Witten. Auf einen Schlag 31 Prozent mehr Miete: Das sollen Mieter aus Witten-Heven an die Vonovia zahlen. Sie setzen sich mit dem Mieterverein zur Wehr.
Peter und Sylvia Golz trauten ihren Augen nicht, als ihnen ein Brief ihres Vermieters ins Haus flatterte. Gut 135 Euro mehr Miete will die Vonovia von dem Ehepaar aus Heven haben – statt 372 Euro soll die Wohnung nun 507 Euro kosten. Als Grund nennt die Wohnungsgesellschaft Modernisierungen. „Aber bei uns in der Wohnung haben die gar nichts gemacht“, klagt die 52-jährige Mieterin. Zwar sei am Haus etwas renoviert worden – etwa die Wärmedämmung. „Aber unsere Wohnung wird jetzt mit denen gleichgesetzt, die neue Türen oder neue Elektrik haben. Das geht doch nicht!“
Das Ehepaar Golz wandte sich an den Mieterverein. Und der sagt: Das ist kein Einzelfall. Schon seit Mai gebe es Proteste der Mieter aus den betroffenen Häusern. Vonovia würde in Witten Mieten verlangen, die oft mehr als ein Drittel über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen, sagt Knut Unger, Sprecher des Mietervereins. Sanierungen würden dabei genutzt, um die Miete in die Höhe zu treiben.
„Die aktuellen Mieterhöhungen nach Modernisierung führen schon bei den Bestandsmietern zu Mieten, die bis zu mehr als 32 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen“, so Unger. Leergezogene Wohnungen biete die Vonovia zu Mieten an, die sogar bis zu 45 Prozent darüber lägen. Das Unternehmen nutze die Wohnungsknappheit dabei „schamlos“ aus.
Hohe Mieten seien unangemessenund damit ordnungswidrig
Auch wenn Witten nicht zu den Gebieten gehört, in denen die Mietpreisbremse gilt, könne die Stadt gegen diese „Miet-Preistreiberei“ vorgehen, betont der Mieterverein. Denn nach seiner Ansicht seien die Mieten unangemessen hoch und damit ordnungswidrig. Der Verein habe die Stadt bereits mehrfach aufgefordert, entsprechende Konsequenzen zu ziehen, heißt es.
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Auch die Mieter wollen sich die Erhöhungen nicht gefallen lassen. Sie haben den Mieterverein beauftragt, die Begründung der Mieterhöhungen, also die Baukosten, umfassend zu überprüfen. Unger hat in der Bochumer Konzernzentrale inzwischen Einsicht in die Unterlagen genommen. Weder die Sichtung, noch die Prüfung der Papiere sei bereits abgeschlossen, so der Sprecher. „Sicher ist aber schon jetzt, dass die Vonovia generell keine Originalverträge, keine prüfbaren Belege für hohe Baunebenkosten und in vielen Fällen auch keine Belege für die tatsächlichen, konzernintern angefallenen Kosten vorlegen kann oder will.“
Laut Mieterverein sind die Modernisierungs-Mieterhöhungen nicht nur unzureichend belegt, sondern auch formell zweifelhaft und inhaltlich fehlerhaft. Deshalb hat der Verein seinen Mitgliedern empfohlen, bis zum Abschluss der Überprüfungen die verlangten Mietererhöhungen zurückzuhalten. „Da kommen jetzt die Mahnschreiben“, sagt Sylvia Golz aus der Raiffeisenstraße in Heven. „Das macht mir schon Bauchschmerzen.“ Sie sieht durchaus ein, dass durch die Renovierungen am Haus Mieterhöhungen fällig sind. Aber eben nicht in Höhe von 135 Euro.
Die Vonovia kann diese Klage nicht nachvollziehen
Vonovia kann diese Klage nicht nachvollziehen. Die Mietanpassungen würden in den meisten Fällen freiwillig reduziert. „Beispielsweise haben wir bei den Mietern Golz eine rechnerische Mietanpassung ab Oktober von 176,80 Euro monatlich ermittelt, sie jedoch freiwillig auf 135,24 Euro monatlich begrenzt“, sagt Unternehmenssprecherin Bettina Benner.
Außerdem seien umfangreiche Modernisierungen durchgeführt worden, die zu einer Verbesserung des Ausstattungsstandards und zur Einsparung von Energiekosten beitragen. Es seien etwa eine Gegensprechanlage, Aluminiumhaustüren mit Wärmeschutzverglasung und Wärmedämmung an den Außenwänden eingebaut worden. Und nach Modernisierung dürfe die zulässige Mieterhöhung die ortsübliche Vergleichsmiete durchaus übersteigen.
Der Vonovia sei aber bewusst, dass eine Mietanpassung für einige Mieter eine finanzielle Belastung darstellen kann. „Wir wollen, dass unsere Mieter bei uns wohnen bleiben. Im Rahmen unseres Härtefallmanagements finden wir bei wirtschaftlicher Härte gemeinsam mit unseren Mietern immer eine Lösung“, betont Benner.
Mieter protestierten bereits im Mai
Laut dem Mieterrat Heven, in dem sich Bewohner der Schulze-Delitzsch-Straße und der Raiffeisenstraße engagieren, stieg nach der Renovierung die Grundmiete von 5,30 auf bis zu 7,40 Euro/m².
Das seien 48 Prozent und liege 35 Prozent über einer Vergleichsmiete im Wittener Mietspiegel. Dagegen hatten Anwohner mit Unterstützung des Mietervereins bereits im Mai dieses Jahres protestiert.
Dass es Härtefallregelungen gegeben hat, bestätigt Knut Unger vom Mieterverein. „Das ist aber gesetzlich vorgesehen und kein besonderes Zugeständnis der Vonovia.“ Er hätte sich gewünscht, dass man eine Lösung für alle Betroffenen gefunden hätte – auch die Haushalte oberhalb der Einkommensgrenze. Unger: „Für viele stellen die Mieterhöhungen um bis zu 130 Euro Belastungen dar, die persönliche Einschränkungen erforderlich machen.“