Witten. . Der Wittener Universitätsprofessor David Martin läuft zu Fuß nach London. Er will damit ein Zeichen gegen den Brexit und für Europa setzen.

David Martin ist in den USA, Frankreich und England aufgewachsen, studierte in Deutschland, forschte in Australien – vor allem aber ist der Facharzt für Kinderheilkunde überzeugter Europäer. Genau deshalb ist der Professor der Universität Witten/Herdecke seit rund einer Woche zu Fuß unterwegs nach London. Er möchte damit ein Zeichen gegen den Brexit und für Europa setzen.

Die Route von David Martin von Tübingen nach London
Die Route von David Martin von Tübingen nach London © Gerd Bertelmann

Insgesamt 860 Kilometer will der 45-Jährige bis zum 20. April zurücklegen, 180 hatte er bis Montag schon geschafft. Losgelaufen ist der Hochschullehrer im schwäbischen Tübingen, wo er mit seiner Familie lebt, wenn er nicht in Witten unterrichtet. Den Anstoß für seine Aktion haben ihm dieletzten Turbulenzen um den Austritt Großbritanniensaus der Europäischen Union gegeben. „Es geht um Europa, um unsere gemeinsame friedliche Zukunft“, sagt Martin.

Den Wurzeln des Brexit auf den Grund gehen

Warum er den beschwerlichen Marsch auf sich nimmt? „Ich will mich dazu zwingen, mich mit der Frage zu beschäftigen, wo die Wurzeln des Brexits liegen“, sagt er. Und wie man verhindern könne, dass sich so etwas in anderen Ländern Europas wiederholt.

Und er will andere Menschen durch seine ungewöhnliche Aktion berühren. „Ich hoffe, dass sich einige Menschen bewusst werden, dass das, was wir als europäische Gemeinschaft miteinander erreicht haben, ein sehr großer, wertvoller Schatz ist, den wir hüten müssen.“

“Wir brauchen keine neuen Grenzen in Europa“

Denn das europäische System ist für den Kosmopolit „ein entwicklungsfähiges, aber gutes Modell“. „Wir brauchen es nicht, dass jetzt Grenzen durch dieses Europa gezogen werden.“ Warum sich ausgerechnet ein Kinderarzt mit dem Brexit beschäftigt? „Ich glaube, die Wurzeln des Problems liegen in der Kindheit.“

Genauer gesagt im gesellschaftlichen System, das so mit Kindern und Jugendlichen umgehe, dass nicht jeder Einzelne „zu seiner Würde finde“ – sondern nur die, die ins System passen. Daher plädiert der Anthroposoph für ein Schulsystem, in dem auch künstlerische und handwerkliche Fertigkeiten stärkeres Gewicht erhalten.

Morgens weiß er nicht, wo er abends schlafen wird

Wo der Universitätsprofessor auf seiner Reise jeweils abends schlafen wird, weiß er morgens meist noch nicht. Ein Hotelzimmer nimmt er nur, „wenn es nicht anders geht“. Denn neben der Auseinandersetzung mit sich selbst, steht für den Wittener Uni-Professor auch der Austausch mit den Menschen im Vordergrund, die ihm auf seinem langen Weg begegnen.

Mal laden ihn befreundete Mediziner ein, mal kommt er mit Passanten ins Gespräch. „Einmal habe ich eine ältere Dame um einen Tipp gebeten, wo ich schlafen könnte. Da hat sie mich eingehend gemustert und dann zu sich nach Hause eingeladen.“

Mit dem Zug zurück nach Deutschland

Am 20. April muss Martin in England angelangt sein. Dann geht es mit dem Zug zurück nach Deutschland. „Länger kann ich meine Studenten und Patienten nicht alleine lassen.“ Daher wird er ab und an Mitfahrgelegenheiten annehmen. Gerne hätte er mehr Zeit für sein Abenteuer. „Jeder Schritt dieser Reise ist spannend. Es ist toll, sich mit so vielen Menschen auszutauschen“, sagt er.

Auf seiner Reise denke er auch „bei jedem Schritt“ an die Uni, die gerade ihre Medizinstudentenzahl verdoppelt hat. „Eigentlich ein denkbar schlechter Zeitpunkt, mir eine Auszeit zu nehmen“, sagt der 45-Jährige. Aber: „Wenn wir kein gesundes Europa haben, haben wir auch keine gesunde Universität.“ Zu oft herrsche die Meinung vor, der Einzelne könne nichts bewegen. „Aber das können wir. Zum Beispiel, indem wir für ein Thema loslaufen.“