Witten. Die Stadt Witten will nach jahrelangem Personalabbau fast 60 neue Stellen schaffen, so viele wie schon lang nicht mehr. Es gibt aber auch Kritik.

Der Wittener Rat hat mit großer Mehrheit 58 neuen Stellen bei der Stadt zugestimmt. Nach jahrelangem massivem Personalabbau wird erstmals wieder in größerem Umfang eingestellt – wenn sich denn genügend fachlich qualifizierte Mitarbeiter finden. Kritik kommt unter anderem von Linkspartei und Personalrat.

Personaldezernent und Kämmerer Matthias Kleinschmidt sprach von einem „Spagat“ zwischen den Bedürfnissen der Fachämter unter anderem aufgrund neuer gesetzlicher Vorgaben einerseits und der weiterhin nötigen Haushaltskonsolidierung andererseits. Gerade im Jugendamt war oder ist die Not groß.

Aber auch in anderen Abteilungen der Behörde fehl(t)en Leute. Engpässe und Überlastungsanzeigen gehören deshalb längst noch nicht der Vergangenheit an, zumal das neue Personal ja oft auch noch gar nicht da ist. Aber mit dem neuen Stellenplan 2020 stellt die Stadt nach Überzeugung der Ratsmehrheit die richtigen Weichen für die Zukunft.

Wittener CDU-Fraktionschef: Wir brauchen mehr Indianer als Häuptlinge

Thomas Richter („Solidarität für Witten“) bezeichnete den Stellenplan als „gut“. Jan Richter (Grüne) hält die Verteilung der neuen Stellen – von der Erzieherin oder dem Elektriker über Feuerwehrleute bis zum Straßenwärter, Bauingenieur und Juristen – für „sehr ausgewogen“. CDU-Fraktionschef Noske ist es wichtig, dass überwiegend Sachbearbeiter und nur vereinzelt neue Führungskräfte eingestellt werden, um Vorgänge zu bearbeiten, die den Bürgern zugute kommen. Nach dem Motto: „Wir brauchen mehr Indianer als Häuptlinge.“

Noske betonte, dass die Stadt im Einzelnen entscheiden müsse, „wo die Not am größten ist“. In 16 Jahren im Rat habe er nicht erlebt, dass die Verwaltung in diesem Umfang wieder Personal einstellt. Er erinnerte an den demografischen Wandel und daran, „dass viele in den Ruhestand gehen“. Und dass eine Ausschreibung noch keine Stelle bedeute. Eben weil Leute erst gefunden werden müssen.

Keine Mehrheit für Antrag des Wittener Bürgerforums für „Stellenpool“

Vier neue Feuerwehranwärter sollen nach ihrer Ausbildung die Hauptamtlichen in Witten verstärken. So sieht es der Stellenplan 2020 vor.
Vier neue Feuerwehranwärter sollen nach ihrer Ausbildung die Hauptamtlichen in Witten verstärken. So sieht es der Stellenplan 2020 vor. © FUNKE Foto Services | Thomas Nitsche

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Das Wittener Bürgerforum hatte gerade vor dem Hintergrund der Engpässe im Jugendamt einen Stellenpool als Reserve beantragt, so dass Fachkräfte etwa für erkrankte Kollegen schnell einspringen können. Das fand aber keine Mehrheit.

„Mehr als nötig“ nannte indes Thomas Richter einen solchen Pool. Er sagte, dass bei den Bezirkssozialarbeitern die Fallzahl pro Mitarbeiter immer noch deutlich überschritten werde. Empfohlen seien landesweit 32 Fälle. Witten liege aber immer noch bei rund 50. „Ich möchte nicht eines Tages vor dem Staatsanwalt stehen und mir sagen lassen, ,Herr Richter, Sie haben nicht gehandelt“, warnte er vor möglichen Katastrophen etwa in einer Familie, weil ein städtischer Betreuer vielleicht überlastet war.

Sozialdezernent Frank Schweppe ging ebenfalls auf die Situation im Jugendamt ein. „Wir bekommen nennenswert zusätzliches Personal“, freute er sich. Neue Erzieherinnen sollen auch dadurch gelockt werden, indem man sie schon im Praktikum bezahlt. Was Familienbetreuung, Frühe Hilfen etc. angeht, sagte Schweppe: „Wir können froh sein, dass in dieser Stadt bisher nichts passiert ist.“

Ein toter Säugling löste Entsetzen im Wittener Jugendamt aus

Erst kürzlich seien Mitarbeiter wie elektrisiert gewesen, als sie von einem toten Säugling in Witten erfahren hatten. Am Ende stellte sich dieser Fall als plötzlicher Kindstod heraus. Doch obwohl sehr erfahrene Sozialarbeiter in solchen Familien seien, am Ende könne man das Schlimmste nicht verhindern, sagte der Erste Beigeordnete. „Die Betreuer verlassen die Familie um 14 Uhr bei eitel Sonnenschein. Dann verliert Schalke abends und der Vater rastet aus.“ Ausdrücklich bedankte sich Schweppe bei der „Familienhilfe und allen anderen für den guten Job, den sie machen“.

Die Stadt Witten will die Privatisierung bei der Reinigung öffentlicher Flächen nicht ausbauen. Gleichzeitig soll der Anteil der städtischen Eigenreinigung aber auch nicht erhöht, also nicht mehr Putzfrauen im öffentlichen Dienst beschäftigt werden.
Die Stadt Witten will die Privatisierung bei der Reinigung öffentlicher Flächen nicht ausbauen. Gleichzeitig soll der Anteil der städtischen Eigenreinigung aber auch nicht erhöht, also nicht mehr Putzfrauen im öffentlichen Dienst beschäftigt werden. © Funke Foto Services, Archiv | Knut Vahlsensieck

Kämmerer Matthias Kleinschmidt, der die Kosten für die 58 Stellen mit rund drei Millionen Euro im Jahr veranschlagt, wies darauf hin, dass es erstmals keine Einstellungsstopps mehr gebe. Allerdings wird die Verwaltung bei der städtischen Eigenreinigung, anders als von Linken und Personalrat gefordert, keine neuen Putzfrauen beschäftigen.

Gleichzeitig soll der Anteil privater Kräfte ebenfalls nicht steigen. Das verbucht Ulla Weiß von der Linkspartei zwar als „ersten Erfolg“. Sie hätte sich aber gewünscht, dass alle Putzfrauen, die für die Stadt tätig sind, im öffentlichen Dienst beschäftigt werden und so in höhere Lohngruppen kommen. „Bei Angestellten ist das selbstverständlich“, sagte sie. Die Verträge mit den Privaten sollten nicht weiter verlängert werden.

Wittener Personalrat: Bis 2027 gehen 400 Mitarbeiter in Rente

Wenn man dem folge, dann werde es wirklich schmutzig, warnte Jan Richter von den Grünen. „Das geht gar nicht, dass wir alle Verträge beenden, ohne jemanden zu holen, der die Arbeit übernimmt“, sagte er. Auch CDU-Fraktionschef Noske lehnte den Vorstoß der Linkspartei ab. „Qualität ist hier die Frage, nicht woher jemand kommt.“

Wasser in den Wein goss der Personalrat, sozusagen der „Betriebsrat“ für die 1400 Mitarbeiter bei der Stadt. Er kritisiert in einer Stellungnahme trotz der geplanten Einstellungen einen „immer weiter um sich greifenden Personalabbau“ und vermisst eine Aufgabenkritik in den einzelnen Ämtern. Allein aufgrund ihres Alters werde die Behörde bis Ende 2027 rund 400 Mitarbeiter verlieren.