Witten. Aaron aus Witten ist Teil von Extinction Rebellion und bei den Blockaden in Berlin dabei. Warum ziviler Ungehorsam für ihn der einzige Weg ist.
Nach der Räumung erstmal einen Kaffee trinken: Seit Montagfrüh hatte der Wittener Aaron mit anderen Aktivisten von Extinction Rebellion den Kreisverkehr an der Siegessäule in Berlin blockiert. Mittwochmittag schließlich räumte die Polizei den wichtigen Verkehrsknotenpunkt. Für den Wittener und seine Mitstreiter aber sicher kein Grund zum Aufgeben. Zuerst ein wenig regenerieren. „Heute abend geht‘s dann weiter“, schreibt er aus der Hauptstadt. Wo und was genau er dann machen wird, weiß er zu diesem Zeitpunkt noch nicht.
Seit Montag blockieren die Mitglieder des „Aufstands gegen das Aussterben“, wie die Bewegung übersetzt heißt, nicht nur Straßen in Berlin, sondern in vielen Metropolen weltweit. Sie wollen damit vor einer drohenden Klimakatastrophe warnen. Die Atmosphäre an den Blockade-Punkten beschreibt der Aktivist als gelassen. „Die Stimmung ist besser als das Wetter“, scherzt er. „Es wird viel gesungen und gefeiert.“
Für den Protest zwei Wochen Urlaub genommen
Um für seine Ideale zu kämpfen, hat sich Aaron zwei Wochen Urlaub genommen, ist mit seiner Freundin zusammen nach Berlin gereist, campierte zwei Nächte unter freiem Himmel – und hätte das auch noch länger getan, wäre der Große Stern in Berlin nicht geräumt worden. „Ich kann es für mich selbst einfach moralisch nicht vertreten, nichts zu tun.“
Etwa zehn Aktivisten aus Witten seien angereist, schätzt er. Seit November 2018 ist er Teil der Bewegung, die sich im Monat zuvor in London gegründet hatte. Zufällig sei er bei Facebook auf ein erstes Treffen in Köln aufmerksam geworden – und war dann schnell überzeugt von der Bewegung und ihrer Strategie. Extinction Rebellion stemmt sich gegen das durch den Klimawandel verursachte massenhafte Aussterben von Tieren und Pflanzen und ein befürchtetes Aussterben der Menschheit, fordert unter anderem, die vom Menschen verursachten Treibhausgas-Emissionen bis 2025 auf Netto-Null zu senken.
„Wir brauchen mehr Druck von der Straße“
„Mit herkömmlichen Methoden wie Demonstrationen oder Petitionen kommt man nicht weit, es passiert nichts oder viel zu wenig“, erklärt der junge Mann, warum er sich der oft als radikal angesehenen Gruppierung angeschlossen hat. „Und wenn die Politik nicht handelt, dann sehe ich mich in der Pflicht, aktiv zu werden.“
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Das am Mittwoch von der Bundesregierung verabschiedete Klimapaket und Klimaschutzgesetz ist für Aaron „ein Hohn“. „Wir brauchen offensichtlich noch mehr Druck von der Straße“. Für ihn und seine Mitstreiter haben ihre Aktionen daher auch ein offenes Ende. „Wir hören auf, wenn die Politik unsere Forderungen umsetzt“, sagt er.
Druck durch gewaltfreie Aktionen ausüben
Im Ruhrgebiet gibt es mittlerweile Ortsgruppen in Bochum, Duisburg, Essen, Mülheim und Dortmund. Die Aktivisten wollen durch gewaltfreie Aktionen Druck auf Entscheidungsträger ausüben.
Netto-Null bedeutet, dass alle durch Menschen verursachten Treibhausgas-Emissionen durch Reduktionsmaßnahmen wieder aus der Atmosphäre entfernt werden müssen (etwa durch Aufforstung), damit „unter dem Strich“ kein weiteres CO2 in die Atmosphäre gelangt. Damit wäre die Menschheit klimaneutral und die globale Temperatur würde sich stabilisieren.
Durch Straßenblockaden wollen die Aktivisten ein möglichst hohes Maß an Aufmerksamkeit erregen. „Klar ist es erstmal illegal, was wir tun, wenn man den rechtlichen Rahmen betrachtet“, räumt er ein. „Aber die Rahmenbedingungen machen es legitim.“ Ziviler Ungehorsam sei in der Geschichte schon oft als politisches Mittel eingesetzt worden, um tiefgreifende Veränderungen anzustoßen. „Gäbe es andere Möglichkeiten etwas zu bewirken, würden wir das tun. Wir übertreten Gesetze ja nicht aus Spaß oder Langeweile, sondern weil wir keine andere Option sehen.“