Witten/Innsbruck. Ein Rentner soll eine historische Weltkarte von 1627 aus der Uni-Bibliothek in Innsbruck gestohlen haben. Es war wohl nicht seine einzige Tat.
Die Spuren eines aufsehenerregenden Kunstraubs in Tirol führen nach Witten: Aus der Bibliothek der Universität Innsbruck verschwand im Juli 2017 eine historische Weltkarte des berühmten Astronomen Johannes Kepler. Die österreichischen Ermittler hatten schnell einen Rentner aus Witten in Verdacht. Der 65-Jährige muss sich nun am Mittwoch, 24. April, vor dem Amtsgericht verantworten: Er soll ein „berüchtigter Bibliotheksbesucher“ sein, der laut Staatsanwaltschaft bereits in mehreren europäischen Ländern ähnliche Kunstdiebstähle begangen haben soll. Indes: Beweisen konnte man ihm bislang nichts.
Kupferstich aus dem Jahr 1627
Das Entsetzen an der Universität Innsbruck war groß, als die Weltkarte plötzlich aus der Bibliothek verschwunden war. Mit rund 30.000 Euro wird der Wert des Kupferstichs aus dem Jahr 1627 angegeben. Der ideelle Verlust für die Universität Innsbruck lässt sich jedoch mit Geld nicht beziffern, schreibt die österreichische „Kronen-Zeitung“.
Die Karte war ein Anhang zu Johannes Keplers „Rudolfinischen Tafeln“. Es war das letzte große Werk des Astronomen und Mathematikers (1571 bis 1630), der schon damals schrieb, dass sich alle Planeten in elliptischen Bahnen und nach festen Gesetzmäßigkeiten um die Sonne bewegen.
Die letzte Person, die für Keplers Werk Interesse gezeigt hatte und am 28. Juli 2017 als Benutzer erschien, war ein mysteriöser angeblicher Fachbesucher aus Deutschland. Als „honorigen Herren mit kunstsinnigem Auftreten“, beschreiben ihn Zeugen.
„Er hat sich als Fachbesucher ordnungsgemäß angemeldet und wurde mit den gewünschten Büchern in einen eigenen Leseraum mit Aufsicht geführt“, beschreibt Nikolaus Hörtnagl vom Tiroler Landeskriminalamt den Ablauf. Unter den vorgelegten Büchern waren auch die „Rudolfinischen Tafeln“, die Sammlung zur Vorhersage von Planetenstellungen. Kepler hat an das Werk den Kupferstich einer Weltkarte angehängt. Die 71 mal 43 Zentimeter große Karte war gefaltet.
Keine Spur von der Beute
Was dann geschah, rekonstruiert Hörtnagl so: „Der Mann dürfte in einem unbeobachteten Moment mit einem Messer die Karte herausgeschnitten haben.“ Niemand bemerkte etwas. Der interessierte Herr verabschiedete sich und ging.
Erst Tage später wurde der Diebstahl entdeckt. Weil der Rentner, als er bei der Universität um Einsicht in die Werke bat, seine Daten angegeben hatte, führten die Ermittlungen zu seiner Heimatadresse. In Witten gab es eine Hausdurchsuchung, aber keine Spur von der historisch wertvollen Beute.
Videoaufnahmen gibt es nicht
Die Polizei hat aber viele Indizien gegen den Rentner gesammelt, denn neben einer Verurteilung wegen eines harmlosen Ladendiebstahls war er auch wegen Kunstdiebstählen in anderen Ländern in Verdacht geraten. Frustrierend für die Ermittler: Beweise wie Videoaufnahmen von den Diebstählen oder der Fund von Beutestücken fehlten stets.
Die Staatsanwaltschaft Bochum hat nun bestätigt, dass gegen den 65-Jährigen wegen des Innsbruck-Coups am 21. Januar Anklage erhoben worden war. Laut Staatsanwalt Christian Kühnert findet der Prozess am 24. April am Amtsgericht Witten statt. Die schwierige Beweislage dürfte auch die Verhandlung zum Innsbrucker Fall zu einem Prozess-Krimi mit ungewissem Ausgang machen.
>> Ähnlicher Fall vor Antwerpener Gericht
Wittens Amtsgerichts-Direktorin Barbara Monstadt hat nun eine dicke Akte vorliegen, die auch das Vorleben des Angeklagten enthält. Unter anderem stand der Wittener Rentner bereits in Antwerpen (Belgien) vor Gericht, ebenfalls wegen Kunstdiebstahls.
Auch dort ging es um eine historische Karte, der Wert betrug 9000 Euro. In den belgischen Akten ist von einem „berüchtigten deutschen Bibliotheksbesucher“ zu lesen. Doch auch hier gab es mangels Beweisen einen Freispruch.