Thomas Middelhoff erlebte einen großen Absturz – vom Top-Manager zum Inhaftierten. Beim Stadtgottesdienst sprach er über seinen Wandel.

Witten . Natürlich kommt Thomas Middelhoff nicht an diesem düstersten Kapitel seiner Biografie vorbei. Als er beim Stadtgottesdienst „Himmelwärts“ auf der Saalbau-Bühne mit Matthias Kleiböhmer von der Creativ Kirche spricht, geht es auch um den 14. November 2014. An diesem Tag sitzt der damalige Vorstandsvorsitzende der Arcandor AG im Landgericht Essen auf der Anklagebank. Untreue in 27 Fällen und Steuerhinterziehung in drei Fällen wurden ihm zu Last gelegt. Nach dem Urteil geht alles schnell. Noch aus dem Gerichtssaal wird Middelhoff in die Justizvollzugsanstalt abgeführt. Im Wittener Stadtgottesdienst der Creativen Kirche geht es um das Thema „Scheitern als Chance“. Dazu hat Middelhoff, der ehemalige Top-Manager, viel zu sagen.

„Wenn man in der Zelle ist und dann die Tür zufällt, weiß man, dass nichts zu machen ist“, erinnert er sich an seine Zeit in Haft. Middelhoff, der einmal zu den wichtigsten deutschen Managern gehörte und darum „Big T“ genannt wurde, war wegen Untreue zu drei Jahren Gefängnis verurteilt worden. Nach der Verbüßung von zwei Dritteln seiner Strafe wurde er im November 2017 vorzeitig aus der Haft entlassen.

„Wir werden sehen, ob er vom Paulus zum Saulus geworden ist“

Für ihn begann nun eine Zeit der Läuterung, wie Middelhoff es beschreibt. „Die meisten haben sich gefragt, ob er das ernst meint“, gesteht Matthias Kleiböhmer. Beim Stadtgottesdienst sind viele Gläubige im Saalbau. Über den prominenten Gast äußern sie sich im Vorfeld skeptisch. Horst Simons aus Schwerte ist gespannt, wie sich Middelhoff präsentieren wird. „Ich gehe davon aus, dass er ein geständliches Zeugnis ablegen wird“, hofft der 70-Jährige. „Wir werden sehen, ob er vom Saulus zum Paulus geworden ist.“

Geschichtenerzähler beim Wintergottesdienst

Mit dem Herbst beginnt bei der Creativen Kirche in Witten die Winterkirche Himmelwärts. Der Gottesdienst findet bis März 2020 an jedem ersten Sonntag im Monat ab 18 Uhr im Saalbau statt. Der Gast für den nächsten Termin am 3. November steht bereits fest: Es ist der Geschichtenerzähler und Animateur Jojo Zwingelberg.

Ähnlich sehen es Beate und Michael. Das Wittener Ehepaar besucht häufig den Gottesdienst der Creativen Kirche. Der Ehemann weiß noch nicht ganz, was er von Thomas Middelhoffs Wandel halten soll. „Das wäre ja eine Drehung um 180 Grad. Aus heutiger Sicht ist das schwer vorstellbar“, meint der 60-Jährige. Seine Frau ist optimistischer: „Für mich ist es interessant, ob er zum christlichen Glauben gefunden hat.“

Middelhoff: „Es ist eine Todsünde, wenn man sein Leben so wegwirft“

Thomas Middelhoff hat ein Buch geschrieben. Titel: „Schuldig – Vom Scheitern und Wiederaufstehen“. Es wird auch im Wittener Saalbau-Foyer angeboten. Im Buch berichtet der Autor über seinen rasanten Sturz – aus der Vorstandsetage in den Knast. Von seinem alten Leben hat sich „Big T“ verabschiedet. Zu turbulent, zu dekadent und arrogant sei dieser Stil gewesen: „Es ist eine Todsünde, wenn man sein Leben so wegwirft.“ Einen Einschnitt markierte für ihn die Arbeit bei der diakonischen Stiftung Bethel. Dort pflegte er Menschen mit Behinderung. „Das war für mich eine Selbsterkenntnis, was für ein Mensch ich vorher war. Dieser Kontakt hat mich unmittelbar verändert.“

Aus dem „Global Player“ wurde eine Aushilfskraft. Der Glaube wurde dem gebürtigen Düsseldorfer wichtiger als das Geld, sagt er. Maßlos erscheint ihm sein turbokapitalistisches Jetset-Leben im Nachhinein: „Ich bin an mir selbst gescheitert und Gott hat mir eine Chance gegeben, mein Leben neu anzufangen.“ Ob der Ex-Manager das ernst meint? Zumindest singt und betet er nach dem Gespräch in den Reihen der Creativen Kirche.