Witten. Davon können viele Musiker nur träumen. Der Wittener Ama-Deus-Chor darf im nächsten Jahr in einer der berühmtesten Konzerthallen der Welt singen.

Was für eine Ehre. Der Wittener Ama-Deus Chor ist eingeladen worden, im nächsten Jahr in der Carnegie Hall in New York Händels „Messiah“ zu singen. Mit einer Aufnahme hat das Ensemble die Organisatoren des Konzerts überzeugen können. Mit 500 Sängern aus der ganzen Welt werden sie gemeinsam musizieren. Der Chor habe die Einladung aufgrund „der Qualität und des hohen musikalischen Levels der Sänger“ erhalten, sagt Hauptdirigent Jonathan Griffith.

„Papperlapapp, die veräppeln uns doch“ dachten die Wittener Sänger

Die rund 50 Sängerinnen und Sänger konnten es zuerst gar nicht glauben, als Chorleiterin Susanna Dornwald ihnen den Brief aus Amerika vorgelesen hat. „Papperlapapp, die veräppeln uns doch“, das war der erste Gedanke von Sopranistin Annette Sommerfeld. Aber als dann klar war, dass der Brief durchaus ernst gemeint ist, war der 59-Jährigen gleich klar: „Aber sicher, da mache ich mit.“

Chorleiterin Susanna Dornwald (2.v.r.) hatte zur Weihnachtsfeier des Chors in ihre Wohnung eingeladen. Auch Tochter Katharina , Sohn Johann und Enkel Milas (2) sowie Sangesschwester Erika Krause nahmen an dem gemütlichen Treffen bei Musik und Kuchen teil.
Chorleiterin Susanna Dornwald (2.v.r.) hatte zur Weihnachtsfeier des Chors in ihre Wohnung eingeladen. Auch Tochter Katharina , Sohn Johann und Enkel Milas (2) sowie Sangesschwester Erika Krause nahmen an dem gemütlichen Treffen bei Musik und Kuchen teil. © FUNKE Foto Services | Barbara Zabka

Allerdings waren nicht alle gleich Feuer und Flamme. Schließlich ist das große Abenteuer mit einigen Kosten verbunden. Der Flug in die USA und der Aufenthalt kosten einiges – und auch der Auftritt selbst. 700 Euro muss berappen, wer auf der berühmten Bühne dabei sein will. Viel Geld – „aber wir wissen ja aus eigener Erfahrung, wie teuer so ein Konzert mit einem großen Orchester ist“, sagen die Sänger einhellig.

20 Chor-Mitglieder haben bereits zugesagt

Dennoch haben rund 20 Chor-Mitglieder bereits zugesagt. Andere überlegen noch. „Wir versuchen, Wege zu finden, damit auch die mitfahren können, die sich das sonst nicht leisten könnten“, sagt Chorleiterin Susanna Dornwald. Allerdings: Ausgerechnet sie selbst weiß noch nicht, ob sie beim großen US-Konzert am 29. November 2020 dabei sein wird. „Wir haben kurz darauf, Anfang Dezember, hier in Witten unser Lucia-Konzert, das wird mir eigentlich ein bisschen knapp“, sagt die 68-jährige Schwedin. Andererseits wäre sie schon gerne dabei. „Die Einladung macht mich schon stolz. Das ist eine große Auszeichnung und wird sicher spektakulär.“

In der Wohnung von Chorleiterin Susanna Dornwald sprechen Annette Sommerfeld, Marie Trendelenburg und Tobias Maurer bei der Weihnachtsfeier über die bevorstehende Reise.
In der Wohnung von Chorleiterin Susanna Dornwald sprechen Annette Sommerfeld, Marie Trendelenburg und Tobias Maurer bei der Weihnachtsfeier über die bevorstehende Reise. © FUNKE Foto Services | Barbara Zabka

Davon sind auch ihre Sänger überzeugt. „Ein Teil dieses großen Chors mit all den Menschen aus der ganzen Welt zu sein und dieses große Werk zu singen, das ist schon etwas ganz Besonderes“, sagt Marie Trendelenburg (53). Ihre Chorschwester Annette Sommerfeld ergänzt: „Und wir im Chor kommen uns bei so einer Fahrt auch näher und lernen uns besser kennen.“

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Das ist den Sängern wichtig. Denn gerade die große Gemeinschaft sei einer der Punkte, der den Ama-Deus Chor von anderen unterscheide. „Bei uns gibt es keine Zickereien“, versichern die beiden Sopräne einstimmig. Das sei vor allem der Verdienst von Susanna Dornwald. Denn sie leite den Chor mit viel Witz und Wärme. Sie habe zwar hohe Ansprüche, werde bei aller Kritik aber dennoch nie persönlich. So könnten auch unerfahrene Sänger an den großen Chorwerken wachsen. Marie Trendelenburg weiß das aus eigener Erfahrung: „Es ist einfach schön, das mitzuerleben.“

Wittener Sängerin: „Ja, die Skandinavier singen sanfter als die anderen Europäer“

Aber die Organisatoren des internationalen Konzerts in New York werden doch sicher noch etwas anderes aus der Wittener Aufnahme herausgehört haben? „Ja, die Skandinavier singen sanfter als die anderen Europäer“, erklärt Annette Sommerfeld. Das hat der Chor bei seinen Aufführungen, bei denen meist herausragende Solisten (und auch Orchestermusiker) aus Skandinavien beteiligt sind, oft schon erfahren dürfen. Sie würden es schaffen, den Zuhörer mit ihrer Musik zu umhüllen. „Und diese Besonderheit im Klangbild hat Susanna uns gelehrt.“ Wie gesagt, Susanna Dornwald ist gebürtige Schwedin.

Außerdem würde die Chorleiterin den Sängern immer auch die Hintergründe der Stücke erklären. „Sie sind uns beim Singen präsent. Wie bei einem musikalischen Gottesdienst“, sagt Tobias Maurer (32), einer der (überraschend) vielen Männer im Chor. „Das kommt einfach rüber, das spürt man.“

Nächstes großes Werk ist die Schöpfung

Der Ama-Deus Chor wurde 2003 als Oberstufenchor der Rudolf-Steiner-Schule Witten. Inzwischen singen rund 50 Mitglieder zwischen 15 und 82 Jahren regelmäßig mit, knapp 40 Prozent von ihnen sind Männer.

Nächstes großes Konzert ist die Aufführung der „Schöpfung“ von Haydn am 5. Juni 2020 im Saalbau und am 6./7. Juni in der Erlöserkirche in Annen. Zuvor gibt es am 5. Juni eine szenisch-musikalische Einführung für Schüler, zu der bereits 800 Teilnehmer angemeldet sind.

Der Chor probt mittwochs von 19.30 bis 21.30 Uhr in der Steiner-Schule an der Billerbeckstraße. Neue Mitglieder werden im Moment nicht aufgenommen. Mehr Infos: amadeuswitten.de

Dabei ist die Schwedin selbst – ebenso wie der Chor – kirchlich gar nicht gebunden. „Aber dennoch: Der Ausdruck muss stimmen“, erklärt sie ihren Ansatz. „Wenn ich so ein großes Werk wie den Messias singe, dann muss ich auch dran glauben – danach kann ich ja wieder Atheist werden“, sagt sie schmunzelnd. Denn das sei sicher: Ob ein Werk im Konzert den Zuschauer berührt, liege nicht daran, wie perfekt die Sänger die Noten lesen könnten. Susanna Dornwald winkt ab. „Nein, viel wichtiger ist dies: Gute Musik muss vor allem immer in einem Wärmestrom entstehen.“