Witten. . Der Hagener Lokalpolitiker Sven Söhnchen hat in Rüdinghausen aus dem Buch „Warum ich Nazi wurde“ vorgelesen. Ein bedrückender, warnender Abend.
Beklommene Stimmung im Gemeindehaus der Ev. Kirchengemeinde Rüdinghausen. Einige Besucher haben Tränen in den Augen: Sven Söhnchen, SPD-Lokalpolitiker aus Hagen, hat aus dem Buch „Warum ich Nazi wurde“ vorgelesen. Darin enthalten sind 581 Beiträge, die 1934 geschrieben wurden – von Menschen, die Mitglieder der NSDAP waren.
Die Kurzbiografien waren Teil eines Preisausschreibens, das dem Regime zu Propagandazwecken im Ausland dienen sollte. „Dieses Buch gibt keine Antworten“, sagt Sven Söhnchen bereits zu Anfang der Lesung. Antworten habe er selbst auch nicht. „Ich bin Mitglied in verschiedenen Ausschüssen, sehe mich mit Mitgliedern der AfD konfrontiert und weiß nicht, wie ich mit ihnen umgehen soll“, sagt er. „Ich weiß auch nicht, wo wir heute stehen, wie groß der Einfluss dieser Menschen heute ist.“
Hass gegen das Mordgesindel
Fünf Biografien hat Söhnchen aus dem Buch ausgewählt, die er mit ruhiger Stimme vorliest. Die meisten Verfasser haben den Ersten Weltkrieg noch gut im Gedächtnis, haben selbst an der Front gekämpft. Sie fühlen sich verraten, sehnen sich nach einer sicheren Zukunft, eine Einheit im scheinbar zersplitterten Deutschland, in dem unzählige kleine Parteien aufkommen, aber auch genauso schnell wieder verschwinden.
Begeisterung und Liebe zum Führer waren es, die die damals 17-jährige Lissy Schneider aus Duisburg nicht nur zu einer glühenden Anhängerin der NSDAP machte, sondern auch zu einer der Mitbegründerinnen des Bundes Deutscher Mädel. „Mein Onkel hatte mir ein kleines Bild von ihm geschenkt, das hielt ich, wie ein Heiligtum, zu dem ich in Verehrung aufsah. Ihn hatte ich in mein kleines Herz geschlossen und mir vorgenommen, nicht eher zu ruhen, bis ich den Sinn seiner Idee und seines Kampfes endgültig verstehen würde“, schreibt Schneider über Hitler. Sie spricht von Hass gegen das Mordgesindel mit dem Gebrüll „Rot-Front“ und „Heil Moskau“.
Zitate aus Hannes Waders Lied „Es ist an der Zeit“
Der Heldenverehrung aus dem Gelesenen stand Björn Nonnweilers Gesang gegenüber. Der Hagener zitierte aus Hannes Waders Lied „Es ist an der Zeit“, in dem es heißt: „Fällt die Menschheit noch einmal auf Lügen herein, dann kann es gescheh’n, dass bald niemand mehr lebt, niemand, der die Milliarden von Toten begräbt. Doch finden sich mehr und mehr Menschen bereit, diesen Krieg zu verhindern“. Eine Zeile, die laut Nonnweiler aktueller denn je ist.
>>> DAS BUCH UND DIE LESUNGEN
„Warum ich Nazi wurde“ (49,95€) ist 2018 im Berlin Story Verlag erschienen. Herausgeber ist Wieland Giebel.
Sven Söhnchen und Björn Nonnweiler sind weiterhin mit ihren Lesungen unterwegs. Sie kommen in Klassenzimmer, in Gemeindehäuser und auf jede Bühne, wenn sie dazu eingeladen werden.