Witten. Die Wittenerin Paulina Hafer ist derzeit in der israelischen Wüstenstadt Be'er Sheva. Die 19-Jährige über ein Auslandssemester in Corona-Zeiten.

Paulina Hafer hatte sich so gefreut auf ihr Auslandssemester in Israel. Am 1. März war die Wittenerin in Tel Aviv gelandet, voller Vorfreude auf die spannenden Monate, die vor ihr lagen. Doch es kam anders. Die Corona-Pandemie hat die 19-Jährige in der Großstadt Be'er Sheva, von der aus es in die Negev-Wüste geht, ans Haus gefesselt. Im Telefon-Interview berichtet die Studentin über ihr derzeitiges Leben in einer Dreier-WG.

Frau Hafer, im Februar gab es auch schon in Europa Corona-Fälle. Warum haben Sie Ihr Auslandssemester überhaupt noch begonnen?

Hafer: Ich habe mir keine Sorgen gemacht, als ich nach Israel flog. Zu diesem Zeitpunkt war Corona ja noch überwiegend ein Thema in China. Die Corona-Krise hat Europa erst richtig erreicht, als ich schon in Israel war.

Warum hat Sie die Ben-Gurion-Universität in der 200.000-Einwohner-Stadt Be'er Sheva so interessiert?

Ich studiere an der TU Dortmund Sprach- und Kulturwissenschaften. Die Ben-Gurion-Universität ist eine Partneruni. Ich war schon im letzten Jahr für sechs Wochen in Israel - bei der internationalen Sommeruniversität an der Ben-Gurion Universität. Ich habe dort auch Hebräisch gelernt, nachmittags akademische Vorträge gehört. Wir sind durch Israel gereist, haben Jerusalem besucht, den See Genezareth, wir waren in Haifa, sind in Tel Aviv in die Straßenkunst-Szene eingetaucht.

Sie leben mit zwei anderen Studentinnen als WG in einem Wohnheim an der Hochschule. Das war so nicht geplant.

Genau. Ich habe eine Wohngemeinschaft mit der Luxemburgerin Laila Goepel und der Österreicherin Franziska Gantioler. Wir drei sind sehr unterschiedlich und hätten uns unter normalen Umständen wohl gar nicht kennengelernt. Wir haben vorher mit anderen Studierenden zusammengelebt. Anfang März wurde uns eine gemeinsame Wohnung im Studierendenwohnheim zugewiesen. Wir wurden dort zwei Wochen lang - wegen der Coronafälle in unseren Heimatländern - unter Quarantäne gestellt. Wir durften die Wohnung nicht verlassen. Uns wurde das Essen vor die WG-Tür gestellt. Aber wir haben viel Nächstenliebe in dieser Zeit erfahren durch Studierende und Vertreterinnen der Universität. Da stand auch mal ein Eisbecher und eine Flasche Wein vor unserer Tür.

Findet der Lehrbetrieb an der Uni überhaupt statt?

Wir haben seit Mitte März Online-Unterricht. Der gesamte Campus ist abgeschlossen. Die Universität liegt innerhalb der Stadt, die einer Geisterstadt ähnelt. Viele israelische und auch ausländische Studenten sind zu ihren Familien zurückgekehrt.

Ihr Rückflug ist eigentlich für Mitte Juli geplant. Wollen Sie überhaupt noch so lange in Israel bleiben?

Die Deutsche Botschaft meldet sich aus Tel Aviv immer wieder bei mir und bietet mir frühere Rückflüge an. Aber dieses Auslandssemester ist für mich ein Herzensprojekt. Das möchte ich nicht jetzt schon aufgeben. Ich hoffe, dass wir in den nächsten Wochen doch noch die eine oder andere Freiheit bekommen, dass wir draußen spazieren gehen, einmal einen Nationalpark besuchen können. Israel hat auch eine wunderschöne Natur.

Apropos Freiheit: Ende März hatte die israelische Regierung die Ausgangsbeschränkungen im Land im Zuge der Ausbreitung des Corona-Virus weiter verschärft. Die Menschen durften sich nur noch in einem Radius von 100 Metern von ihrem Zuhause entfernen.

Ja, zwei Tage, bevor unsere Quarantäne endete, wurde über ganz Israel eine Ausgangssperre verhängt. Auch wir drei WG-Frauen durften uns in den letzten Wochen nur in einem Radius von 100 Metern um unsere Wohnung herum bewegen. In den letzten Tagen wurde dieser Radius auf 500 Meter erweitert. Die Straßen von Be'er Sheva sind leer gefegt. Wer rausgeht, muss eine Maske tragen. Am schönsten ist es im Garten unseres Wohnheims, da gibt es auch eine Wiese.

Sie und Ihre Mitbewohnerinnen sind noch sehr jung. Wie halten Sie diese starken Einschränkungen aus?

Wir haben unsere guten und unsere schlechten Tage. Aber wir schaffen es immer, uns aus den Tiefs wieder herauszuholen. Ich koche für unsere WG, backe Kuchen, Kekse und Brot. Ich lese viel, telefoniere oft mit Freunden. Aber ich hatte so viele Pläne, was ich mir in Israel ansehen wollte. Das ist natürlich sehr frustrierend, dass das alles auf Eis gelegt ist.

Was vermissen Sie im Moment am meisten?

In Deutschland können die Leute rausgehen, mit ihren Hunden in der Natur unterwegs sein. Darum beneide ich sie. Die Israelis, die ich hier kennengelernt habe, sind aber sehr herzlich. Man fragt nach, wie es uns geht. Die Solidarität ist hier sehr groß. Das ist schön.

Haben Sie schon Pläne für die Nach-Corona-Zeit?

Eigentlich wollten mich meine Eltern hier im Mai besuchen. Wir wollten eine Rundreise durch Israel machen. Das würde ich gerne, wenn das möglich ist, mit ihnen im nächsten Jahr nachholen.

>>>Engagiert beim Wittener Verein „Kontrakt"

Paulina Hafer hat mit 16 Jahren ihr Abitur am Wittener Schiller-Gymnasium gemacht. An der TU Dortmund studiert sie Sprach- und Kulturwissenenschaften, an der Bochumer Ruhr-Universität Französisch.

In Witten engagiert sich die 19-Jährige beim Verein „Kontrakt-Unternehmen für Bildung" als Coach. Der Verein fördert Jugendliche, die aufgrund ihrer kulturellen oder sozialen Herkunft benachteiligt sind, damit diese beruflich besser Fuß fassen können.