Witten. Nicola Steinbach (27) aus Witten lebt seit fünf Jahren in Florenz. Nun ist sie seit zwölf Tagen in Quarantäne und will den Wittenern Mut machen.

Mit großer Sorge beobachtet Nicola Steinbach die Corona-Ausbreitung in Deutschland. Die 27-Jährige, die seit fünf Jahren in Florenz lebt und arbeitet, hat große Sehnsucht nach ihrer Mutter in Witten. Aber heimfahren, jetzt, in der Krise, war für sie nie eine Option. "Wen man lieb hat, dem bleibt man besser fern", sagt sie. Das hätten die Italiener inzwischen schmerzlich begriffen - und damit seien sie Deutschland weit voraus.

Dabei hätten die Maßnahmen das Land zunächst schwer getroffen. Anfang März, als zunächst der Norden unter Quarantäne gestellt wurde, seien die Italiener sehr schockiert gewesen. "Ihnen war klar, wenn die wirtschaftlich wichtigste Region dicht gemacht wird, muss es wichtig sein - sonst würde die Regierung das nicht tun."

"Nur mit einem wichtigen Grund darf man das Haus verlassen"

Inzwischen gelten die Ausgangssperren im ganzen Land, auch Nicola Steinbach sitzt seit zwölf Tagen in ihrer Wohnung fest. "Nur mit einem wichtigen Grund darf man das Haus verlassen", erklärt sie. Arbeit, Arztbesuche, Einkaufen und Hunde-Spaziergänge seien weiterhin erlaubt. "Wenn man kontrolliert wird, sollte man aber nachweisen können, warum man unterwegs ist."

Doch auch wenn sie nun seit fast zwei Wochen mutterseelenallein in ihrer Wohnung sei, müssten sich ihre Lieben in Deutschland überhaupt keine Sorgen um sie machen, versichert die 27-Jährige. "Denn wir hier in Italien haben verstanden, dass wir etwas tun müssen, um endlich nicht mehr Teil des Problems, sondern Teil der Lösung zu sein." Die Regierung habe ihren Leuten eindrücklich klar gemacht, dass es nun darum gehe, solidarisch zu sein. Auch mit der Arbeit der Ärzte im viel infizierten Norden, die rund um die Uhr ihren Dienst leisten würden. "Wenn diese Leistung respektiert, der bleibt zu Hause. Ganz einfach."

Eine Anwohnerin steht in Rom auf einem Balkon und applaudiert gegen Einsamkeit. Der Flashmob ist Teil eines digitalen Aufrufs an die Menschen in Italien, während der Isolation angesichts des Coronavirus auf ihre Balkons zu kommen, dort Musik zu machen und Kontakt zueinander aufzunehmen.
Eine Anwohnerin steht in Rom auf einem Balkon und applaudiert gegen Einsamkeit. Der Flashmob ist Teil eines digitalen Aufrufs an die Menschen in Italien, während der Isolation angesichts des Coronavirus auf ihre Balkons zu kommen, dort Musik zu machen und Kontakt zueinander aufzunehmen. © Alessandra Tarantino/AP/dpa

Und obwohl es ihr ganzes soziales Leben auf den Kopf gestellt habe, ertrügen die Italiener die verordnete Zwangspause mit großer Einsicht und Gelassenheit, so erlebt es die Wittenerin. "Allen ist klar: Wir müssen da jetzt durch, damit wir uns bald wieder in die Arme nehmen können." Hamsterkäufe gebe es nicht. "Ich habe noch immer alles bekommen - selbst Nudeln und Klopapier," sagt Nicola Steinbach augenzwinkernd.

Statt zu lamentieren träfen sich Nachbarn jeden Abend um sechs auf ihren Balkons zum gemeinsamen Musizieren - also jeder auf seinem, versteht sich. "Da ist eine richtige Bewegung draus geworden, ich höre das bei mir auch. Das ist schon sehr emotional." Die Kinder seien aufgefordert worden, große Bilder mit einem Regenbogen drauf zu malen und an die Fenster zu hängen. "Andra tutto bene" steht darauf. Alles wird gut.

Für diese Woche werden in Italien die höchsten Fallzahlen erwartet

Wann es gut wird, das steht allerdings noch in den Sternen. Für diese Woche werden in Italien die höchsten Fallzahlen erwartet. "Erst nach zwei Wochen kann sich der Erfolg der Maßnahmen zeigen", weiß die Wittenerin. Dennoch habe man im Land das Gefühl, die Epidemie unter Kontrolle zu haben. "Denn jetzt kann man kontrolliert dagegen vorgehen." Der italienische Ministerpräsident Giuseppe Conte habe es geschafft, den Landsleuten zu vermitteln, dass es einen Hoffnungsschimmer gibt. "Es wird vorüber gehen. Umso schneller, je mehr wir uns an die Einschränkungen halten."

Um die Zeit der Quarantäne möglichst gut rum zu bekommen, sei es wichtig, eine positive Einstellung zu behalten. Das weiß die 27-Jährige, die als Beraterin auch beruflich damit zu tun hat, Menschen auf der Suche nach Lösungen in Zeiten der Veränderung zu begleiten. Man solle sich für jeden Tag Ziele setzen, die Zeit sinnvoll nutzen. "Hilfreich ist es auch, sich richtig anzuziehen, als ob man ins Büro müsste und nicht im Schlafanzug zu bleiben." Arbeits- und Freizeit sollten getrennt sein und man solle versuchen, sich jeden Tag ein kleines Highlight zu schaffen: "Das kann schon ein frisch gepresster Orangensaft sein."

Vor allem aber sei wichtig, mit Menschen in Kontakt zu bleiben

Vor allem aber sei wichtig, mit Menschen in Kontakt zu bleiben. Telefonisch, per Mail. "Überlegen Sie, wer einsam ist, und rufen Sie ihn an!", rät die Wittenerin. Auch die Nachbarn könnten unterstützt werden, beim Einkaufen etwa. "Und schauen Sie nur zwei Mal am Tag Nachrichten, sonst machen Sie sich verrückt."

Mit diesem Appell wendet sich Nicola Steinbach an die Wittener: "Lasst uns jetzt Opfer bringen - dann kommen wir aus der Situation bald wieder raus." Die 27-Jährige freut sich darauf. "Denn dann werden ich endlich meine Freunde und Familie wiedersehen und einen Spaziergang durchs Muttental machen."

>>>POLITIKWISSENSCHAFT IN BONN

Nicola Steinbach hat in Bonn Politikwissenschaften studiert. Ihren Master hat sie in Kommunikationsstrategie gemacht. Nach einem Erasmus-Semester ist sie in Italien geblieben - der Liebe wegen.

Die 27-Jährige arbeitet als Coach und Beraterin zur Verbesserung des Arbeitsklimas in Unternehmen.

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