Witten. Bauchemiehersteller Ardex hat den Bau eines spektakulären, 90 Meter hohen Büroturms in Witten zumindest auf Eis gelegt. Kommt er überhaupt noch?
Der Firma Ardex geht es so gut wie noch nie. 2019 stieg der Umsatz des Wittener Familienunternehmens um sieben Prozent auf 826 Millionen Euro. Doch angesichts der wirtschaftlichen Veränderungen durch die Corona-Krise bewertet das Management des Bauchemieherstellers einige Investitionen neu. So kündigt Ardex an, den Bau der neuen Hauptverwaltung an der Friedrich-Ebert-Straße zu verschieben. Der kostspielige Ardex-Tower sollte als Leuchtturmprojekt weit über das östliche Ruhrgebiet strahlen.
In einer Pressemitteilung erklärt Ardex-Vorstand Mark Eslamlooy, dass „sich das Projekt leider verzögert“. Zur Begründung heißt es: „In der Corona-Krise ist es für uns vorrangig, dass alle Mitarbeiter ihren Arbeitsplatz behalten. Daher sind wir dabei, dieses Projekt neu zu bewerten.“ Eigentlich hätte schon Anfang 2020 mit dem Bau begonnen werden sollen.
Schwierige Suche in Witten nach einem Generalunternehmer
Dabei waren die Vorarbeiten in Annen schon weit gediehen. Die Baugenehmigung liegt vor, die alten Gebäude auf dem Grundstück sind fast fertig abgerissen. Anfang 2020 sollten die Bauarbeiten starten. Allerdings hatte Ardex Schwierigkeiten, einen Generalunternehmer zu finden, „der das Projekt betriebswirtschaftlich sinnvoll realisiert“, so Eslamlooy. Dann kam Corona.
Bauen will Ardex zwar weiterhin, die Frage ist nur wann und was genau. „Es wird im nächsten oder übernächsten Jahr ein Verwaltungsgebäude geben, da wir es dringend benötigen“, erklärt Unternehmenssprecherin Janin Settino. Hält Ardex denn an dem Entwurf des Berliner Architekten Gerhard Spangenberg fest? „Nicht zwangsläufig, das wissen wir im Moment selbst noch nicht“, so Settino, auch nicht, ob „das Gebäude 90 oder 60 Meter hoch wird". Mit 24 Geschossen sollte der Tower eines der höchsten Bauwerke im Ruhrgebiet sein. Dank seiner Höhe und schrägen Flächen wäre hier ein architektonisches Hingucker entstanden. 200 Verwaltungsmitarbeiter sollten dort arbeiten.
Weniger Bürofläche durch andere Arbeitsmodelle
Investitionen in Heimatstandort Witten
Ardex wurde im Dezember 1949 in Witten gegründet, damals noch unter dem Namen Norwag Werke GmbH. In den letzten Jahren hat Ardex rund um die Friedrich-Ebert-Straße kräftig investiert. 2009 wurde eine moderne Mischanlage in Betrieb genommen, 2011 das Kundenschulungszentrum, die „Ardex Academy“, eröffnet. 2017 folgte das neue Forschungs- und Entwicklungszentrum, im April 2020 das Logistikzentrum.
Zudem hat der Bauchemiehersteller Mehrheitsbeteiligungen an anderen Firmen übernommen: Allein 2019 beim neuseeländischen Hersteller Nexus Adhesives sowie bei Ceramfix in Brasilien, der Produkte für die Verlegung von Keramikfliesen herstellt.
Allerdings könnte der Corona-Lockdown das Konzept des Turms ins Wanken bringen. „Vielleicht haben wir demnächst auch ganz andere Arbeitsmodelle“, sagt Janin Settino. Dann bräuchte man weniger Bürofläche. Sie nennt das Stichwort Home-Office: Da hätte das Unternehmen einen weit größeren Schritt nach vorn gemacht, als man einst gedacht hätte.
Ursprünglich hatte Ardex vor, 110 Millionen Euro am Standort Witten zu realisieren – für den Büroturm, ein neues Logistikzentrum und den Ausbau der Produktion. Im April 2020, nach zwei Jahren Bauzeit, nahm das 35 Millionen teure Logistikzentrum den Betrieb auf. Dank modernster Hochregaltechnik können mehr Waren verladen werden.
Ardex kündigt weiterhin Investitionenin Rekordhöhe in Witten an
Auch jetzt kündigt Ardex weitere Investitionen in Rekordhöhe in Witten an, „in neue Produktionsstätten, Digitalisierung und in den Vertrieb“, so Firmenchef Mark Eslamlooy. Das Wachstum von Ardex stehe weltweit auf soliden Füßen, sowohl in den Schwellenländern als auch flächendeckend in den Stammmärkten. Eslamlooy: „Besonders in Deutschland waren die Ergebnisse sehr positiv. Die hohen Investitionen der letzten Jahre in den Vertrieb, in Forschung und Entwicklung sowie in die Produktion haben sich bezahlt gemacht.“
Um sechs Prozent sei 2019 der Umsatz in Deutschland gestiegen, besonders gut laufen Fliesen- und Bauprodukte sowie das Wand- und Bodensegment. Auch die unter der Marke Pandomo hergestellten Design-Spachtelmassen verkaufen sich gut.
Produktionsstandorte sind teilweise noch geschlossen
Eine wirtschaftliche Prognose für 2020 sei nur schwer vorhersehbar – zumal sie auch von der Entwicklung der gesamten Baubranche abhänge, so das Unternehmen. „Die Situation ist im Moment sehr heterogen“, sagt Mark Eslamlooy. „Einige unserer Produktionsstandorte waren lange geschlossen oder sind es noch.“ Ein Pluspunkt für Ardex sei der digitale Schwerpunkt. „Insgesamt bin ich optimistisch, dass Ardex für die Krise bestens gerüstet ist und dass der Baubereich weniger betroffen sein wird als viele andere Bereiche.“