Witten. Schluss mit Schulsport! Diese Jungs stürmen auf unserem Rätselbild aus einer Turnhalle, die das Vereinsleben eines ganzen Dorfes prägte. Welches?
Man kann sie getrost als „legendär“ bezeichnen: die alte Turnhalle in Stockum, die auf dem Rätselbild zu sehen war und Anfang der 1980er Jahre abgerissen wurde. Sie stand am südlichen Ende des ehemaligen Sportplatzes, der inzwischen ebenfalls verschwunden ist. Dort steht heute der Edeka-Markt mit dazugehörigem Parkplatz.
Die Turnhalle war als reine Holzkonstruktion gebaut. Erster Spatenstich war im August 1928, fertiggestellt wurde sie im Jahr danach, gerade ein Jahr vor der Eingemeindung nach Witten. Die Turnhalle und der dazugehörige Sportplatz bildeten eine Einheit, die im Stockumer Dorfleben eine zentrale Rolle spielten. Neben dem normalen Sportbetrieb wurden dort auch die traditionellen Schulsportfeste abgehalten – mit Hoch- und Weitsprung sowie Laufen und Werfen. Anschließend wurden die Urkunden verteilt.
Hoch oben, unter dem Dach, wohnte der Hausmeister, der mit seiner Strenge für Ordnung und Disziplin bei den Schülern sorgte. Links im Bild ist direkt an der Wand ein Haufen Kohlen zu sehen: Das war der Koks für die Heizung und Heißwasseranlage, die darauf warten, hineingeschaufelt zu werden. Kalla Leuschner, einer der bekanntesten Stockumer Fußballspieler und später auch Hausmeister in der neuen Sporthalle, zur der alten Anlage: „Die hölzerne Turnhalle und die Umkleidekabinen mit ihrer Kohlenheizung und entsprechenden Duschen mögen heute vielleicht einen romantisch Eindruck machen, aber ein normaler Sportbetrieb mit den Gastmannschaften und Schiedsrichtern war kaum noch möglich“.
Foto entstand beim Schulsport
An die alte Turnhalle konnten sich viele unserer Leser erinnern, allerdings schickten einige auch falsche Lösungen. Und mancher hat sich auf dem Bild sogar wiedererkannt!
Etwa Wago Habbes: Als Junge nutzte er die Umkleideräume für Fußballspiele beim TuS Stockum: „Aber dieses Foto muss beim Schulsport entstanden sein“, stellt er fest. „Ob ich einer der Jung’s bin, die nach dem Sportunterricht Richtung altem Stockumer Aschenplatz laufen“, fragt sich Marcus Mühling. Als Stockumer, der seine Fußballjugend beim TuS verbracht hat, möchte er sich an dieser Stelle entschuldigen – bei den alten Brettern für die vielen Fehlschüsse während des Trainings.
Aus Dortmund meldet sich Regina Externbrink (geb. Schwarze), die das gesuchte Gebäude natürlich sofort erkannte: Schließlich waren ihre Eltern dort ab 1973 Hausmeister, die Familie lebte in dem Haus. „Ich habe dort sehr gerne gewohnt.“
Andere erinnern sich genau an sie. „Die Tochter des Platzwartes, Spitzname „Käfer“, war damals in unserer Clique“, so Udo Wilken. „Kurz bevor das Haus abgerissen wurde, hat sie dort eine Party gegeben.
Umkleiden dufteten nach Sonntagsschweiß
Rolf Herbrechter kann sich noch an viele Details erinnern: An Stelle der Turnhalle befinde sich heute die Lieferzufahrt des Edeka Hasler, direkt vor Kopf des alten Ascheplatzes. Diese Fläche sei je zur Hälfte zu einer Wiese und einem Käfigbolzplatz umgewidmet. An der Längsseite sei der Treppenaufgang zur Halle zu erkennen. An der Stirnseite befänden sich der Eingang zu den Umkleidekabinen, in denen sich die Fußballer der damaligen Mannschaft des TuS Stockum für ihre Spiele bis hoch in die Landesliga mit ihren Gegnern umzogen. „Hier waren unsere damaligen Helden Leuschner, Knorr, Schuhmann, Augustin und wie sie alle hießen, daheim und kämpften so manche Schlacht“, schreibt er. „Wenn wir uns am Montag danach zum Schulsport umziehen mussten, waren die Kabinen zwar gesäubert aber die alten Holzvertäfelungen „dufteten“ immer noch nachdem sonntäglich vergossenen Schweiß.“ Damit sein Vater in aller Ruhe die Spiele angucken konnte, bekam der junge Rolf ein kleines Budget für den Bratwürstchenstand, der auf der Wiese im Bild vorne links aufgebaut war.
