Witten. Frank Goosen liest am 6. November in der Werkstadt aus seinem Roman „Kein Wunder“. Im Interview spricht er über das, was „Ossis“ ärgert.
Frank Goosen, Kabarettist und Autor, hat erfolgreiche Bücher geschrieben – darunter „Raketenmänner“, „Sommerfest“ und „Liegen lernen“. Einige seiner Bücher wurden verfilmt, aus manchen Texten werden Soloprogramme. Am Mittwoch, 6. November, ist der Bochumer einmal wieder in der Wittener Werkstadt zu Gast. Er bringt seinen neuen Roman „Kein Wunder“ mit, aus dem er lesen wird. Eine Komödie, die im Wendejahr 1989 spielt. Im Interview spricht Goosen darüber, was er am Tag des Mauerfalls getan hat, warum er nicht – wie geplant – am 29. Oktober in die Werkstadt kommt und was „Wessis“ im Umgang mit „Ossis“ seiner Ansicht nach vielleicht besser anders gemacht hätten.
Eigentlich wollten Sie am 29. Oktober nach Witten kommen, aber der Termin ist dann auf den 6. November verlegt worden. Sie wollen das DFB-Pokal-Spiel VfL Bochum gegen FC Bayern München im Bochumer Ruhrstadion sehen.
Goosen: Ja! Ich bin der Werkstadt sehr dankbar, dass sie mir das ermöglicht. Normalerweise markiere ich mir die Spiele des VfL Bochum im Kalender. Aber da habe ich dieses Mal einen Fehler gemacht. Und dann ausgerechnet beim Spiel gegen die Bayern!
Ihr Tipp: Wie geht das Spiel aus?
Goosen: (lacht) Die normalerweise unterlegene Mannschaft sollte da reingehen mit dem festen Willen, das zu gewinnen. Die Wahrscheinlichkeit ist aber eine andere. Natürlich bin ich live dabei, ich kann zu Fuß zum Stadion gehen. Mein jüngerer Sohn kommt mit, mein älterer Sohn macht gerade ein Auslandsjahr in Neuseeland.
Sie hatten schon viele Auftritte in Witten, welchen Bezug haben Sie zur Stadt?
Goosen: Die Werkstadt ist einer der Orte, an denen ich am häufigsten aufgetreten bin. Und mein ältester Sohn wurde im Wittener Marien-Hospital geboren!
„In Westberlin ist 1989 vor der Wende die Zeit so ein bisschen stehengeblieben“
Ihr neuer Roman „Kein Wunder“ spielt zur Zeit des Mauerfalls vor 30 Jahren. Worum geht’s?
Goosen: Die Personen, die dort vorkommen, Förster, Fränge und Brocki, könnte man aus meinem vorherigen Roman „Förster, mein Förster“ kennen. Da sind die drei um die 50. In „Kein Wunder“ sind die in ihren 20ern. Die Geschichte spielt zwischen Mai und November 1989. Das Buch ist aus der Sicht von Förster geschrieben. Fränge, der Kumpel von Förster und Brocki, lebt in Berlin. Alle drei kommen ursprünglich aus Bochum.
Fränge hat in Berlin zwei Freundinnen, eine im Osten, eine im Westen. Deshalb ist er nicht ganz so scharf auf den Mauerfall. Als Förster und Brocki mit Fränge in den Osten fahren, verguckt sich auch Förster ein bisschen in Rosa, die dortige Freundin von Fränge und es kommt zu Verwicklungen mit Fränges Westfreundin. Das ist als Komödie angelegt, mit sehr vielen komischen Dialogen. Es geht aber auch darum, über die Zeit, über die Menschen im Osten zu schreiben. Natürlich habe ich das auch Leuten aus dem Osten vorab zum Lesen gegeben – etwa dem Berliner Schriftsteller Jakob Hein, dem Sohn von Christoph Hein, dem großen DDR-Schriftsteller. Er hat nach der Lektüre des Manuskripts gesagt, er kenne kein besseres Buch eines Wessis über den Osten. Das hat mich ein bisschen stolz gemacht.
Große Teile des Buches spielen auch in Bochum.
Goosen: Ja, es geht darum, auch die dortigen Entwicklungen in den 90er Jahren darzustellen. Eine Zeit, in der Kohle und Stahl schon lange auf dem absteigenden Ast waren. Da ist eine Generation nachgewachsen, die in Kneipen geht, die Theater macht. In Westberlin ist 1989 vor der Wende die Zeit eigentlich so ein bisschen stehengeblieben. Dort schmort alles im eigenen Saft so vor sich hin. Im Ruhrgebiet ist in dieser Zeit so viel Neues entstanden, da hat sich schon so viel verändert. Die Situation im damaligen Berlin und in Bochum aufeinander zu beziehen, das war das Reizvolle an dem Buch. Mir ist die Perspektive von Förster wichtig, der unvoreingenommen und neugierig an das Leben im Osten vor dem Mauerfall herangeht.
