Witten. Begehrte Fotomotive: Die riesigen Skulpturen des afrikanischen Künstlers Raymond Chataira locken viele Besucher zum Schloss Steinhausen.
Vor einigen Tagen hat Künstler Raymond Chataira seine Koffer und Kisten gepackt und ist zurück in seine Heimat Zimbabwe geflogen. 90 Tage hat er in Witten gewirkt und auf Schloss Steinhausen einen Zoo aus Stahltieren zurückgelassen. Die riesigen Skulpturen sorgen für Aufmerksamkeit: An den Wochenenden pilgern viele Besucher ins Muttental, um sich mit den Schrottkolossen fotografieren zu lassen.
Von „Selfie-Tourismus“ möchte Bastian Müller-Mühlinghaus, Chef der dort ansässigen Galerie Shona-Art, nicht sprechen, aber dass es „regelrechte Happenings“ auf dem Parkplatz vorm Schloss gibt, bestätigt er. Bei näherer Betrachtung muss man sagen: zu Recht! Chatairas Skulpturen wirken ungewohnt, raffiniert gemacht, inmitten der Landschaft beeindruckend. Aus Schrottteilen hat Raymond Chataira ein Pferd, Giraffen, Elefanten, Stiere oder ein Nashorn zusammengeschweißt.
Woraus die Figuren genau bestehen, ergründet sich beim näheren Hinsehen: Radkappen, Schutzbleche, Bremsscheiben, Fahrradritzel, eine Kupplung, Werkzeuge oder Besteck. Manche Metall-Silhouette glänzt noch silbrig wie bei dem gerade erst fertiggestellten Pferd. Oder sie hat bereits eine rostige Patina angesetzt, wie bei einem knubbeligen Elefantenbullen.
Schrottteile aus Afrika mitgebracht
Galerist Bastian Müller-Mühlinghaus hatte die Arbeiten des Künstlers im Winter bei einer Zimbabwe-Reise entdeckt und ihn für einen Arbeitsaufenthalt in Witten eingeladen. In dem südafrikanischen Land ist Raymond Chataira bereits ein bekannter Künstler, seine Skulpturen stehen zum Beispiel an vielen Tankstellen. Im April reiste der Mittdreißiger an, zum ersten Mal entdeckte er Europa. Im Gepäck hatte er einige „kleinere“ Tierskulpturen, so groß, dass sie gerade eben in einen Überseecontainer passten. Und sortierte Schrottteile, denn wer weiß, ob es so etwas in einem Industrieland überhaupt gibt?
Wie häufig sieht man Witten auf Instagram?
Die „Instagramability“ bewertet, wie gut sich die Stadt in dem sozialen Netzwerk Instagram darstellt. Unter dem #Witten wurden auf Instagram 131.620 Fotos gepostet (in Bochum 796.864, und in Dortmund 3.263.840).
Beliebte Motive für Selfies sind der Kemnader Stausee und die Ruhr, städtische Parks und der Hohenstein. Auch zahlreiche Geschäfte präsentieren sich auf der Online-Plattform. Am beliebtesten sind Fitnessstudios, Cafés, Tattoo Studios und die Stadtgalerie. Die Shona-Tiere schafften es (noch) nicht in dieses Ranking.
In Witten machte er sich an die Arbeit – und ließ sich inspirieren. Der Künstler wanderte durchs Muttental und beobachtete Kühe und Pferde. Wie sehen Muskeln, wie die Körperspannung aus? Besucher konnten auf Steinhausen zusehen, wie die großen Tiere entstanden. Erst wurden die Umrisse mit einem Stock in den Schotter geritzt. Dann ein Gerüst aus Rundstahl gebogen und die Schrottteile nahtlos aneinandergeschweißt. Die Steinmetze, die ebenfalls auf Steinhausen arbeiten, halfen, die schweren Skulpturen aufzurichten. In das große Pferd investierte er drei Wochen Arbeit. Für 5800 Euro steht das Tier zum Verkauf.
Skulpturen sind bis zu 600 Kilo schwer
Das Interesse an Chatairas Werk ist groß. Mehrere Objekte haben die Galerie Shona-Art bereits verlassen. Zumeist stehen sie in Privatgärten. Zwei Giraffen kauften die Veranstalter des Afrika-Festivals in Berlin. Wie erreichen die bis zu 600 Kilo schweren Skulpturen ihre Käufer? „Die Logistik organisieren wir“, sagt Müller-Mühlinghaus. Manche Tiere – etwa die sieben Meter hohe Giraffe – seien zerlegbar.
Chataira will im nächsten Sommer wiederkommen: Bastian Müller-Mühlinghaus erfüllt ihm den Wunsch, die Schrottplätze des Ruhrgebiets zu besuchen. Ein Schlaraffenland! In Afrika werden Schrottteile hoch gehandelt, nichts wird einfach weggeschmissen: „Eine alte Autotür ist dort viel teurer“, sagt der 42-Jährige.
Nichts gegen die Fotos einzuwenden
Stört es den Galeristen denn nicht, dass so viele Leute die Kunst, die er verkaufen möchte, nur fotografieren? „Im Gegenteil, ich möchte doch, dass diese besondere Kunst den Menschen zugänglich ist.“ Gerade deswegen stünde der Zoo auf dem Parkplatz vor den Schlossmauern, der für viele Ausgangspunkt für Spaziergänge sei. „Ich finde es schön, dass Leute gezielt wegen der Kunst hierher kommen“, sagt der Bommeraner, der sich nach seinem Studium 2004 mit der Kunst des südafrikanischen Volkes Shona im Schlosshof selbstständig machte. Mit Blick auf Elefant und Giraffe vor den grünen Hügeln sagt er: „Wenn ich dieses Landschaftsbild sehe, geht mir das Herz auf.“