Witten. Aktuell treten immer mehr Menschen in die Pedale. Wittens Fahrradbotschafter erklärt, warum das glücklich macht. Und worauf man achten muss.

Ob auf dem Weg zur Arbeit oder in der Freizeit: Überall wird gerade kräftig in die Pedale getreten. Denn in Corona-Zeiten entdecken immer mehr das Rad für sich. Weil die Vereinten Nationen den 3. Juni vor zwei Jahren zum Welt-Fahrradtag erklärt haben, nehmen wir das zum Anlass, mal wieder mit Wittens ehemaligem Verkehrsplaner und aktuellem Fahrradbotschafter Andreas Müller (67) zu sprechen - über schöne und gefährliche Strecken, über Helme und das Lebensgefühl auf zwei Rädern.

Herr Müller, fahren Sie täglich mit dem Rad?

Andreas Müller: Ich bewege mich gerne und bin auch oft zu Fuß unterwegs. Aber am Wochenende hole ich mein Fahrrad immer aus dem Keller und mache eine Tour.

Können Sie besonders schöne Strecken empfehlen?

Über Pfingsten habe ich gerade erst tolle Touren gemacht. Zum Beispiel mit der Bahn bis Mülheim Hauptbahnhof, dann Richtung Westen über die Ruhrbrücke. Da bekommt man einen atemberaubenden Eindruck vom Radschnellweg Ruhr, der dort auf einem Teilstück schon befahrbar ist. Weiter ging's über Bahntrassen quer durch Essen und auf dem Ruhrtalradweg zurück nach Witten.

"Ich bin normalerweise nicht so sportlich unterwegs"

Sind Sie ein ehrgeiziger Radler?

Ich bin normalerweise nicht besonders sportlich unterwegs. Aber über die Feiertage wollte ich mich doch mal ein bisschen anstrengen und bin Richtung Gevelsberg, Breckerfeld, Halver und dann wieder zurück nach Hagen. Das waren 80 Kilometer und 1400 Höhenmeter.

Dabei begegnen Ihnen ja jetzt sicher immer mehr Menschen. Wie finden Sie es, dass viele gerade das Rad für sich entdecken?

Ich finde das wunderbar. Ich erlebe das tatsächlich bei meinen Touren im Ruhrgebiet - wo man übrigens auch Routen findet, auf denen es nicht so voll ist. Aber ich sehe es auch in der Nachbarschaft, wo plötzlich viele wieder aufs Rad steigen.

"Als Alltagsradler machen Sie vieles aus dem Gefühl heraus"

Was sollte man als "Rad-Neuling" beachten?

Ach, es gibt so vieles, auf das man achten muss. Als Alltagsradler machen Sie Sachen aus dem Gefühl heraus, wissen um Gefahrenpunkte, drehen den Kopf an der richtigen Stelle und achten auch auf jene, die selbst nicht so gut aufpassen. Kinder lernen in der Fahrradprüfung zwar die Grundregeln, werden aber nicht auf spezielle Situationen vorbereitet, z.B. wie man sich an der Ausfahrt einer Tiefgarage verhält.

Sie bieten deshalb an, mit Kindern den Radweg zur Schule zu üben...

Ja, wenn die Eltern dazu keine Zeit haben oder selbst unsicher sind. Ich arbeite da vor allem mit dem Quartiersmanagement Heven-Ost/Crengeldanz sowie mit Verkehrswacht und Polizei zusammen.

"Man sollte die Husemannstraße nicht runterbrettern"

Wo in Witten muss man besonders aufpassen?

Man sollte die Husemannstraße nicht runterbrettern, weil dort Autos plötzlich aus den Seitenstraßen herauskommen können. Die gefährlichste Stelle ist aber auf der Ruhrstraße: an Haus Witten vorbei bis zur Ruhrdeichkreuzung, weil dort die Radspur endet und man sich mit dem motorisierten Verkehr auseinandersetzen muss. Dort fahren auch viele Lkw.

Also immer schön den Helm aufsetzen?

Da, wo viel Verkehr ist, auf jeden Fall. Ich trage ihn auch, sobald ich längere Strecken fahre. Natürlich gibt es Unfälle, bei denen der Helm Leben rettet. Aber man sollte den Menschen bei der Diskussion um eine Helmpflicht trotzdem nicht zu viel Angst vor dem Radfahren machen. Meine Botschafter-Kollegen in Holland fassen sich an den Kopf, wenn sie das mitkriegen, und meinen, dann müssten auch Autofahrer Helme tragen.

"Draußen sein, die Gedanken baumeln lassen"

Haben Sie ein klassisches Rad oder fahren Sie mit dem E-Bike, bzw. Pedelec?

Vorerst bleibe ich beim ganz normalen Tourenrad mit acht Gängen. Für Bahn und Flieger habe ich noch ein Faltrad.

Fahrradfahren macht offenbar glücklich. Warum?

Draußen sein, die Gedanken baumeln lassen, das finde ich toll. Es ist eine intensive Landschaftserfahrung. Man riecht das Laub im Wald, den Duft einer gemähten Wiese oder den Kuhmist im Dorf.

>>> Info:

Die Entwicklung des Radverkehrskonzeptes steht im Mittelpunkt einer kleinen Radtour, die die Wittener Grünen am Mittwoch (3.6.) gemeinsam mit den Fahrradinitiativen der Stadt unternehmen. Botschafter Andreas Müller ist auch dabei.

Der Rat der Stadt hat vor einem Jahr einstimmig ein Radverkehrskonzept beschlossen, das ca. 400 Maßnahmen mit einem Finanzumfang von ca. 28 Millionen Euro umfasst. Es soll in den nächsten zehn Jahren umgesetzt werden.

Weil bislang kaum etwas passiert sei, wollen die Radexperten die Politiker bei ihrer Tour auf einige für Radfahrer gefährliche Bereiche in der Stadt hinweisen, die in dem Radverkehrskonzept aufgeführt sind. Sie könnten ihrer Ansicht nach ohne großen Aufwand beseitigt oder zumindest entscheidend verbessert werden.

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