Karoline Robbert hat seit ihrem fünften Lebensjahr, das war im Jahr 1952, ein Jahr vor der Einschulung in die Harkortschule, in dieser hölzernen Sporthalle geturnt: „Es war mir immer eine Freude und hat sehr viel Spaß gemacht.“ Im Erdgeschoss des Hauses hätten sich in früheren Zeiten die Räume für das Gesundheitswesen befunden: „Hier arbeitete viele Jahre die beliebte Schwester Martha Köker. Die Tochter von Lehrer Köker, war Gemeindeschwester und hat viel Gutes getan. Sie ist mehrfach von der Diakonie ausgezeichnet worden.“
Wann genau der Abriss der Turnhalle erfolgte, ist allerdings unklar. In den Unterlagen des Heimatvereins Stockum/Düren ist der Januar 1980 verzeichnet. Hausmeistertochter Regina Externbrink schwört, bis 1981 dort gelebt zu haben. Jugendfußballer Wago Habbes schreibt: „Ich habe noch ein altes Foto der E-Jugend des TuS Stockum gefunden. Dies ist nach Gewinn der Meisterschaft in 1983 entstanden. Wir haben uns immer noch dort umgezogen, während der neue Sportplatz zwar schon fertig war, die Umkleidekabinen aber noch im Bau.“
Dieter König, Geschäftsführer der Wittener Lebenshilfe, ist in Stockum aufgewachsen. „Ich habe beim TuS Stockum Fußball gespielt, ab dem neunten oder zehnten Lebensjahr. Lebensjahr und blieb dort bis ich 16 war“, erinnert sich König, der der Redaktion auch ein Bild aus damaligen Zeiten mitbrachte, das ihn als Zwölfjährigen mit seiner Mannschaft zeigt. „In der Halle haben wir uns umgezogen, die damals schon abrissreif war. Aber das hat niemanden gestört. Wir waren froh, Fußball spielen zu können“, so König, der Vereinsfußball spielte, bis er Ende 20 war.
Platzwart verkaufte Limonade
„Ich erinnere mich noch an Hallenwart Schwarze, wie er den Kokshaufen links im Bild für die Hallenheizung in den Keller geschaufelt hat. Er konnte aus seiner Wohnung durch eine kleine Luke direkt oben in die Turnhalle schauen und hat in den Pausen Limonade an die Sportler verkauft“, schreibt Thomas Bremer.
Er kennt die Historie des Gebäudes: Die Turnhalle haben die Stockumer Ende der zwanziger Jahre des letzten Jahrhunderts, unmittelbar vor der Eingemeindung vom Amt Langendreer nach Witten, „schwarz“, nämlich ohne Baugenehmigung in einer Nacht- und Nebelaktion gebaut. Grund war, dass die Stockumer den Inhalt der damals recht gut gefüllten Gemeindekasse nicht an die Wittener Stadtkasse übergeben wollten. Und so wurde vom letzten Geld noch schnell die Turnhalle gebaut. Diese Immobilie konnte die Stadt Witten den Stockumern nämlich nicht wegnehmen.
Einen ähnlichen Trick haben übrigens im Jahr 1975 die Herbeder auch versucht – er klappte aber nicht. Kurz vor der Eingemeindung hatte sich Herbede vom restlichen Geld der Stadtkasse noch schnell ein schönes rotes und leider viel zu großes Feuerwehrauto gekauft.
Das erkannte natürlich der damalige Wittener Stadtbrandmeister Heinrich Steinforth, dem nach der Eingemeindung auch die Herbeder Wehr unterstellt war, sofort und setzte das neue Feuerwehrauto unverzüglich nach Witten um. Dadurch ersparte er der Wittener Stadtkasse eine Neuanschaffung und das Herbeder Geld war weg.