Witten. Zum Start der Frankfurter Buchmesse empfehlen Wittener Buchhändler Lesenswertes aus Norwegen – dem Gastland der Buchmesse.
Von Mittwoch (16.10.) bis Sonntag (20.10.) ist Frankfurt/Main wieder die Welthauptstadt des Buches. Ehrengast der diesjährigen Buchmesse ist Norwegen. Ein Land großer Literatur: von Klassikern wie Henrik Ibsen und Knut Hamsun bis zu aktuellen Bestsellerautoren wie Karl Ove Knausgård und Jo Nesbø. Wittener Buchhändler geben Tipps, welche Titel von norwegischen, aber auch von anderen Autoren es sich zu lesen lohnt.
Gudrun Gronau, Buchhändlerin in Stockum, muss da nicht lange nachdenken. Ihre erste Empfehlung: „Choral am Ende der Reise“, ein Roman von Erik Fosnes Hansen. Eine Geschichte, die am 10. April 1912 beginnt. An diesem Tag gehen in Southampton sieben Musiker an Bord der Titanic, die auf ihrer Jungfernfahrt über 2000 Menschen nach New York bringen soll. Die Musiker sind für die musikalische Unterhaltung an Bord zuständig. Gronau: „Erik Fosnes Hansen, der in Oslo lebt, hat fünf Jahre für diesen Roman recherchiert. Die Biografien der Musiker sind fiktiv. Alle sehen ihre Reise als Chance, persönlich ein neues Leben beginnen zu können.“ Der Leser, der gedanklich mit an Bord ist, wisse natürlich um das tragische Ende dieser Reise. „Deshalb wird keiner der Musiker seine Hoffnungen erfüllen können.“ (Verlag Kiepenheuer & Witsch, 507 Seiten, 12 Euro)
Buch kann Lust auf einen Besuch der Kunstsammlung NRW machen
„So viel Sehnsucht auf so kleiner Fläche“ heißt der Titel des zweiten Buchtipps von Gudrun Gronau. Der Autor ist der Norweger Karl Ove Knausgård. Sein Thema: Wie wurde der norwegische Maler Edvard Munch (1863-1944) zu einem der berühmtesten Künstler der Welt? „Munchs Bild ,Der Schrei’ ist weltbekannt, dass er über 1700 Bilder schuf, insgesamt sogar über 20.000 Kunstwerke, das weiß kaum jemand“, sagt Gronau. Knausgård fuhr zu Orten, an denen Munch gelebt hat. Und er ging der Frage nach: Was ist Kunst und wozu brauchen wir sie eigentlich? Gronaus Urteil: „Ein sehr schönes Buch, nicht nur für Kunstliebhaber!“ (Luchterhand Verlag, 275 Seiten, 24 Euro)
Außerdem könnte die Lektüre Lust machen auf einen Besuch der Kunstsammlung NRW in Düsseldorf. Bis zum 1. März 2020 sind dort 140 Gemälde, Druckgrafiken und Skulpturen des Malers Edvard Munch zu sehen. Ausgewählt hat sie Buchautor Karl Ove Knausgård. Die Ausstellung „Edvard Munch gesehen von Karl Ove Knausgård“ wurde am vergangenen Freitag vom norwegischen Kronprinzenpaar, Kronprinz Haakon und Kronprinzessin Mette-Marit, in der Landeshauptstadt eröffnet.
„Das Thema Heimat spielt eine große Rolle“
Dr. Sabine Wirths-Hohagen, Chefin der Buchhandlung Lehmkul, empfiehlt das Buch „Heimatland und andere Geschichten aus Norwegen“. Norwegens Kronprinzessin hat dieses zusammen mit dem norwegischen Autor Geir Gulliksen herausgegeben. Zwölf literarische Stimmen aus Norwegen kommen im Buch mit persönlichen Geschichten zu Wort, so Wirths-Hohagen. Darunter so prominente Autoren-Namen wie Karl Ove Knausgård, Siri Hustvedt und Tomas Espedal. Etwas Besonderes: In einem 30-seitigen Vorwort tauschen sich Kronprinzessin Mette-Marit und Geir Gulliksen über die norwegische Mentalität, Gesellschaft und Literatur aus. Wirths-Hohagen: „Das Thema Heimat spielt eine große Rolle. Die Autoren fragen sich, was ist das Norwegische?“ (Verlag Luchterhand, 328 Seiten, 20 Euro)
Der zweite Lesetipp der Buchhändlerin: Die bekannte norwegische Dreh-, Kinder- und Jugendbuchautorin Maja Lunde, die ihre Leser in die Zeit des Zweiten Weltkriegs entführt. Ihr Buch „Über die Grenze“ spielt 1942 in Norwegen – unter deutscher Besatzung. Die jüdischen Kinder Sarah und Daniel müssen über die Grenze nach Schweden, wo ihr Vater auf sie wartet. Die norwegischen Kinder Gerda und Otto werden zu ihren Fluchthelfern. „Die seelische Not der Kinder und die damalige Zeit werden unglaublich nachfühlbar geschildert“, so Wirths-Hohagen. Das Buch für Kinder ab neun Jahren sei auch eine empfehlenswerte Lektüre für Erwachsene, betont die Buchhändlerin. (Verlag Urachhaus, 192 Seiten, 16 Euro)
Ein Mörder, der alle zum Narren hält
Martin Meyer von der Mayerschen Buchhandlung ist ein Krimifan. Zum Start der Frankfurter Buchmesse legt er Bücherfans den schwedischen Schriftsteller Håkan Nesser ans Herz. In dessen Roman „Der Verein der Linkshänder“ geht es um einen Mörder, der alle zum Narren hält. Meyer: „Nessers Bücher sind in Schweden zum Teil Schullektüre.“ Die Opfer in diesem Buch haben eines gemeinsam. Sie sind Mitglieder des in den 50er Jahren gegründeten Vereins der Linkshänder. 1991 treffen sich die Vereinsgründer in einer schwedischen Pension. In der Nacht bricht ein Feuer aus. Es gibt vier Tote.
Martin Meyer: „Ein fünftes Clubmitglied ist verschwunden und steht im Verdacht, das Feuer gelegt zu haben.“ Nach Jahren taucht die Leiche des Mannes auf. „Da er schon 20 Jahre tot im Wald vergraben lag, kann er nicht der Brandstifter gewesen sein.“ Kommissar Van Veeteren, 75 Jahre alt, sieht, dass er falsch ermittelt hat und rollt den Fall wieder auf. „Ein sehr unblutiger, aber dicht geschriebener Roman.“ (Btb Verlag, 608 Seiten, 24 Euro)
Mit der ursprünglichen Harmonie ist es schnell vorbei
Meyers zweiter Tipp: Das Buch „Kintsugi“ der deutschen Schriftstellerin Miku Sophie Kühmel. Ein Roman, der für den Deutschen Buchpreis 2019 nominiert ist. Zum Inhalt: „Der Archäologe Max und der ruhelose Künstler Reik feiern ihre 20-jährige Beziehung mit Tonio und dessen Tochter Pega.“ Deswegen treffen sich alle an einem Wochenende in der Uckermark, in den Wäldern Brandenburgs, an einem ruhigen See. Doch mit der ursprünglichen Harmonie ist es schnell vorbei. Konflikte brechen auf. Martin Meyer: „In diesem literarischen Roman geht es um unerfüllte Liebe, Abhängigkeit und Eifersucht.“ (Verlag S. Fischer, 304 Seiten, 21 Euro)