Witten. Politik in Witten wagt den Neustart. Der Rat überträgt seine Kompetenzen einem Ausschuss. Anträge von Fraktionen sollen nicht behandelt werden.

Die Corona-Pandemie und ihre Folgen wirbeln auch den Politikbetrieb in Witten durcheinander. Fast zwei Monate gab es keine Sitzungen des Rates und seiner Ausschüsse. In dieser Woche wagten die Fraktionen nun mit Abstand und Sicherheitsregeln den Neustart - und mit erstem Ärger. Die Aufgaben des Rates übernimmt ab sofort vorläufig der Haupt- und Finanzausschuss (HFA), wie die Stadt am Freitag bekanntgab.

"Komisch und etwas surreal" sei die erste Sitzung im Zeichen von Corona gewesen, sagt Regina Fiedler von der CDU-Fraktion über den Jugendhilfe- und Schulausschuss, der am Dienstag tagte. Ins Rathaus gelangt man derzeit nur über einen Seiteneingang. Wer rein will, muss eine Maske tragen und sich am Eingang registrieren lassen, um mögliche Infektionsketten nachvollziehen zu können.

Alle Sitzungen in Witten finden im Ratssaal statt

Alle Sitzungen finden derzeit im Ratssaal selbst statt, weil dort der Sicherheitsabstand eingehalten werden kann. Zettel auf den Tischen weisen darauf hin, wo Platz genommen werden darf und wo nicht.

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Rund 20 Politiker und 20 Besucher könne der Ratssaal in der aktuellen Situation unterbringen, sagt Norbert Gärtner vom Büro der Bürgermeisterin. Hinzu kommen noch Vertreter der Verwaltung, insgesamt also zwischen 45 und 50 Personen. Zum Problem wird diese Beschränkung, wenn der Rat mit seinen 72 Mitgliedern zusammenkommen soll.

Rat überträgt seine Kompetenzen dem Haupt- und Finanzausschuss

Deshalb hat die Stadtspitze mit Zustimmung der Ratsmitglieder veranlasst, dass die Kompetenzen des Rates vorübergehend auf den Haupt- und Finanzausschuss übertragen werden. Dieser besteht aus 15 Ratsmitgliedern. Eine Änderung in der Gemeindeordnung mache die Übertragung der Entscheidungsbefugnisse möglich, wie Gärtner erklärt. Gültig sei diese Entscheidung, solange die "epidemische Lage" von der Landesregierung festgestellt ist. Vorläufig ist das bis zum 14. Juni der Fall.

Neu ist auch: Um die Sitzungszeit möglichst kurz zu halten, wird die Tagesordnung eingedampft. Welche Punkte es in die Beratungen schaffen, dafür gebe es noch keine klaren Regeln, heißt es aus dem Rathaus. Ausschlaggebend sein solle aber die Dringlichkeit.

Keine Anträge von Fraktionen - Stadt beruft sich auf Landeserlass

Genau darüber gibt es aber schon ersten Ärger in den Fraktionen. Denn in einem Schreiben der Bürgermeisterin an die Vorsitzenden der Ausschüsse wird konkretisiert, dass "Anträge von Fraktionen grundsätzlich bis auf Weiteres zurückgestellt werden" sollen. Die Stadt beruft sich dabei auf einen Erlass des Ministeriums für Kommunales. Doch in diesem ist lediglich von einer allgemeinen Begrenzung von Sitzungs- und Redezeiten die Rede.

"Wir haben ein Recht darauf, Anträge zu stellen", ärgert sich Pirat Stefan Borggraefe. Er stellt infrage, dass die Vorgehensweise der Stadt rechtens ist. "Die Fraktionen werden dadurch ihrer Gestaltungsfähigkeit beraubt", so das Ratsmitglied. Besonders im Hinblick auf die kommende Kommunalwahl sei das kritisch.

Piraten machen neuen Vorstoß für Rats-TV

Zuschauer sind im Ratssaal übrigens auch zugelassen. Gekommen ist bislang kaum jemand. Das mag auch daran liegen, dass Bürger ihre eigene Gesundheit schützen wollen. Genau deshalb wagen die Piraten nun einen weiteren Vorstoß für das Rats-TV. Einen entsprechenden Dringlichkeitsantrag haben sie für die Sitzung des HFA eingereicht.

Schon lange fordert die Fraktion, dass Ratssitzungen live im Internet wie in anderen Ruhrgebietsstädten auch übertragen werden. Die anderen Fraktionen haben sich bislang immer - zuletzt 2018 - gegen das Rats-TV gestellt. Und sogar das Mitschreiben im Rat nicht zugelassen.

>> Info

Reicht eine Fraktion einen Dringlichkeitsantrag ein, entscheiden die Ausschussmitglieder zu Beginn einer Sitzung darüber, ob der Antrag in die Tagesordnung aufgenommen wird.

Der Haupt- und Finanzausschuss tagt am Montag (11.5.) ab 17 Uhr öffentlich im Ratssaal. Der Ausschuss für Arbeit, Wirtschaft, Standortmarketing und Feuerschutz am kommenden Mittwoch (13.5.).

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