Witten. Die Wittenerin Annette Wagner holt den Tod aus der Tabuecke. Jetzt bekam sie das Bundesverdienstkreuz. Worüber sich auch trauernde Kinder freuen.

Wenn Mama oder Papa sterben, dann überfallen Kinder tausend Ängste. Annette Wagner bietet ihnen dann auf Wunsch Hilfe der besonderen Art. Sie leitet seit 2012 das Zentrum für Kinder- und Jugendtrauerarbeit an der Lutherstraße. Für ihr Engagement hat die 58-Jährige am Donnerstag (28.11.) das Bundesverdienstkreuz erhalten.

Frau Wagner, wann und wie haben Sie erfahren, dass Sie auserwählt sind?

Annette Wagner: Ich glaube, es war Ende August oder Anfang September. Da hat mich eine Dame vom Landratsamt angerufen und mich gebeten, ich möge mich hinsetzen. Da habe ich im ersten Moment gedacht: Habe ich etwa irgendwo einen Verwandten, der mir was vererben will?

Was war Ihre erste Reaktion, als Sie erfahren haben, dass Sie stattdessen das Bundesverdienstkreuz bekommen?

Ich habe gesagt: Och nö, ich habe doch nur meinen Job gemacht. Und dann: Das glaube ich erst, wenn ich es schriftlich habe. Nach wie vor bin ich unsicher, ob ich tatsächlich die Richtige bin. Aber ich freue mich natürlich.

Wittenerin war auch schon bei Bundespräsident Steinmeier zu Gast

Sie haben ja Erfahrung mit besonderen Anlässen. Vor zwei Jahren waren Sie schon zum Bürgerfest des Bundespräsidenten auf Schloss Bellevue eingeladen. Waren Sie jetzt trotzdem nervös vor der Auszeichnung?

Natürlich war ich aufgeregt. Damals waren schließlich 6000 andere Menschen mit dabei. Diesmal stand ich alleine im Mittelpunkt. Allerdings war mir wichtig, dass meine Familie dabei sein konnte. Einer meiner vier Söhne ist sogar aus Borneo, wo er lebt, angereist.

„Annette Wagner schaut nicht weg. Sie holt Tod und Trauer aus der Tabuecke.“ So hat der Landrat begründet, warum gerade Sie das Verdienstkreuz erhalten. Was bedeutet Ihnen diese Würdigung Ihrer Arbeit?

Es bestätigt mich darin, dass mein Wirken gut war, und es motiviert mich, weiterzumachen. Es gibt der Trauerarbeit, die meine Herzensangelegenheit ist, ein Stück Lobby. Ich habe die Auszeichnung für mein Team, meine Mannschaft entgegengenommen, ohne die das alles nicht möglich gewesen wäre. Dazu zählen alle Mitarbeitenden und Ehrenamtlichen, aber auch alle Ideengeber, Mitfühler und Rückenstärker aus anderen Lebensbereichen, etwa Familie und Freunde. Oder die Kreuzgemeinde, die uns die Räume zur Verfügung stellt. Ich habe es immer sehr geschätzt, dass ich nie alleine war, sondern ein tolles Netzwerk habe.

Wittenerin gibt auch Fitness-Kurse an der VHS Witten, Wetter, Herdecke

Sie sind nicht nur Diakonin und Trauerbegleiterin, sondern von Haus aus Sozialpädagogin und Bewegungstherapeutin.

Bewegung kommt bei mir immer noch täglich vor. Seit 28 Jahren biete ich den VHS-Kurs „Fit im Alter“ an, jeden Montag turne ich mit drei Gruppen hintereinander. Es ist wichtig, etwas zu bewegen. Das gilt auch für die Trauer, in der man nicht hängen bleiben sollte. Aufrecht gehen, eine gesunde Haltung – auch das hilft in Zeiten, in denen man verunsichert ist.

Ein „Dankeschön“ für besondere Menschen

Landrat Olaf Schade hat Trauerbegleiterin Annette Wagner das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland, so die ganz korrekte Bezeichnung, im Schwelmer Kreishaus verliehen. Es handelt sich um die höchste Auszeichnung, die die Bundesrepublik für Verdienste um das Gemeinwohl zu vergeben hat.

„Die Übergabe des Ordens an Bürger des Ennepe-Ruhr-Kreises ist für mich immer ein besonderer Termin. Zum einen, weil pro Jahr nur wenige Personen dieses einmalige Dankeschön unseres Landes erhalten“, so der Landrat in seiner Ansprache. „Zum anderen, weil sich so die Chance bietet, außergewöhnliche Menschen kennenzulernen.“

Was wünschen Sie sich für die Zukunft der Trauerarbeit?

Ich freue mich, wenn Menschen unser Angebot weiter nutzen, sie kurze Zeit zu begleiten. Und alle, die sich für die Arbeit von Trauerbegleitern interessieren, kann ich nur ermutigen: Kommt! Wir qualifizieren Menschen aus ganz Deutschland zu Trauerbegleitern. Es wäre doch zum Beispiel toll, wenn es so etwas an jeder Schule gäbe.