Witten. Erika Hackmann hatte viele Pläne. Nun sitzt sie im Heim fest. Geblieben sind ihr Handy, Briefe und Hoffnung auf ein versprochenes Mittagessen.
91 Mal hat Erika Hackmann in ihrem Leben schon Ostern gefeiert - unter ganz verschiedenen Umständen. "Aber so wie dieses Jahr, nein, so war es noch nie", sagt die alte Dame kopfschüttelnd. "Dieses Jahr wird alles ganz anders. Ist es nicht erstaunlich, dass ein Virus die ganze Welt lahm legen kann?"
Erika Hackmann ist keine Wittenerin. Sie ist in der Welt viel herum gekommen, in anderen Ländern, anderen Städten. Zuletzt hat die 91-Jährige in Osnabrück gelebt. Erst seit Januar wohnt sie im Altenheim St. Josefshaus in Herbede. "Ich wollte näher bei meinem Sohn sein, der arbeitet hier im Krankenhaus", erklärt sie. Nun ist der Sohn nah - und doch so fern. Seit Wochen herrscht das Besuchsverbot. Kontakte gibt's nur über Telefon. "Wir sprechen uns oft", sagt Erika Hackmann. Auch die anderen beiden Kinder riefen praktisch täglich an. "Obwohl mein anderer Sohn ja in Kanada lebt."
Dennoch: Das Telefon ist nur ein schwacher Ersatz für die Pläne, die die Familie eigentlich für die Ostertage hatte. "Wir treffen uns am Ostersonntag immer um fünf Uhr vor der Kirche zur Auferstehungsfeier und ziehen dann gemeinsam in die dunkle Kirche ein", erzählt Erika Hackmann. Wenn der Tag angebrochen ist, werde die Agape, das Oster-Mahl, begangen. "Jeder bringt etwas mit: Osterzopf, Kaffee - das ist immer ganz wunderbar." Mehrere hundert Menschen kämen zu dieser Feier der "Kleinen Kirche" in Osnabrück, die einst aus der katholischen Studentengemeinde entstanden ist. "Eine wunderbare Gemeinde."
"Man gewöhnt sich an das Eingekerkertsein"
Seit gut 30 Jahren gehört dieser Kirchgang zur Tradition in der Familie Hackmann. "Mein Sohn ist letztes Jahr um halb vier aufgestanden, um dabei zu sein." Dieses Jahr fällt das Treffen aus. Aber immerhin muss Erika Hackmann nicht - wie so viele andere - ganz auf die persönliche Verkündung der Osterbotschaft verzichten. Die Herbeder Pfarrer kommen in den Hof des Heims und feiern einen Gottesdienst, während die Bewohner sicher auf den Balkons sitzen. "Das letzte Mal war sehr schön", schwärmt die 91-Jährige. "Da konnte man wahre Ökumene erleben."
Das wird aber auch der einzige Lichtblick an den Feiertagen sein. "Ansonsten ist hier ein Tag wie der andere", sagt die Seniorin. Aber sie will nicht klagen, übt sich lieber in Gelassenheit. "Ich finde mich damit ab." Man gewöhne sich überraschend schnell an "Eingekerkertsein", das wundert sie. Nur das gemeinsame Sitzen im Sinnesgarten des Heims, das fehle ihr doch sehr. "Aber vielleicht werden die Einschränkungen ja bald gelockert."
Angehörige können Benötigtes bringen
Bis dahin will Erika Hackmann die Zeit nutzen, um Briefe zu schreiben an ihre Freunde in aller Welt. Freundschaften im Heim hat sie in der kurzen Zeit noch nicht geschlossen. "Und jetzt mit dem geforderten Abstand ist es ja auch schwierig." Statt zu reden wird sie lieber lesen, so wie sonst auch. Der Titel ihres aktuellen Romans ist dabei Programm: "This book will save your life" - Dieses Buch wird Ihr Leben retten. Und wenn sie das durch hat? "Kein Problem, mein Sohn kann mir Nachschub bringen." Das klappe gut: Nicht nur Bücher, auch Leckereien könnten an der Pforte für die Lieben abgegeben werden. "Und neulich hat er mir sogar einen Stuhl für meinen Balkon gebracht."
Nicht resignieren will Erika Hackmann, sondern lieber "dankbar sein, für das, was ich noch alles machen kann". Und für das, was die Heim-Mitarbeiter für die Bewohner machen. "Die reißen sich die Beine für uns aus." Aber die Sehnsucht nach der Familie könnten auch sie nicht wirklich nehmen.
Die 91-Jährige bleibt dennoch positiv: "Ich freue einfach darauf, wenn es vorbei ist. Denn dann lädt mein Sohn mich zum Mittagessen ein - das hat er schon fest versprochen." Und vielleicht sieht an ihrem 92. Geburtstag im Mai ja auch wieder alles ganz anders aus...
>>>So viele Senioren sind betroffen
80 Bewohner leben im St. Josefshaus in Herbede. Insgesamt gibt es derzeit 1030 vollstationäre Plätze in Senioreneinrichtungen in Witten. Erst in diesem Jahr hat das Seniorenhaus Witten-Stockum am Helfkamp mit ebenfalls 80 Plätzen eröffnet.
102 weitere vollstationäre Plätze sind im Bau und sollen im Laufe des Jahres belegt werden.
Hier gibt es weitere Nachrichten aus Witten.