Witten. Ein Bauer und ein Drohnenpilot spüren mit der Wärmebildkamera kleine Rehe in den Wiesen auf, bevor sie gemäht werden. 99 Kitze wurden gerettet.
Um die 100.000 Rehkitze, so die Deutsche Wildtier Stiftung, werden in Deutschland jedes Jahr von landwirtschaftlichen Maschinen verstümmelt oder getötet. Der Durchholzer Landwirt Florian Wolff konnte das nicht länger mit seinem Gewissen vereinbaren. Dass er Tiere unwissentlich mit seinem Mähtraktor überfährt, „ist regelmäßig vorgekommen“. Seit diesem Jahr geht er andere Wege: Er bucht den Drohnenpiloten Ulrich Brücher, der vor der Wiesenmahd mit einer Wärmebildkamera die Felder abfliegt. Allein 99 Rehkitze hat Brücher in den letzten Wochen retten können.
Den grünen Plastikkorb hat Florian Wolff griffbereit, außerdem weiße Metallstangen. Würde die Drohne eines der gut getarnten Rehkitze entdecken, stülpt er den Korb über das Tier und markiert die Stelle mit den Stangen. Er umfährt die Wiese, schiebt dann das Kitz samt Korb auf das bereits abgemähte Stück. Oder er nimmt mit ganz vielen Grasbüscheln das Kitz auf den Arm und trägt es an die Böschung. Ein frischgeborenes Reh anfassen, darf man nicht. Wenn die Ricke den fremden Geruch wittert, stößt sie ihr Kind ab.
Vor Kurzem Landwirtschaft des Opas übernommen
Florian Wolff (23) hat erst vor Kurzem die Landwirtschaft seines Opas in Durchholz und Vormholz übernommen. Hauptberuflich arbeitet er als Landmaschinenmechaniker bei der Wittener Firma Stefan Karger. Nebenberuflich mäht er nicht nur seine eigenen 33 Hektar Land, sondern auch die Äcker anderer Bauern. „Aber auch da buche ich Herrn Brücher vorher für den Drohnenflug.“ Im Ennepe-Ruhr-Kreis gebe es nur eine Handvoll Bauern, die auf die moderne Technologie setzen.
Dabei steigt auch bei uns die Zahl der durch Landmaschinen getöteten Wildtiere. Weil die Siloproduktion zunimmt, beginnt der erste Grasschnitt einen Monat früher als bei der traditionellen Heugewinnung. Früher sind auch Jäger mit ihrer Hundestaffel vor der Mahd durch die Felder gezogen – auch das gibt es kaum noch. Andere Systeme, wie etwa Pieper am Mähwerk, haben Florian Wolff bislang wenig überzeugt.
Eine Rehmutter bekommt ihr Kind im hohen Gras, entfernt sich tagsüber aber, um keine Füchse oder Greifvögel anzulocken. Das Kitz ist dank seines Fells gut getarnt, es drückt sich ganz flach auf den Boden und ist im bis zu 50 cm hohen Gras kaum zu erkennen. Kitze haben keinen Fluchtinstinkt – wenn sie den herannahenden Trecker hören, bleiben sie liegen.
Pro Flugstunde zahlt er 50 Euro
Wie funktioniert die Rehkitzrettung via Drohne? Am frühen Morgen, gegen 6 Uhr, lässt Ulrich Brücher die Drohne steigen – dann ist die Bodentemperatur noch erheblich kühler. Das Fluggerät mit seiner Wärmebildkamera fliegt nach einem festen Raster im Zickzack die Fläche ab. Auf einem Bildschirm sehen Wolff und Brücher dann die Wärmepunkte. „Dass kann ein Fuchsbau sein, aber meist sind es Kitze“, sagt Wolff. Allein zehn Rehbabys hat er so auf seinen Feldern nahe der Rüsbergstraße ausfindig gemacht.
Gut getarnt in der Wiese
Das Reh ist mit 15 bis 22 Kilo die kleinste europäische Hirschart. Seine Lebenserwartung liegt bei zwölf Jahren. Die Hauptsetzzeit der Rehkitze geht von April bis Ende Juni.
Fressfeinde, wie Wolf oder Luchs, sind selten und damit das Kitz nicht Greifvögeln oder dem Fuchs zum Opfer fällt, hat es neben seiner Tarnfarbe auch kaum Eigengeruch.
490 Hektar ist Ulrich Brücher ist den letzten Wochen mit seiner selbst konstruierten Drohne mit Infrarot-Kameras in und um Witten abgeflogen – von April bis Juni werden die Kitze geboren. 99 kleine Rehe konnte er retten. 50 Euro pro Flugstunde plus Anfahrtskosten zahlt ihm Bauer Wolff. „Soviel sollte Tierschutz jedem Landwirt wert sein.“