Witten. Der Terror-Anschlag mit rassistischem Motiv beschäftigt die Wittener. Bei manchem wächst die Angst – etwa bei dem Betreiber einer Shisha-Bar.
Der Terroranschlag in Hanau, bei dem ein Deutscher zehn Menschen vor Shisha-Bars aus rechtsradikalen Motiven getötet hat, hinterlässt auch in der Ruhrstadt Spuren. Das Wittener Internationale Netzwerk will bei seiner Sitzung am Donnerstagabend (20.2.) eine Schweigeminute einlegen – fast 24 Stunden nach der schrecklichen Tat. In vielen türkischen und syrischen Läden ist der Anschlag Tagesthema.
„Die armen Menschen. Die haben doch gar nichts getan“, sagt Majd über die Opfer. Der 19-Jährige macht gerade ein Praktikum im Lebensmittelgeschäft „Damaskus-Haus“ an der unteren Bahnhofstraße. Dass hier so etwas auch passieren könnte, will er nicht ausschließen. Deshalb möchte er lieber nicht aufs Foto, ebenso wie Serdar. „Ich denke dabei vor allem an meine Familie“, sagt der 46-Jährige. Er selbst habe keine Angst. „Grundsätzlich nicht.“
Wittener Imbiss-Mitarbeiter: Mache mir keine Sorgen um meine Sicherheit
Schon am Mittwochabend, als der Terrorist zuschlug, hat Serdar von der Bluttat erfahren. „Wir unterhalten uns die ganze Zeit darüber“, sagt er, den wir in einem Wittener Barber-Shop antreffen. Die Stimmung ist trotzdem einigermaßen entspannt. Vielleicht liegt es daran: „In Witten passiert schon nichts“, hofft einer. Doch sie ahnen hier auch, was ein anderer ausspricht: „Es wird nicht der letzte Anschlag im Land gewesen sein.“
Etem (25) und Akin (32) arbeiten in einem türkischen Imbiss an der unteren Bahnhofstraße. „Mein Frau hat mir von dem Anschlag erzählt“, sagt Akin. Sorgen darüber, dass er hier nicht sicher sei, mache er sich nicht. Er komme aus der Türkei: „In meiner Heimat passiert so etwas jeden Monat.“
Junge Frauen fürchten sich beim Gang abends allein durch die Stadt
Hafize macht gerade mit ihrer Kollegin (32) eine Raucherpause in einem Hauseingang. Der Anschlag hat die beiden Deutschen mit türkischen Wurzeln erschüttert. Doch Angst haben sie schon lange, wenn sie abends durch Witten gehen. „Ich fühle mich hier nicht mehr sicher“, sagt die 33-Jährige. Jugendliche würden sie auf dem Heimweg ansprechen, beschimpfen und bedrohen.
Donnerstagmittag ist die „Daud Lounge“ in der Innenstadt schon geöffnet, aber es ist nicht viel los. Die Stammgäste werden trotzdem kommen. Doch Alltag ist für Betreiber Marten Marcus, gebürtig aus dem Irak, erst einmal nicht angesagt. Die Vorfälle in Hanau – „ein Massaker“ nennt er sie und „unglaublich traurig“. Er selbst stehe mit einem anderen Gefühl auf, öffne das Café mit einem anderen Gefühl. „Es könnte ja auch einen selbst treffen“, sagt der 25-Jährige. „In einer beschaulichen Stadt wie Witten wissen viele Leute, dass ich der Betreiber einer Shisha-Bar bin. Da geht man jetzt einfach mit einem anderen Gefühl durch die Innenstadt.“ Wird er jetzt mehr Sicherheitsvorkehrungen treffen? „Wenn so einer in einen Laden reinstürmt, dann kann dir nur Gott helfen“, sagt Marten Marcus.
Polizei nicht verstärkt unterwegs
„Hanau hat keine Auswirkungen auf die Sicherheitsvorkehrungen im Bereich des Polizeipräsidiums Bochum“, erklärt Sprecher Marco Bischoff auf Anfrage.
Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass man etwa bestimmte Einrichtungen besonders sichern müsse. Trotzdem, so Bischoff, sei die Polizei natürlich präsent: „Wir halten die Augen offen.“
An das Gemeinschaftsgefühl richtet sich auch Mehmet Çolaks Appell. Der Vorsitzende des Wittener Integrationsrats fordert die Bevölkerung zu „innerem Zusammenhalt“ auf, um ein Zeichen gegen die schreckliche Tat zu setzen. „Was in Hanau passiert ist, macht mich fassungslos.“ All den Opfern und ihren Angehörigen drückt er sein tiefstes Beileid aus. Er hofft, dass „die feigen Anschläge uns nicht spalten“. Çolak: „Hass wird nie siegen, sondern nur Unruhe stiften.“
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