Witten. Ist Witten für Klimakatastrophen wie Dürre oder Starkregen gerüstet? Die Annenstraße etwa war am Samstag überflutet – trotz neuen Kanalsystems.
Erst die Dürre, dann der kurze, aber heftige Starkregen. Solche Wetterphänomene wie am Samstag (27.7.) sind vermutlich auch dem Klimawandel geschuldet. Ist Witten für solche Wetterlagen gerüstet? Die Senke an der Ecke Annenstraße/Schleiermacherstraße unter der Brücke des Rheinischen Esels hat gezeigt: eher nicht. Denn die Stelle war genauso überflutet wie zu Zeiten, als die Straße noch nicht erneuert worden war. Dabei sollte eine Verbreiterung des dortigen Regenwasserkanals von 1,20 Meter auf 1,80 Meter Durchmesser „Land unter“ eigentlich verhindern.
„Dieser Kanal ist für Regenereignisse ausgelegt, wie sie normalerweise alle fünf Jahre vorkommen“, sagt Stadtsprecherin Lena Kücük. „Das Ereignis am Wochenende hatte aber die Dimension eines Starkregens, wie er alle 20 Jahre vorkommt – mit circa 30 Litern Niederschlag pro Stunde.“ Solche Wassermengen könne auch ein neuer Kanal nicht bewältigen.
Freiflächen als Ausweichfläche für Wassermassen nutzen
Im März 2016 war die Annenstraße nach jahrelanger Sanierung fertiggestellt. Im Untergrund liegen Rohre, die der aktuellen Norm entsprechen. Das Unwetter von Samstag hat aber gezeigt: „Die Werte, die für die Kanalisationsplanung zugrunde gelegt werden, werden sich immer wieder verschieben“, so Kücük.
„Die Wetterverhältnisse werden sich so verändern, dass sie in Extreme umschlagen“, meint auch Stadtplaner Dieter Weritz, der auch fürs Thema Klima zuständig ist. Die Stadt müsse gegen solche Phänomene widerstandsfähiger werden, unter anderem dort, wo sich viel Asphalt befinde und wo Freiflächen sind, die unter die Lupe genommen werden müssten, um sie bei Überschwemmungen als Ausweichfläche für die Wassermassen zu nutzen. „Da wird es allerdings Konkurrenz geben, weil solche Flächen auch für die Wohnbebauung genutzt werden könnten“, weiß Weritz.
Der Strom könnte flächendeckend ausfallen
Solche Probleme werden in einem Klimafolgen-Anpassungskonzept zu untersuchen sein. Entsprechende Fördergelder für eine solche Studie wurden bereist beantragt. „Da ist es sinnvoll, auch die Bürger bei der Erstellung eines Konzeptes mit einzubeziehen“, so der Experte.
Wie Witten sein Wasser entsorgt
Das Wittener Kanalnetz ist 382 km lang: Mischwasser 279 km, Schmutzwasser 66 km, Regenwasser 37 km. Etwa ein Drittel des Stadtgebietes (hauptsächlich Stockum und Rüdinghausen) wird in Richtung Dortmund (Emschergenossenschaft) entwässert, zwei Drittel werden in Richtung Bochum (Ruhrverband) entwässert. Die Grenze ist der Erlenweg (Annen).
Dieter Weritz sieht noch viel bedrohlichere Situationen bei Wetterextremen. „Beispielsweise könnte flächendeckend der Strom ausfallen. Dann müssten viele ältere Leute von den Seniorenheimen in die Krankenhäuser gebracht werden.“ Autos würde das Benzin ausgehen, weil Tankstellen ohne Strom nicht funktionieren. „Und auch manches Handy-System würde in die Knie gehen“, meint Weritz. Auch solche Fälle müssten im Klimafolgen-Anpassungskonzept berücksichtigt werden.
Viele Gullys waren mit Blättern verstopft
Angesichts der Überschwemmungen an der Annenstraße und unter der Eisenbahnbrücke an der Bochumer Straße möchte die Wittener CDU von der Bürgermeisterin wissen, wieso an diesen Stellen derartige Überschwemmungen entstehen konnten und welche Entwässerungssysteme dort jeweils vorhanden sind. Außerdem möchten die Christdemokraten wissen, welche Maßnahmen geplant sind.
Es gibt auch eine einfache Erklärung für viele Überschwemmungen auf Wittens Straßen: Viele Gullys waren mit Blättern verstopft. Feuerwehrchef Mario Rosenkranz führt dies auf die Trockenheit zurück. „Das Wasser konnte nicht abfließen.“ Außerdem sei noch der Schmutz von den Straßen hinzugekommen, „der mit einem Mal in die Gullys gespült wurde“. Feuerwehrleute hätten die sogenannten Fangkörbe in den Gullys geleert. Das Wasser sei dann auch recht zügig abgeflossen.
Immer Tauchpumpen und Kettensägen im Feuerwehrwagen
Der heftige Regenguss hat die Feuerwehr massiv gefordert. 120 Männer waren im Einsatz. Eine besondere Vorkehrung trifft die Feuerwehr für solche Fälle nicht. Rosenkranz: „Wir müssen immer auf so etwas gefasst sein. Deshalb haben wir auch immer Tauchpumpen und Kettensägen im Wagen.“ Auch der Feuerwehrchef glaubt, dass solche Vorfälle wie am Samstag in der Zukunft zum Alltag gehören werden.