Witten. . Die Lebenshilfe und die Wohngemeinschaft Christopherushof begrüßen den Beschluss, fordern aber auch die Information der Betroffenen.

Ein inklusives Wahlrecht gilt in Deutschland nun bereits bei der Europawahl am 26. Mai. Dann dürfen betreute Menschen mit geistiger Behinderung auch ihr Kreuzchen machen. „Diejenigen, die nun erstmals ein solches Wahlrecht haben, müssten aber auch erstmal darüber informiert werden, was das bedeutet“, gibt Dieter König, Geschäftsführer der Lebenshilfe, zu bedenken.

Grundsätzlich, sagt König, sollte jeder wählen dürfen, der in der Lage ist, sich eine eigene Meinung zu bilden. „Dann ist dieser Beschluss gut und richtig.“ Bei den rund 70 Menschen, die in den Wohnheimen der Lebenshilfe leben, treffe das nur für etwa zehn Prozent zu.

Lebenshilfe wünscht sich Unterstützung von Politikern

Probleme könnten laut König dort auftreten, wo Menschen stark geistig behindert sind. Für sie komme es eigentlich nicht in Betracht, wählen zu gehen. Denn: „Geht dann der gesetzliche Betreuer mit dem Betroffenen in die Kabine? Und wer macht dann tatsächlich das Kreuz?“ Nutze in diesem Fall vielleicht ein Angehöriger gar die Chance, ein zweites Mal abzustimmen?

Politische Bildung, sagt der Lebenshilfe-Geschäftsführer, „ist nicht unsere Hauptaufgabe“. Zwar gebe es Anleitungen zur Wahl sowie Parteiprogramme in leichter Sprache. Doch es reiche nicht, den Menschen mit geistiger Behinderung so etwas in die Hand zu drücken. „Das muss didaktisch gut aufbereitet werden.“ Von den Politikern würde er sich da Unterstützung wünschen. Sie sollten ihren neuen Wählern am besten vor Ort erklären, worum es geht. „Schön wären für unser Klientel Politiker, die man sehen, hören und notfalls auch anfassen kann.“

Stadt muss sich auf neue Wähler einstellen

Eine „längst überfällige Entscheidung“ nennt Markus Sieffers den Gerichtsentscheid. Für den stellvertretenden Heimleiter der Wohn- und Lebensgemeinschaft Christopherus-Hof, der zur Europawahl übrigens wieder Wahllokal sein wird, ist es selbstverständlich, „dass man alle Menschen in ihren Grundrechten ernst nimmt“. Dass vielleicht nicht jeder Mensch mit geistiger Behinderung wissen könne, was er da tue, dem entgegnet er: „Inwieweit sich jeder andere, der wählen geht, damit wirklich auseinandersetzt, ist auch fraglich“.

Die Stadt muss sich erst noch auf die neuen Wähler einstellen. „Wir werden genau prüfen, wie der Beschluss umzusetzen ist“, so Norbert Gärtner vom Referat der Bürgermeisterin. Mit der Landeswahlleitung werde man zum Beispiel abgleichen, ob der neue Personenkreis automatisch ins Wählerverzeichnis aufgenommen wird oder ob diese Bürger selbst den Antrag für die Teilnahme an der Wahl stellen müssen.