Witten. In Trainingswohnungen sollten Obdachlose in Witten die Rückkehr ins Leben üben. Der Sozialausschuss hat das abgelehnt. Trotzdem gibt es Hilfe.

Obdachlose sollten in Witten nicht mehr in Unterkünften wie dem Haus am Mühlengraben übernachten müssen. Wer gute Chancen auf Resozialisierung hat, sollte künftig in Wohnungen betreut den sozialen Wiedereinstieg trainieren. So jedenfalls stellte sich die Piratenfraktion ein neues Konzept für Wohnungslose vor. Im Sozialausschuss fand dieser Vorschlag aber keine Mehrheit. Nur Piraten und Linke stimmten dafür.

Die Personen, die nicht für eine solche Trainingswohnung in Frage kommen, sollten nach dem Vorschlag der Piraten besser betreut werden. Zumindest dieser Teil des Antrags wurde nun einstimmig verabschiedet. Allerdings bekam diese Mehrheit ein entsprechender Antrag, den die SPD zwei Tage vor der Sitzung eingebracht hatte. Mit Fördermitteln des Landes soll eine zusätzliche Stelle für die Betreuung von Obdachlosen geschaffen werden – vor allem „für eine intensivere Suchthilfe für die schwer resozialisierbaren Bewohner der Unterkunft am Mühlengraben“, wie es heißt.

Zahl der Obdachlosen in Witten ist seit den 90er-Jahren drastisch gesunken

„Nicht zielführend“ hatte zuvor Volker Pompetzki (CDU) den Vorschlag der Piraten genannt, Trainingswohnungen einzurichten. Er verwies auf die „Erfolgsbilanz“ der Stadt. 1995 hätten noch 500 Menschen in 48 städtischen Unterkünften oder auf der Straße gelebt, so das Sozial- und Wohnungsamt. Im Jahr 2000 seien es noch 100 Personen gewesen,bis 2005 habe sich die Zahl mehr als halbiert. Und seit 2005 seien es noch 20 bis 30 Personen.

Christoph Noelle ist bei der Stadt Witten Sachgebietsleiter im Amt für Wohnen und Soziales. Er kümmert sich mit seinen Mitarbeitern um die Unterbringung von Obdachlosen.
Christoph Noelle ist bei der Stadt Witten Sachgebietsleiter im Amt für Wohnen und Soziales. Er kümmert sich mit seinen Mitarbeitern um die Unterbringung von Obdachlosen. © FUNKE Foto Services | Thomas Nitsche

Die Mitarbeiter der Wohnraumhilfe konnten im vergangenen Jahr in 92 Fällen eine drohende Wohnungslosigkeit abwenden. Nur zehn Menschen wurden in eine städtische Unterkunft aufgenommen. Aktuell leben 20 Personen im Mühlengraben und in der Unterkunft In der Mark.

Verbesserungen für den Wittener Mühlengraben geplant

Oft kann das Wohnungsamt eigenen Angaben zufolge Menschen eigene vier Wände vermitteln, während sie in der Notschlafstelle In der Mark unterkommen. „Dass Menschen aus der Notschlafstelle danach fest in eine Unterkunft kommen, trifft nur auf sehr wenige zu“, sagte Sachgebietsleiter Christoph Noelle.

Auch interessant

Für die Zukunft seien zudem viele Verbesserungen für die häufig kritisierten Häuser am Mühlengraben geplant. Neue Fenster, ein Außenanstrich, ein zusätzlicher Wasch- und ein weiterer Duschraum sollen die Lebensumstände in den 1939 errichteten Gebäuden verbessern. Damit will man langfristig auch ein Männer- und ein Frauenhaus ermöglichen. Bisher leben alle unter einem Dach. Als wichtiger Baustein gilt auch die Besetzung einer bislang unbesetzten Hauswartstelle, die im Stellenplan der Stadt vorgesehen ist.

Landschaftsverband könnte Trainingswohnungen fördern

Trainingswohnungen, wie sie der Piraten-Antrag gefordert hatte, werden derzeit in Hattingen vorbereitet. Im November hatte die Nachbarstadt ein entsprechendes Konzept verabschiedet. In abgeschwächter Form gibt es solche Unterkünfte In der Mark. Die dort untergebrachten Obdachlosen leben allerdings meist schon seit mehreren Jahren in diesen Wohnungen. „Deshalb sind diese Wohnungen auch keine echte Alternative für die Bewohner des Mühlengrabens. Sie sind ja dauerbelegt“, kritisierte Pirat Stefan Borggraefe.

Neue Trainingswohnungen mit finanzieller Unterstützung des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe wären aber auch nach Ansicht von Michael Raddatz-Heinrich keine Lösung. Der Caritas-Sozialarbeiter kümmert sich mit einer Kollegin um die Obdachlosen der Stadt. Der LWL fördere das ambulant betreute Wohnen in einer solchen Unterkunft meist nur für zwei Monate.

„Für Menschen mit einer verfestigten Problematik ist es schwierig, innerhalb dieser Zeit und unter Druck eine eigene Wohnung zu finden“, sagte Raddatz-Heinrich. Für ihn ist der Königsweg bei schweren Fällen die zeitweise Unterbringung in einer stationären Einrichtung wie dem Drewermannstift in Gevelsberg, gefolgt von einem ambulant betreuten Wohnen. Dafür gebe es in NRW einige Hilfseinrichtungen.