Witten. Kneipengänger hatten in Bommern in früheren Zeiten die Qual der Wahl. Historiker Klaus Wiegand schreibt ein Buch über die ehemaligen Gaststätten.
Wer weiß das heute noch? In Bommern hatte, wer in eine Gaststätte einkehren wollte, früher die Qual der Wahl. „Rund 35 Gasthäuser gab es hier bis vor dem Zweiten Weltkrieg“, sagt Klaus Wiegand, Bommeraner, Historiker, Geograf und SPD-Ratsherr. Über den Aufstieg und den Niedergang der Lokale in seinem Stadtteil schreibt er gerade ein Buch. Darin kommt auch Wolfgang Prust vor. Der letzte deutsche Wirt – im klassischen Sinne –, der in Bommern noch hinter dem eigenen Tresen steht.
Seit 30 Jahren führt Prust in der Straße Auf dem Brenschen das „Haus Schulze“. Heute ist es eine Kneipe. Speisen anzubieten, das lohne sich für ihn nicht mehr, sagt der Gastwirt. Bis vor zehn Jahren haben 40 Clubs bei Wolfgang Prust gekegelt. „Heute kommen nur noch vier regelmäßig vorbei“, erzählt der 75-Jährige. Auf die älteren Kegelbrüder und -schwestern, die früher zu seinen Stammgästen zählten, folgte kein Nachwuchs. „Junge Leute, die kegeln wollen, entscheiden sich dazu heute spontan und möchten das manchmal auch erst ab 23 Uhr tun.“ Für den Wirt keine berechenbare Größe, der heute in seinem Lokal deswegen nur noch Getränke anbietet.
Gäste konnten sich auf „gepflegtes Bier und 1a Kaffee mit Bauernstuten“ freuen
Prusts Haus hat eine lange Tradition. Anfang des 20. Jahrhunderts erbaut, fand man hier früher das Garten-Restaurant „Zum Bahnhof“ von Wilhelm Schulze. Die Gaststätte lag verkehrsgünstig, direkt am damaligen Bommeraner Bahnhof. Gäste konnten sich auf „gepflegtes Bier, reinen Wein und 1a Kaffee mit Bauernstuten“ freuen.
Für seine Beschreibung der Bommeraner Gaststätten-Kultur kann Klaus Wiegand auf historisches Bildmaterial des Heimat- und Geschichtsvereins Bommern zurückgreifen, dessen Vorsitzender der 76-Jährige ist. Auf das Kneipen-Thema kam der Kommunalpolitiker, als er für sein Buch über Bommerns Wirtschaftsgeschichte recherchierte, das 2015 erschien. „Gaststätten waren früher eine Männerwelt.“ Nach der Arbeit hätte man sich dort getroffen, gemeinsam Bier und Schnaps getrunken, wohl auch mal zwei oder drei. Wiegand: „Die Menschen hatten früher kleine Wohnungen, viele Kinder und die Kneipe war das, was man heute einen Kommunikationsort nennt.“ Ein Nachrichtenmarkt, auf dem es gesellig und feucht-fröhlich zuging.
Gaststätten lagen an den Hauptachsen des Ortsteils
Die Gaststätten befanden sich an den Hauptachsen, die durch Bommern führten – dem Bodenborn, der Elberfelder und der Alte Straße sowie an der Bommerholzer Straße. Da in Bommern der Bergbau in früheren Zeiten eine große Rolle spielte, hätten die Bergleute zur Hauptkundschaft der Wirte gehört.
„Aber auch die Männer, die die im Muttental abgebaute Kohle mit Fuhrwerken bis nach Elberfeld, beziehungsweise Barmen transportierten. Sowie die Fuhrleute, die die Lizenz für den Transport von Sprengstoff für die Zechen und Steinbrüche hatten.“
Schankwirtschaft hieß später „Zum Kriegerdenkmal“
Nicht zuletzt hätten sich die vielen früheren Vereine sowie die Freiwillige Feuerwehr gerne in Gaststätten getroffen. Eine von ihnen war die Gast- und Landwirtschaft Maßling, die man um 1910 an der damaligen Provinzialstraße fand, der heutigen Bommerholzer Straße. Klaus Wiegand: „Das Lokal war schräg gegenüber vom jetzigen Falkenhof. Das Haus steht noch.“
Von der „Schankwirtschaft“ Julius Zappe an der Elberfelder Straße zeigt Wiegand ein um 1900 entstandenes Bild. Einmal in ihrem Leben waren sicherlich auch die meisten Bommeraner zu Gast im Haus Wand. Das Gebäude an der Elberfelder Straße wurde nach jahrelangem Leerstand im Oktober 2014 abgerissen. Bauland für 21 Eigentumswohnungen, die ab September bezogen werden können und bis auf eine Wohnung auch schon alle verkauft sind.
Wirt Wolfgang Prust will noch 25 Jahre weitermachen
Das Kneipensterben hat in Bommern schon in den 1970er Jahren begonnen. Das Freizeitverhalten der Menschen habe sich geändert, sagt Wiegand. Das Kegeln, Tanzen oder das Skatspielen im Lokal sei zunehmend durch andere Freizeitaktivitäten ersetzt worden. „Auch viele Vereine waren längst aufgelöst oder existierten in den 90er Jahren nur noch auf dem Papier.“
Wolfgang Prust vom Haus Schulze will jedenfalls noch einige Zeit hinter seinem Tresen stehen. Augenzwinkernd sagt der 75-Jährige: „Ich denke noch so 25 Jahre.“ Dann wäre der Mann 100.