Sommersemester mit dem Studium beginnen - und lernte seine Kommilitonen und die Professoren nicht an der Universität, sondern nur im Netz kennen.

„In diesem Semester fehlt viel Menschliches“

„Das ist ein einsames Semester, vor allem, wenn man neu in der Stadt ist“, findet nicht nur der angehende Arzt. Ole Kistenmacher, der in Witten Management im zweiten Semester studiert, war monatelang nicht mehr auf dem Campus an der Alfred-Herrhausen-Straße. Der 19-Jährige zog während des Lockdowns wieder zu seiner Familie nach Kiel. Die digitalen Lernangebote der Hochschule machten es möglich. Auch Kistenmacher fehlt, alleine vor dem Computer, der Live-Austausch mit Mitstudenten - von Angesicht zu Angesicht. Außerdem machte er die Erfahrung, dass das digitale Arbeiten am Laptop durchaus anstrengender ist, als einen Tag an der Universität zu verbringen - „mit persönlichen Begegnungen und Gesprächen“.

Max Grünwald, mit dem sich Kistenmacher in Witten eine Wohnung teilt, nickt. Der 21-Jährige studiert ebenfalls Management, war aber in den letzten Monaten auch bei seiner Familie - in Hannover. „Viele Studenten sind derzeit nicht in Witten“, weiß Grünwald. Und fügt hinzu: „In diesem Semester fehlt viel Menschliches, das die Universität Witten - als kleine Hochschule - ja so auszeichnet.“ Dieses Corona-Sommersemester sei ein bisschen wie ein Fernstudium, findet der Hannoveraner. Und ein Fernstudium findet er nicht schön.

Ein Chirurg aus Berlin muss für einen Vortrag nicht nach Witten reisen

Prof. Jan Ehlers, Vizepräsident und Digital-Koordinator der Universität Witten/Herdecke, vor einem Bild, das das neue Hochschulgebäude zeigt, welches gerade auf dem Campus gebaut wird. Ehlers möchte Dinge, die im digitalen Sommersemester gut funktionieren, auch künftig im Hochschulbetrieb beibehalten.
Prof. Jan Ehlers, Vizepräsident und Digital-Koordinator der Universität Witten/Herdecke, vor einem Bild, das das neue Hochschulgebäude zeigt, welches gerade auf dem Campus gebaut wird. Ehlers möchte Dinge, die im digitalen Sommersemester gut funktionieren, auch künftig im Hochschulbetrieb beibehalten. © FUNKE Foto Services | Walter Fischer

Uni-Digital-Koordinator Prof. Jan Ehlers betont, dass er sich gefreut habe, dass es von studentischer Seite und auch seitens der Dozenten eine so große Bereitschaft gegeben habe, sich auf das digitale Lernen und Lehren einzustellen. Die Internetplattformen Zoom, Big Blue Button und Adobe Connect ermöglichten „virtuelle Klassenräume, in denen man auch miteinander diskutieren kann“. Außerdem werde in diesem Sommersemester auch ein Lernmanagement-System genutzt, das multimediales Arbeiten erlaube, nicht nur Hinweise auf PDF-Dateien gebe, sondern auch Videos und Chats anbiete, in denen Studierende Fragen stellen könnten und Antworten erhielten.

Was Prof. Ehlers wichtig ist: Auch wenn die Uni Witten/Herdecke ab dem Wintersemester wieder eine „Präsenzuniversität“ ist, wolle man Dinge beibehalten, die sich im digitalen Hochschulbetrieb derzeit als gut erwiesen hätten. „Etwa, dass man per Video viele Informationen vermitteln kann und die Zeit, in der man sich sieht, dann für Diskussionen darüber nutzen kann.“ Ein Berliner Chirurg, der an der Entwicklung eines OP-Roboters beteiligt sei, müsse für einen Vortrag nicht nach Witten reisen, sondern könne sich im Hochschulseminar auch per Live-Video äußern.

Management-Student Max Grünwald jedenfalls ist glücklich, dass das Wintersemester ab Herbst wieder auf dem Wittener Campus stattfinden wird. „Wenn es digital weitergegangen wäre, hätte ich mir überlegt, erst einmal ein für das Studium notwendiges Praktikum zu machen.“

>>> Digitales Auswahlverfahren für Studenten

An der Universität Witten/Herdecke läuft derzeit ein digitales Auswahlverfahren für die Humanmedizin-Studienplätze im kommenden Wintersemester. Prof. Jan Ehlers: „Es sind 84 Plätze zu vergeben. Wir sprechen mit den Bewerbern live via Computer.“

Das Auswahlverfahren für die Zahnmedizin-Studienplätze könne nicht digital ablaufen. „Da müssen Bewerber ja ihre Fingerfertigkeit auch praktisch unter Beweis stellen - hier bei uns direkt an der Universität.“