Witten. . 14 Gastschüler wurden im Rathaus empfangen. Hier erleben sie einen Gegenentwurf zu ihrem disziplinierten Unterricht.

Die gute Luft ist Runyu Xie in Witten als erstes aufgefallen. „Es ist so sauber hier und hier sind so wenige Leute“, sagt die 16-jährige Schülerin, übersetzt von einer Dolmetscherin. „Hier würden meine Eltern sicher gerne ihren Ruhestand verbringen.“ Da ist es für 14 Gastschüler aus der chinesischen Millionenstadt Shaoxing, die am Freitag im Rathaus empfangen wurden, sicher kaum vorstellbar, dass der Mangel an sauberer Luft großes politisches Streitthema in Witten ist. Und dass hier über 400 Schüler für das Klima auf die Straße gehen. Oder?

Im Rathaus wurden die Schüler im Zimmer der Partnerstädte empfangen.
Im Rathaus wurden die Schüler im Zimmer der Partnerstädte empfangen. © Bastian Haumann

Auf die Frage gibt es nur verunsichertes Gelächter – und Lehrer Ruliang Sun greift zur musterhaften Antwort. „Die Umwelt ist nicht nur für Europa, sondern auch für China ein wichtiges Thema“, sagt der stellvertretende Schulleiter der Yueqi-Highschool – die chinesische Partnerschule der Hardenstein-Gesamtschule. Für China sei das Wachstumgerade an erster Stelle, deswegen stehe man beim Umweltschutz noch am Anfang, ergänzt er. „Das Thema Abwasserschutz spielt in unserer Provinz aber eine sehr große Rolle.“

Nur Hausaufgaben

Seit über zehn Jahren gestaltet die Hardenstein-Gesamtschule einen Austausch mit China. Im November 2018 verschafften sich zunächst 14 Hardenstein-Schüler einen Eindruck vom dortigen Schulalltag. „Die Klassen sind viel größer, bis zu 40 Schüler, und es geht sehr diszipliniert zu“, erzählt Englisch-Lehrerin Nicole Cieslinski, die ihre Zehntklässler nach China begleitet hat.

„Hausaufgaben, Hausaufgaben, Hausaufgaben“, antwortet Runyu Xie da passenderweise auf die Frage, wie sie daheim so ihre Zeit außerhalb der Schule verbringt. Und wenn doch mal Raum für Hobbys bleibt? „Die Jungs spielen gerne Computerspiele, die Mädchen gehen gerne shoppen“, sagt Mitschüler Zhijie Xu (16). Also fast so wie in Witten?

„Der Westen erzieht zur Ich-Bezogenheit“

Da ist ja noch das kommunistische Ein-Parteien-System. „Im Unterricht in China ging es auch darum, dass der Materialismus der westlichen Welt die Gesellschaft verdirbt und die Menschen zu Ich-Bezogenheit erzieht“, erzählt Nicole Cieslinski. Als Repräsentantin eben dieser Welt fühlte sie sich trotzdem willkommen. „Die chinesischen Schüler waren sehr neugierig auf unsere Ideen.“ Viele Fotos seien gemacht worden, als sie die Ergebnisse aus dem Kunstunterricht der deutschen Schüler betrachteten. „Unsere Schüler haben die Natur expressionistisch reduziert“, sagt Cieslinski. „Die chinesischen Schüler haben dagegen versucht, die Landschaft originalgetreu nachzumalen“, ergänzt Lehrerkollege Stephan Thoß.

© Bastian Haumann

Mehr ausprobieren könne man aber ruhig mal, findet Schüler Zhijie Xu. Sogar in der Politik. Wie im Wittener Ratssaal gestritten wird, würde er gerne mal miterleben. „Der Bürgermeister kann dann unterschiedliche Stimmen hören und daraus eine Strategie entwickeln“, wird er übersetzt. Das bringe Konflikt, aber vielleicht auch gute Ergebnisse.

Statt politische Debatten zu erleben, werden die Chinesen bis zu ihrer Weiterreise nach den Beneluxländern nächsten Mittwoch aber lieber die Vielfalt der hiesigen Kultur entdecken: Von der christlichen Messe bis zum Besuch bei Starlight-Express.

>> INFO: Jugendliche sind bei Familien untergebracht

  • Die stellvertretende Bürgermeisterin Beate Gronau hat die Schüler im Rathaus empfangen. Am Samstag sind sie in Köln unterwegs, Sonntag verbringen sie den Tag mit den Gastfamilien, bei denen sie untergebracht sind.



Am Montag geht es nach Düsseldorf, Dienstag zum Bowling, ab Mittwoch q uer durch Europa.