Witten. . Pro Familia verweist auf eine hohe Dunkelziffer. Nach Lügde bewertet Grünen-Politikerin es positiv, dass Witten zum Polizeibezirk Bochum gehört.

Der Fall Lügde: Ein Skandal, der nicht nur in Lippe Fragen zur Prävention von Kindesmissbrauch sowie zur Polizeistruktur in NRW aufwirft. Welche Situation zeigt sich in Witten? Laut Kriminalstatistik 2018 wurden 25 Kinder und sieben Jugendliche Opfer von Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung. Darunter waren vier Fälle sexuellen Missbrauchs (ohne Exhibitionismus), sechs Fälle von Kinderpornografie und sieben Fälle von Exhibitionismus vor Kindern.

Mehr als 15.000 Gespräche mit Betroffenen

Wie der Verein Pro Familia auf Anfrage betont, liege die Dunkelziffer aber wesentlich höher. „Beispielsweise weil viele Fälle erst angezeigt werden, wenn die Erwachsenen sich an Vorfälle aus ihrer Kindheit erinnern“, sagt Astrid Kassette vom Team Prävention sexualisierter Gewalt. Von 1993 bis 2018 hat Pro Familia Witten insgesamt 2183 Missbrauchsfälle bearbeitet und hat dabei 15.468 Gespräche („Fallkontakte“) mit Betroffenen geführt.

Einen Hinweis auf einen sexuellen Missbrauch können laut Astrid Kassette die unterschiedlichsten Verhaltensweisen der Kinder geben. „Die Signale sind sehr unspezifisch.“ Das Kind könne plötzlich zurückgezogener, aber auch aktiver sein. „Wenn es Verhaltensänderungen gibt, die Sorge bereiten, sollte man es nicht für unmöglich halten, dass sexuelle Gewalt der Grund ist.“

Beraterin: Sexualität nicht tabuisieren

Denn oft würden viele Eltern diese Möglichkeit ausklammern – aus Angst oder weil sie sich nicht vorstellen können, dass etwa ein Bekannter in der Lage sei, sich an Kindern zu vergehen. Damit es überhaupt nicht so weit kommt, empfiehlt Astrid Kassette, Sexualität nicht zu tabuisieren. „Sexuelle Aufklärung im positiven Sinne ist wichtig.“ Ein aufgeklärtes Kind wisse, dass Erwachsene nur untereinander Sexualität teilen und sei nicht empfänglich für gegenteilige Darstellungen von Tätern.

Prävention sei auch für die Polizei Bochum ein wichtiges Thema, betont Polizeisprecher Volker Schütte. „Etwa sind Vorbeuger in Schulen aktiv.“ Mit Blick auf schwere Missbrauchsfälle oder andere Straftaten bewertet die Polizei grundsätzlich positiv, dass Witten zum Präsidium Bochum und nicht – wie die anderen achte Städte im EN-Kreis – zur Kreispolizeibehörde Ennepe-Ruhr gehört. „Es ist nicht so, dass der Kreis weniger Leute für die gleiche Arbeit hat“, so Frank Lemanis von der Pressestelle. „Aber als Behörde mit fast 2000 Bediensteten kann Bochum flexibler agieren.“

Grünen-Politikerin hat Polizeistrukturen kritisiert

Das Versagen der Polizei im Fall Lügde hat eine Diskussion über die Strukturen der Polizei in NRW ausgelöst. Unter anderem forderte die Wittener Grünen-Landtagsabgeordnete Verena Schäffer, kleine Kreispolizeibehörden, die dem jeweiligen Landrat unterstellt sind, größeren Einheiten anzugliedern.

Auf Anfrage nannte die innenpolitische Sprecherin der Grünen Witten als Positivbeispiel für polizeiliche Struktur. „Witten profitiert davon, dass es zu Bochum und nicht zur Kreisbehörde gehört.“ Letztere können sich laut Schäffer wenig spezialisieren und haben wenig Erfahrung mit Großverfahren. „In Bochum ist das anders, da sind die Strukturen da.“

>>> Polizeipräsidium verfügt über drei Einsatzhundertschaften

„Wir sind froh, dass Witten zum Präsidium Bochum gehört“, heißt es von der Polizei in Bochum. In Bochum ist die Kriminalwache rund um die Uhr besetzt, im Falle eines Tötungsdeliktes müsse man im EN-Kreis erst die Bereitschaft erfragen.

Witten gehört mit den Städten Bochum und Herne zum Polizeibezirk Bochum. Im Ernstfall kann daher auch Witten auf d rei Einsatzhundertschaften zurückgreifen, über die das Präsidium verfügt, darunter eine technisch stark spezialisierte.