Witten. . Privatfotos auf Facebook gibt es von Computer-Experten Christian Sarazin (40) nicht. Er ist für mehr Datenschutz – im Alltag wie online.

Als Radio- und Fernsehtechniker wurde Christian Sarazin (40) auch mal als „Magier“ gehandelt – wegen seines Verständnisses von komplexen technischen Abläufen, die man in dem Beruf braucht. Sein Wissen hat das langjährige Mitglied des Chaos Computer Club genutzt, um in der IT als Systemadministrator Fuß zu fassen. Gordon Wüllne r hat von ihm erfahren, warum Whatsapp für Kinder so gefährlich wie eine Dose Bier ist.

Heute schon ein Foto von der eigenen Familie gepostet?

Christian Sarazin: Ich halte meine Familie von Plattformen mit direkten Fotos fern. Wenn sie jetzt auf einer Demo oder Kirmes in einer Menschenmenge zu sehen sind, wäre das vielleicht was anderes. Aber grundsätzlich sollte man weder Fotos noch andere Daten leichtsinnig in soziale Medien kippen. Es kann passieren, dass die Strandfotos der eigenen Kinder am Ende auf irgendwelchen Schmuddelseiten landen. Man muss sich im Klaren sein: Wenn ich ein Foto online stelle, hat das gesamte Internet dieses Foto. Und es ist technisch unmöglich, es unwiderruflich von jedem PC auf der Welt zu löschen. Die Kontrolle über die Daten hat man dann verloren.

Für Teenager gehört es allerdings fast schon dazu, sich im Netz zu präsentieren. Was sagt Ihre zwölfjährige Tochter zu der Haltung Ihres Vaters?

Wir machen unserer Tochter bewusst, was Geschäftsbedingungen sind. Viele Eltern ignorieren die Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Apps. Dabei steht in den AGBs von Whats­app etwa, dass die App erst ab 16 Jahren ist. Das darf unsere Tochter noch gar nicht nutzen. Gewisse Regeln in der Gesellschaft sollte man ernst nehmen – auch AGBs. Das versteht unsere Tochter auch, da haben wir keinen Streitpunkt. Viel schlimmer sind Schulveranstaltungen zur „Medienkompetenz“, bei denen jemand vom Land der Klasse erklärt, wie man mit Whatsapp umgeht. Warum wird das Fünft- und Sechsklässlern erklärt? Das ist, als wenn man einem Zehnjährigen sagen würde, dass er nur drei Flaschen Bier am Tag trinken darf.

Sie haben also nicht die Sorge, dass Ihre Tochter ausgeschlossen wird, wenn sie manchen Apps fernbleibt?

Unsere Tochter sagt manchmal sogar: Wie gut, dass ich nicht bei Whatsapp bin. Es passiert ja auch, dass Schüler dort oft in Gruppen gemobbt werden. Mich beruhigt dann, dass ich meine Tochter davor schützen konnte. Es gibt doch auch Schöneres, als die Freizeit damit zu verbringen, zwei Stunden bei Whatsapp darüber zu reden, wo man sich gleich mit seinen Freunden treffen wird. Da denke ich gerne an meine eigene Kindheit zurück, in der ich einfach bei meinem Kumpel geklingelt habe.


Also lebt Papa das vor – und wirft nach der Arbeit nicht auch noch zu Hause den Computer an?

Ich verbringe genug Zeit auf der Arbeit mit diesen Geräten. Zuhause stehe ich dann lieber mal im Garten und mähe den Rasen. Manchmal würde ich das am liebsten nur machen. Je mehr man von der IT mitbekommt, umso mehr könnte man sich die Haare raufen.

Die meisten Leute dürften mehr Schuhe als Passwörter haben. Da könnten Sie sich sicher auch die Haare raufen?

Andersherum wäre es besser. Aber der typische Internetnutzer ist halt bequem. Viele haben die Haltung: Ich habe nichts zu verbergen. Entsprechend wird dann etwa der Name der Kinder als Passwort verwendet – und kein komplexes Passwort mit Zahlen, Sonderzeichen, Groß- und Kleinschreibungen und Begriffen, die nicht im Duden stehen. Im schlimmsten Fall wird auch noch auf jeder Seite dasselbe Passwort verwendet – beim Online-Banking, auf Facebook und bei Ebay.

Wie soll man sich auch ein Dutzend komplexe Passwörter merken?

Es reicht, wenn man sich ein Super-Passwort merkt. Das verwendet man dann für einen sogenannten Passwort-Manager. Den kann man sich vorstellen wie der Schlüssel zu einem Tresor, in dem sich alle anderen Passwörter befinden

Sie sind auch Sachkundiger Bürger für die Piraten im Stadtrat. Was kann eine Stadt wie Witten tun, um mehr auf das Thema Datensicherheit aufmerksam zu machen?

Spontan würde ich sagen: Die Städte könnten zum Beispiel auf verschlüsselte E-Mail-Kommunikation umsteigen. Aber das Bewusstsein für mehr Datenschutz muss man im täglichen Leben schaffen. Es fängt schon bei Diskretionslinien an Bankschaltern an. Selbst wenn man einen Meter dahintersteht, hört man noch, wie viel Geld Frau Meier von ihrem Konto abheben will. Was bringen solche Linien dann? Das ist ja kein Datenschutz.

Also erst mal in der analogen Welt sensibler für eigene Daten werden?

Genau! Im Alltag sollte man mehr das Bewusstsein dafür schaffen.