Witten. Filmdreh mit Corona-Auflagen: Im rustikalen Hotel Specht in Witten wird zurzeit gedreht. Hier entsteht der Kurzfilm „Das Massaker von Anröchte“.
„Alle auf Position und wir drehen!“ Im Hotel Specht in Witten hat am Wochenende (23./24.5.) ein Filmteam gearbeitet. An der Westfalenstraße entsteht zurzeit der Streifen „Das Massaker von Anröchte“, eine Hommage an den Autor und Filmregisseur Christoph Schlingensief – zu seinem zehnten Todestag und zugleich 60. Geburtstag. Und das heißt: Es rollen auch Köpfe.
Das Hotel Specht hat die Regisseurin und Videokünstlerin Hannah Dörr sofort als Drehort überzeugt. Sie schwärmt: „Hier ist vieles noch von früher erhalten, und die Ästhetik hat einfach perfekt in den Film gepasst.“ Schließlich: Der Garten des Hotels sieht zwar malerisch, die Einrichtung dafür reviermäßig rustikal aus. Denn ihre Krimi-Komödie handelt von Vergangenheit und Zukunft des Ruhrgebiets. Und davon, dass sich das Böse nicht einfach aus der Welt schaffen lässt.
Hommage an das „Deutsche Kettensägenmassaker“
Die Produktion läuft unter dem Arbeitstitel „Das Massaker von Anröchte“ und soll damit eine Hommage an Christoph Schlingensiefs „Das Deutsche Kettensägenmassaker“ von 1990 sein. „Der bissige Humor verbindet unseren Film mit dem Original“, sagt Regisseurin Hannah Dörr, „aber in unserem Film gibt es nicht die typischen provokanten Szenen, die man mit Schlingensief verbindet, also mit Sex und Blut.“ Ein Familienfilm wird der 60-minütige Krimi trotzdem nicht: „Bei dem Massaker sieht man schon einige Köpfe rollen“, so Dörr. Später wird man den Film im Theater Oberhausen sehen können.
Im Inneren des Hotels wird gerade gedreht. Bis auf die Schauspieler tragen alle Mund- und Nasenmasken. Es riecht nach Desinfektionsmittel. Jeder, der nicht direkt gebraucht wird, muss rausgehen. Alle auf Position und Film ab: Die beiden Kommissare Walter und Konka sitzen am Frühstückstisch. Sie ermitteln in einem Mordfall in der Stadt Anröchte. Hunnische Reiter hätten die Stadt gestürmt und ein Massaker angerichtet. Bei den Ermittlungen stoßen die Kommissare auf einige dunkle Machenschaften der Stadt.
Auch der Autor dieses schrägen Werks, Wolfram Lotz, ist am Set. Das Drehbuch hat er schon vor zehn Jahren geschrieben. Von Schlingensief hat er sich damals inspirieren lassen. „Schlingensief hatte eine ungeheure Autonomie, er hat sich nicht an die Regeln gehalten, sondern immer eine eigene Wirklichkeit erfunden“, sagt Lotz. Den Film auf eine zentrale Aussage herunterzubrechen, fällt ihm schwer. „Wenn ich das könnte, hätte ich nicht das ganze Drehbuch schreiben müssen“, lacht er. „Einerseits ist es ein typischer Tatort, doch andererseits bricht der Film mit dem Ritual, dass am Ende etwas Böses steht, dass aus der Welt geschafft wird. Das Böse ist einfach überall.“
Produktionsleiterin muss Tabak an der Tankstelle holen
Milena Schäpers sitzt im Garten des Hotel Spechts an der Westfalenstraße an ihrem Laptop. Über ein Funkgerät hört sie, dass die nächste Szene gedreht wird. Als Produktionsleiterin sorgt sie dafür, dass am Set alles rundläuft – dazu gehört auch, dem Hauptdarsteller an der Tankstelle mal eben neuen Tabak zu besorgen. Schäpers ist dieses Wochenende zum ersten Mal im Ruhrpott, eigentlich wohnt sie in Berlin und studiert an der Filmuniversität Babelsberg. Gedreht wird unter anderem in Oberhausen, Bochum, Essen und Mülheim. Die Anreise war schwieriger als sonst: „Wir mussten mit zwölf Autos fahren, weil wegen Corona in jedem Auto nur zwei Leute sitzen dürfen“, so Schäpers.
Film feiert Premiere am 24. Oktober
Die Filmpremiere des „Massakers von Anröchte“ wird planmäßig am 24. Oktober 2020 im Rahmen eines großen Spektakels zu Ehren Christoph Schlingensiefs am Theater Oberhausen stattfinden. Oberhausen ist Geburtsort des berühmten Regisseurs und Aktionskünstlers.
Weitere Premieren sind in Berlin und Graz geplant. Der Film wird von der „ÖFilm Dörr & Schlösser GmbH“ produziert und vom Theater Oberhausen finanziert.
Froh ist sie trotzdem, dass es jetzt mit den Dreharbeiten weitergehen kann. Nach dem Drehstart Anfang März folgte eine mehrwöchige Pause, bevor es nun unter strengen Auflagen wieder los geht. „Es dürfen immer nur wenige Personen zugleich in einen Raum, und unsere Verpflegung muss professionell zubereitet werden. Mal eben ein paar Brötchen schmieren, geht nicht mehr.“ Am Set habe man normalerweise viel Körperkontakt, erklärt die Produktionsleiterin. „Wir sind eigentlich alle wie eine große Familie. Aber das Wichtigste ist jetzt, dass wir niemanden in Gefahr bringen.“