Witten. Für Familie Uerpmann aus Witten fällt der Herbsturlaub wegen der Thomas-Cook-Pleite aus – und damit die ersten Ferien nach überstandener Chemo.
Es hätte so schön werden können. Zehn Tage im All-Inclusive-Resort auf Mallorca hatte Familie Uerpmann für die Herbstferien gebucht. Sonne, Meer und vor allem ganz viel Entspannung für Mutter Susanne und ihre beiden Töchter. Diesen Urlaub hatte die Familie herbeigesehnt. Denn die 14-jährige Leonie kämpft seit Mitte 2017 gegen Leukämie. Wegen der Pleite des Reiseveranstalters Thomas Cook fällt der Ausflug in die Sonne für die Uerpmanns nun aber aus.
„Es war das erste Mal seit der Diagnose, dass wir uns das wieder getraut haben“, sagt Susanne Uerpmann. Gemeint ist eine Flugreise. Am Abend des letzten Schultages sollte es mit Bucher Reisen, einem Tochterunternehmen der deutschen Thomas Cook, auf die Baleareninsel gehen. Bislang wagte sich die Familie höchstens ins benachbarte Holland – wegen der abschätzbaren Entfernung zur Uniklinik in Essen, an der Leonie behandelt wird. „Wir mussten ja mit jedem Fieber oder Schnupfen dorthin“, so die Mutter.
An einen gemeinsamen Urlaub war bisher für die Wittener Familie nicht zu denken
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In der vorausgegangenen Zeit war an Urlaub nicht zu denken. Nach der Diagnose Leukämie im Mai 2017 folgten neun Monate intensiver Chemotherapie. Nur an Weihnachten durfte Leonie für ein paar Stunden nach Hause. Susanne Uerpmann gab ihren Beruf als Erzieherin auf. Im Anschluss ging die Chemotherapie in verringertem Umfang weiter. Ihre Tochter konnte im Laufe des vergangenen Jahres wieder die Schule besuchen – wenn auch zuerst nur für wenige Stunden. Eine Klasse wiederholen musste die Schülerin des Schiller-Gymnasiums aber nicht. „Und ich konnte auch meinen Notenschnitt halten“, sagt die 14-Jährige merklich stolz.
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Trotzdem war auch im letzten Jahr an einen gemeinsamen Urlaub (noch) nicht zu denken. Schwester Mia (11) verbrachte die Sommerferien bei und mit Freunden und Nachbarn. Seit vier Monaten nun ist die Chemotherapie beendet. Leonie gilt als geheilt. Sie muss nur noch alle vier Wochen zur Kontrolle in die Spezialklinik. Und zweimal in der Woche zur Physiotherapie, um die Folgen der aggressiven Therapie abzumildern.
Nach überstandener Krankheit „wollten wir es jetzt mal krachen lassen“
„Nach dem ganzen Mist hatten wir uns wirklich auf Erholung gefreut“, sagt Susanne Uerpmann. „Wir haben gesagt, jetzt lassen wir es mal krachen.“ Als dann bekannt wurde, dass der Veranstalter alle Reisen bis zum 31. Oktober streicht, war die Enttäuschung riesig. Mehrere Taschentuch-Packungen hätten dran glauben müssen. „Man versteht einfach nicht, wie so etwas überhaupt passieren kann“, sagt Leonie.
Reisepreis wird nicht vollständig erstattet
Pauschalurlauber wie die Uerpmanns, die ihre mit Thomas Cook gebuchte Reise nicht antreten können, werden ihren Reisepreis nicht vollständig erstattet bekommen. Die Versicherung Zurich Deutschland hatte die Reisen mit der deutschen Thomas Cook bis zu 110 Millionen Euro versichert. „Sie können davon ausgehen, dass dies bei weitem nicht reicht“, sagte Zurich-Sprecher Bernd Engelien am Dienstag. Zur Zahl der Kunden, die vom Reisestopp bis 31. Oktober betroffen sind, macht Thomas Cook keine Angaben.
Das Wittener Reisebüro Gerd Wedhorn in der Bahnhofstraße berichtet indes von „relativ gefassten Kunden“. Einige hätten Glück gehabt, da sie mit Kreditkarte bezahlt hatten und der Reiseveranstalter den Preis noch gar nicht abgezogen hatte. Etwa die Hälfte der betroffenen Kunden würden eine alternative Reise buchen, sagt Kundenberaterin Petra Backhaus.
Auch die Kunden des TUI-Reisecenter Rainer Gassen hatten Glück im Unglück. Hier hätten viele Wittener so spontan ihren Herbsturlaub gebucht, dass bei ihnen der Reisepreis vor der Insolvenz noch nicht abgebucht worden war. Alle diese Kunden hätten eine Alternativreise gebucht, heißt es in dem Reisecenter.
Ob und wann Familie Uerpmann zumindest ihr Geld für den ausgefallenen Herbsturlaub wiederbekommt, ist ungewiss. Mutter Susanne hat bereits beim Dienstleister Kaera, der mit der Abwicklung der Ansprüche von Thomas-Cook-Kunden betraut ist, Schadensersatz geltend gemacht. „Es ist schon bitter genug, dass man auf den Urlaub verzichten muss. Man bucht eine Pauschalreise und denkt, man ist auf der sicheren Seite.“ Was die Erzieherin besonders ärgert: „Condor wird sofort unterstützt, aber der ‘kleine Mann’ bleibt auf seinen Kosten sitzen.“
Im Sommer hatte sich die Familie das erste Mal gemeinsam nach Nordholland gewagt – und erwischte zwei verregnete Wochen. „Da habe ich immer zu den Mädchen gesagt ‘Das ist nicht schlimm, wir bekommen ja im Herbst noch Sonne’“, erinnert sich Susanne Uerpmann. Ein Versprechen, das sie nun nicht einlösen kann.