Witten. Mit dem Rad fahren Rudolf-Steiner-Schüler von Witten nach Berlin. Nur die fittesten wurden ausgewählt. Warum die Jugendlichen das auf sich nehmen.
Waldorfschüler aus Witten, Bochum-Langendreer und Dortmund fahren gemeinsam mit dem Fahrrad nach Berlin. Weil vor 100 Jahren die erste Waldorfschule in Deutschland eröffnet wurde, sind sie Teil eines deutschlandweiten Staffellaufes.
Zunächst musste aber eine Gruppe Läufer aus Remscheid den Staffelstab an die Fahrrad-Gruppe übergeben. Pünktlich um 13 Uhr am Mittwoch wurden sie am Eingang der Rudolf-Steiner-Schule jubelnd in Empfang genommen. Die 20 Radler haben jetzt 650 Kilometer Strecke vor sich, bis sie den Stab feierlich in Berlin übergeben können. Sie nehmen damit an der Aktion „Waldorf100 - Learn to change the World“ teil. Passend zum Jubiläumsjahr sind sechs große Staffelläufe durch ganz Deutschland gestartet.
Nur die fittesten Schüler fahren nach Berlin
Mitfahren durften nur ausgewählte Schüler und das hatte einen Grund: Sie mussten sportlich genug sein, um die Strecke auf dem Fahrrad meistern zu können und einen starken Willen vorweisen. Wer mitwollte, musste sich deshalb vorab schriftlich bei Lehrerin Grit van Aals bewerben. Jeder Einzelne musste erklären, warum gerade er mitfahren sollte und wie er das Team unterstützen könne.
„Drei Bewerber musste ich leider ablehnen. Die anderen haben es allerdings geschafft“, verrät Grit van Aals. Aus Witten fahren acht, aus Dortmund sechs und aus Bochum fünf Schüler mit. Ein Schüler aus Remscheid kam spontan dazu. Gemeinsam haben die Jugendlichen dann untereinander Aufgaben verteilt. „Eine Gruppe wird für uns kochen, eine andere repariert die Fahrräder und wieder andere brennen bei jedem Halt das Logo der Schulen in den Staffelstab ein“, sagte die Lehrerin stolz. Letzteres soll ziemlich aufwändig sein.
Grit van Aals motiviert ihre Schüler regelmäßig zu sportlichen Hochleistungen. In den letzten Winterferien ist sie beispielsweise mit einer Schülergruppe durch Norwegen gewandert. „Es macht einfach Spaß, bei ihren Fahrten dabei zu sein”, erzählte Jón Haase. Der Sechzehnjährige hatte es durch die Vorauswahl geschafft und darf mit nach Berlin fahren. Zur Vorbereitung ist Jón bereits mit seinem besten Freund einen Teil des Dortmund-Ems-Kanal-Radwegs gefahren. Ob diese Vorbereitung in den Sommerferien gereicht hat, wird sich in den nächsten Tagen zeigen.
Als Belohnung lockt der Jubiläums-Festakt
Natürlich wollen die Schüler gemeinsam ins Ziel radeln. Dafür müsste jeder von ihnen täglich etwa 100 Kilometer Strecke meistern. Lehrerin Grit van Aals weiß, wie hart die Tour an ihren Kräften zehren wird. „Es kann sein, dass wir am Ende als deutlich kleinere Gruppe ankommen”, sagt die Pädagogin. Abends können die Schüler sich nicht immer ausruhen, denn sie kommen bei anderen Waldorfschulen unter – und diese haben oft ein buntes Programm zusammengestellt. „Wenn alles klappt, schließen sich vielleicht auch noch spontan Schüler aus den anderen Städten unserer Reise an”, hofft Grit van Aals.
Deutschlandweit 245 Waldorfschulen
Die erste Waldorfschule wurde 1919 in Stuttgart gegründet. Die deutschen Waldorfschulen sind staatlich genehmigt oder anerkannte Ersatzschulen in freier Trägerschaft. Bis 2019 gibt es 245 Waldorf- oder Rudolf-Steiner-Schulen, weltweit sind es mehr als 1.100.
Die Wittener Rudolf-Steiner-Schule wurde 1977 gegründet, die Blote-Vogel-Schule in Annen gibt es seit 1986.
Am kommenden Donnerstag (19.9.) treffen die Wittener dann beim Jubiläums-Festakt im Berliner Tempodrom auf Waldorfschüler aus der ganzen Welt. Auf der Bühne soll auch der letzte Staffelstab das Ziel erreichen und feierlich übergeben werden. Die Fahrer aus dem Ruhrgebiet werden zum Abschluss ihrer Reise auf der großen Bühne stehen und etwas vortragen. Was genau, steht noch in den Sternen. „Unsere Gruppe ist kreativ”, sagt Grit van Aals. „Der Weg wird uns zusammenschweißen und gemeinsam meistern wir dann den Auftritt.”