Witten. Wer in Witten in Corona-Zeiten essen gehen möchte, muss seine Daten hinterlassen. Viele Gäste würde das abschrecken, klagt ein Wirt.

Maske tragen, Hände desinfizieren, Daten hinterlegen und zum Tisch bringen lassen – bis der gemütliche Teil eines Restaurantbesuchs beginnt, dauert es wegen der Corona-Vorschriften deutlich länger. Die Wittener Wirte haben mit dem nun vorgeschriebenen Sammeln von Kontaktdaten unterschiedliche Erfahrungen gemacht. „Ich verliere dadurch Kunden“, klagt etwa Alireza Kordbacheh von der Trattoria Pavarotti.

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„Ich hoffe, dass das bald vorbei ist. Sonst muss ich wieder zumachen“, sagt der Inhaber des Restaurants am Rathausplatz. Die Lage sei insgesamt dramatisch. Er mache nur noch 30 Prozent seines sonst üblichen Umsatzes. „Und selbst meine Stammkunden wollen ihre Daten nicht hinterlassen und gehen lieber wieder“, so der 43-Jährige. Er habe dafür Verständnis. „Ich hätte da selbst auch keine Lust drauf.“ Er erwägt, im Notfall wieder zum Außer-Haus-Verkauf überzugehen.

Ein Mitarbeiter im Schleusenwärterhaus in Witten erfasst lediglich die Kundendaten

Ähnliche Erfahrungen hat die Wabe mit ihrer Schleusenwärterhaus-Gastronomie an der Ruhr gemacht. „Es kommt vor, dass Gäste wieder umdrehen, manche werden auch böse“, sagt Hausleiterin Esther Sennlaub. Der Großteil habe aber kein Problem damit, den Datenzettel auszufüllen. Wegen der Corona-Pandemie sei es aber insgesamt ruhiger.

Ganz schön viel Papier: Gestapelte, ausgefüllte Anwesenheitslisten in der Trattoria Pavarotti in Witten.
Ganz schön viel Papier: Gestapelte, ausgefüllte Anwesenheitslisten in der Trattoria Pavarotti in Witten. © FUNKE Foto Services | Walter Fischer

Erfassen müssen die Wirte nach Vorgaben des Landes die Kontaktdaten der Kunden. Auch die Aufenthaltsdauer muss für jede Tischgruppe festgehalten werden. Das Königliche Schleusenwärterhaus hat dafür extra einen Mitarbeiter abgestellt, der am Eingang den Kunden die Zettel aushändigt und ausgefüllt wieder einsammelt. „Das ist schon ein ganz schöner Aufwand“, so Sennlaub. Vor allem deutlich mehr „Papierkram“. Vier Wochen lang müssen die Kontaktdaten sicher verwahrt und dann vernichtet werden.

Café Extrablatt sammelt Kontaktkärtchen in „Tages-Tüten“

Im Café Extrablatt erhalten die Gäste ihre Kontaktkärtchen am Tisch. Beim Abkassieren sammeln die Mitarbeiter sie wieder ein. „Am Ende des Tages kommt dann alles in Tüten“, so Susanne Sedlaczek. Diese verwahrt die Geschäftsführerin in ihrem Büro.

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„Das schließe ich immer da ein. Da muss sich niemand Gedanken machen.“ Sie habe deswegen noch keine negativen Rückmeldungen von Kunden bekommen. Einige Gäste würden sich allerdings schon um die Sicherheit ihrer Daten sorgen.

Unsicherheit bei Kunden spürbar

Das bekommt auch die zuständige Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit, Helga Block, zu spüren. „Uns erreichen in den letzten Tagen vermehrt Anfragen und Beschwerden, insbesondere zu der Datenerhebung im Dienstleistungsbereich“, sagt ihr Pressesprecher.

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In der Gastronomie und anderen Bereichen werde man deshalb vermutlich stichprobenhaft kontrollieren, beispielsweise ob die Gästelisten regelmäßig gewechselt werden und wie die Aufbewahrung erfolgt. Nicht erlaubt ist etwa, eine einzige Liste zu führen, auf der die nachfolgenden Kunden die Daten ihrer Vorgänger einsehen können. Das war in einigen Lokalen in Witten der Fall. Das ein oder andere hat inzwischen umgestellt.

Verbraucherzentrale: Inhaber sind zur Datenaufnahme verpflichtet

Auch bei der Verbraucherzentrale ist schon die ein oder andere Anfrage zum Thema eingegangen. „Die Inhaber sind aber derzeit in der Pflicht, die Kundendaten zu erfassen“, sagt Rechtsanwältin Christine Steffen. Als Kunde habe man also nur die Wahl, seine Daten zu hinterlassen oder die Dienstleistung nicht in Anspruch zu nehmen.

Zerreißen per Hand reicht nicht aus

Nicht nur die Gastronomie, auch andere Dienstleister wie Friseure müssen die Kontaktdaten ihrer Kunden erfassen. Nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist von vier Wochen müssen die Unterlagen datenschutzkonform vernichtet werden. Ein Zerreißen der Listen von Hand sei nicht ausreichend, heißt es seitens der Datenschutzbeauftragten des Landes. Es müsste schon ein Aktenvernichter sein.

Das Cafe del Sol geht einen anderen Weg: Hier registrieren sich Kunden online. An den Tischen sind dafür QR-Codes angebracht, die direkt zur Registrierung führen. Die Daten würden von einer Partnerfirma verwaltet und nach der vorgegebenen Zeit wieder gelöscht, teilt eine Sprecherin der Gastro-Kette mit.

Dass mancherorts etwa auch die Personalausweisnummer abgefragt wird, hält die Juristin aber „für totalen Quatsch“. Da es darum gehe, die Kontakte einer möglichen infizierten Person nachvollziehen zu können, reiche etwa eine Telefonnummer aus. Auch die Angabe von Alter und Beruf sei daher überflüssig.

Datenschutz stellt Gastronomen und andere Anbieter vor Herausforderungen

„Es ist im Moment eine Gratwanderung zwischen Gesundheits- und Datenschutz“, so die Verbraucherschützerin. „Diese schließen sich aber nicht gegenseitig aus.“ In der Praxis komme es vor allem darauf an, dass die Auflagen datenschutzkonform umgesetzt werden. Dazu gehöre etwa, dass die Daten nur zweckgebunden verwendet werden und nach der Aufbewahrungsfrist gelöscht werden.

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Aber das stelle für Gastronomen und andere Anbieter eine zusätzliche Herausforderung dar. „Nicht jedem geht der Datenschutz leicht von der Hand“, so Steffen. Zumal sich die meisten mit diesem Thema bislang noch nicht wirklich beschäftigen mussten. Im Pavarotti, und sicher nicht nur dort, würde man sich jedenfalls am liebsten wieder nur um Pizza und Pasta kümmern.

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