220 Bewerber trafen beim Speeddating in der Wittener Werkstadt auf die Personal-Entscheider von 20 Firmen – und gingen oft mit einer Zusage heim.

Edda Tamara Lippok wird bald 63. Nicht das beste Alter, um sich einen neuen Job zu suchen. Doch nach dem Speeddating in der Werkstadt hat die Buchhalterin schon eine Zusage für einen Vorstellungstermin in der Tasche. Keine schlechte Quote: „Das Gute ist, dass ich mit den Personalern aus den Betrieben direkt sprechen kann und die gleich einen Eindruck von mir bekommen“, sagt die Wittenerin. Sie ist jetzt zuversichtlich, dass es mit der neuen Stelle jetzt bald klappt.

Auch spontan konnten sich die Bewerber noch bei einer Firma vorstellen. In der Halle hingen Listen mit den Jobangeboten.
Auch spontan konnten sich die Bewerber noch bei einer Firma vorstellen. In der Halle hingen Listen mit den Jobangeboten. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Ihre Chancen stehen nicht schlecht. Rund 30 Prozent der Bewerber finden durch das Speeddating einen Job, das zeigen die Erfahrungen der Agentur für Arbeit, die diese unkonventionelle Art der Vermittlung seit rund vier Jahren anbietet. Seit anderthalb Jahren macht auch das Jobcenter Hagen mit. Jetzt wurde dazu erstmals nach Witten eingeladen. „Denn räumliche Nähe spielt eine große Rolle – für Arbeitnehmer und Arbeitgeber übrigens“, erklärt Maren Lewerenz, die Geschäftsführerin der Arbeits-Agentur.

Die 220 Bewerber gehen gut vorbereitet in die Gespräche

20 Unternehmen aus der Region, die meisten aus dem Mittelstand, sind daher gekommen, um den ganzen Tag über im Zehn-Minuten-Takt mit den möglichen Mitarbeitern zu sprechen. Die 220 Bewerber – Junge wie Alte, Männer und Frauen aus verschiedenen Branchen – gehen gut vorbereitet in die Gespräche. Drei Tage lang sind sie nach den ersten Auswahl-Gesprächen im Jobcenter vom TÜV Nord geschult worden.

Heiter und entspannt war die Atmospähre in vielen Gesprächen.
Heiter und entspannt war die Atmospähre in vielen Gesprächen. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Der Bereich Bildung – 2010 aus der RAG hervorgegangen – führt die Speeddatings durch und bereitet die Bewerber darauf vor. „Und dabei geht es nicht ums Anschreiben und den Lebenslauf“, versichert Klaus Führ, Leiter des Bildungszentrum Dortmund. Vielmehr würden in Einzelgesprächen und Workshops die Stärken und die Profilierung der Arbeitslosen hervorgearbeitet. Außerdem gibt’s Tipps, wie man sich gut präsentiert, Motivationshilfen und nicht zuletzt einen flotten Flyer im DinA3-Format, der als Ersatz für die Bewerbungsmappe alle wichtigen Daten über die Bewerber präsentiert.

Über Stellenanzeigen seien kaum noch Mitarbeiter zu finden

Dirk Lutter, der für die Post am Mittwoch Zusteller sucht, ist begeistert von dem Format. „Wir bekommen die Bewerber quasi auf dem Silbertablett präsentiert“, sagt der Personaler. Über Stellenanzeigen seien kaum noch Mitarbeiter zu finden, in der Werkstadt aber führe er 40 Gespräche an einem Tag. „Ich gehe davon aus, dass daraus etwa 15 Schnuppertage und letztlich fünf Arbeitsverträge werden. Es ist einfach eine super Sache.“

Keiner weiß Bescheid

Das Speeddating ist zugleich auch ein Blinddating: Weder Arbeitgeber noch Bewerber wissen vorab, wem sie am Tisch gegenüber sitzen werden. Wer zu wem passt, wird vorab vom TÜV ermittelt.

Die Bewerber erhalten die Liste mit den Firmen, die offene Stellen für die haben, erst beim Eintreffen. Sie können sich aber auch spontan bei anderen Firmen vorstellen.

Davon ist auch Maren Lewerenz überzeugt. Denn selbst wenn es beim Speeddating nicht klappe, „nutzen die Bewerber die gewonnene Erfahrung, um selbst erfolgreiche Bewerbungen zu starten.“ Meist hätten die dann auch erfahren, woran es hapere, könnten etwa zusammen mit dem Jobcenter eine Qualifizierung starten. „Und durch die vorbereitenden Workshops sind sie untereinander besser vernetzt, motivieren sich gegenseitig.“ Das alles habe eine große Eigendynamik.

„Mit Kopftuch hat man sonst überhaupt keine Chance“

Das merkt man auch in der Werk­stadt. Heiter ist die Stimmung, „es ist fast wie ein Event“, so Klaus Führ. Ein Bauchredner mit Handpuppe lockert vor der Tür die Anspannung, wer mag, kann sich bei einer Visagistin den letzten optischen Schliff verpassen lassen. Auch die Atmosphäre bei den Gesprächen an den Tischen erinnern mehr an echtes Kennenlernen als an ein Bewerbungsgespräch. „Super, hier kann ich mit meiner Persönlichkeit überzeugen“, sagt die Kauffrau Nilüfer Köksal (37). Sonst würden ihre Bewerbung gleich aussortiert. „Mit Kopftuch hat man keine Chance.“