Hier gibt es Karten
Die Lesung „Kein Wunder“ von Frank Goosen in der Werkstadt (Mannesmannstr. 6.) beginnt am Mittwoch, 6. November, um 20 Uhr. Karten kosten 16,50 Euro (zzgl. VVK-Gebühren) und sind montags bis freitags von 10 bis 17 Uhr in der Werkstadt zu bekommen.
Natürlich gibt es die Karten auch an allen anderen bekannten Vorverkaufsstellen wie etwa beim Tourist & Ticket-Service (Marktstr. 7). An der Abendkasse der Werkstadt kosten die Karten dann 20 Euro.
Solch eine Haltung hätte vielen von uns Wessis gutgetan. Fränge und Brocki haben ihr Urteil schon gefällt: Für den einen ist die DDR das Reich des Bösen, für Fränge ist es ein Abenteuerspielplatz. Also beide nehmen die Leute nicht ganz ernst.
Den Mauerfall in Bochum auf dem Sofa verpasst
Wo waren Sie eigentlich am 9. November 1989, am Tag des Mauerfalls?
Goosen: Ich war zuhause in Bochum. Ich habe an dem Abend des Mauerfalls gar nichts mitbekommen, weil ich mir einen schönen Videoabend alleine zuhause auf dem Sofa gemacht habe. Ich habe erst am nächsten Morgen im Radio gehört, dass was passiert und um 7.30 Uhr den Fernseher eingeschaltet und erst dann die tanzenden Leute auf der Mauer gesehen.
Wann und wo schreiben Sie eigentlich Ihre Bücher?
Goosen: Meistens schreibe ich zuhause in meinem Arbeitszimmer und manchmal auch im Hotel oder im Zug. Sehr intensiv ist die Zeit von Januar bis Mitte Februar. Da trete ich nicht auf, da kann ich sehr konzentriert schreiben.
Wie gut kennen Sie den Osten, haben Sie da viele Auftritte, machen Sie dort Urlaub?
Goosen: Ich habe gerade in Rostock aus meinem Buch „Kein Wunder“ gelesen. Aber im Osten mache ich relativ wenig. Ich werde dort sehr als westdeutscher Autor wahrgenommen, der über westdeutsche Kindheit und Jugend schreibt. Ich habe auch noch keinen Urlaub in Mecklenburg-Vorpommern gemacht, was in erster Linie daran liegt, dass wir jahrelang Ferien bei meiner Schwiegermutter in Oberbayern gemacht haben.
„Natürlich gab es für die Menschen in der DDR ein Leben vorher“
Ist die deutsche Einheit in den Köpfen vieler Menschen noch nicht angekommen?
Goosen: Nun ja, die DDR wollen ja auch nur wenige zurück. Ein ostdeutscher Bürgerrechtler hat mal den schönen Satz gesagt: „Es will niemand in die DDR zurück, es will aber auch niemand ohne Vergangenheit leben.“ Das ist ganz entscheidend an der Sache. Was viele aus dem Osten zu recht verärgert, ist, dass man so tut, als wäre das dortige Leben vor dem 9. November 1989 nichts wert gewesen. Natürlich gab es für die Menschen in der DDR ein Leben vorher – unter den bekannten Einschränkungen. Das Hauptproblem ist wohl, dass sich Ostdeutsche oft nicht ernst genommen fühlen. Der Westen hat den Osten leider zuallererst als Absatzmarkt gesehen und der Osten ist dem Geltungsbereich des Grundgesetzes beigetreten. Das hat sich für viele im Osten verständlicherweise als nicht zufriedenstellend herausgestellt. Es gab keine Verfassungsdiskussion, obwohl klar war, dass das Grundgesetz der BRD nur ein Provisorium bis zur politischen Einheit mit der DDR sein sollte.
Sie sind nie aus Bochum weggekommen, leben dort mit Ihrer Familie. Gab es Zeiten, in denen Sie sagten, ach, vielleicht ziehe ich noch mal woanders hin?
Goosen: Beruflich hat sich das nie ergeben. Als ich in den 90ern anfing, viel auf Tour zu sein, hatte ich mal überlegt, noch ein Zimmer in Berlin anzumieten, aber daraus ist dann doch nie was geworden. Dass ich aus Bochum nie herausgekommen bin, verrät mehr über mich als über Bochum.