Witten. Friederike Niblau (18) und Patrick Pais Pereira (18) organisieren den „Friday for Future“ in Witten. Sie leben ohne Fleisch, Plastik und Auto.

Die „Fridays for Future“-Bewegung ist in Witten angekommen: Die Schüler Friederike Niblau und Patrick Pais Pereira wollen am Freitag mit 200 Mitdemonstranten aller weiterführenden Schulen drei Stunden schwänzen, um vor dem Rathaus für die Umwelt zu demonstrieren. Im Interview erklären die beiden 18-Jährigen, was die Politik – und ihre Eltern – ändern sollten.

Angst, Wut oder Freude: Was geht in euch vor, wenn ihr an die Zukunft denkt?

Patrick: Es weckt natürlich Freude, dass immer mehr Leute etwas tun wollen. Aber wenn man sich intensiv mit unserem Planeten auseinandersetzt, stößt man schnell auf viele düstere Seiten – sei es der Plastik-Ozean oder die Massentierhaltung. Die Politik müsste da ganz andere Grundpfeiler setzen, ganz aktuell etwa bei der Kohlepolitik. Was da entschieden wurde, ist nicht ausreichend, um mit weiterer Freude in die Zukunft zu blicken.

Friederike: Man will zwar nicht, dass zehntausend Leute arbeitslos werden, aber um das Pariser Klimaabkommen zu erfüllen, müssen wir nun mal früher aus der Kohle aussteigen als 2038. Die Politik verschließt davor die Augen. Dabei sind wir es, die noch länger auf diesem Planeten leben müssen.

Eure Einstellung habt ihr sicher nicht aus Schulbüchern, oder?

Friederike: Ich habe vor drei Jahren aufgehört, Fleisch zu essen und mich mit Nachteilen der Massentierhaltung beschäftigt. Dadurch kommt man automatisch zu anderen Themen: dem Plastik, der Stromproduktion. Und dann konnte ich nicht mehr aufhören, über all das nachzudenken. Ich verstehe nicht, wie manche Leute ihre Augen vor all dem verschließen können. Wir haben nur diese eine Erde. Man muss da auch viel mehr in der Schule drüber reden!

Wie ist es nun gekommen, dass ihr euch in Witten organisiert?

Friederike: Wir beide waren erst bei einer Demo in Dortmund. Da haben wir gemerkt, was es für eine schöne Bewegung ist. Da dachten wir uns: Lass uns das doch auch mal in Witten versuchen. Dann haben wir es unseren Freunden erzählt, die haben es anderen erzählt.

Habt ihr euch auch in Dortmund kennengelernt?

Friederike: Nein, wir haben uns auf dem 18. Geburtstag eines Freundes kennengelernt. Im Laufe unserer Freundschaft sind wir dann beide immer mehr öko geworden.

Patrick: Sie ist eher die Informationskönigin. Ich bin der Mensch, der auf den Tisch haut und sagt: Wir machen das jetzt!

Die mit der Enzyklopädie und der mit dem Hammer?

Patrick: So in etwa (lacht)


Friederike: Wir ergänzen uns ganz gut.

Finden eure Mitschüler cool, was ihr macht?

Patrick: Ich bin auf der Holzkamp-Gesamtschule und da wurde ich immer wahrgenommen als jemand, der gerne politisch aktiv wird. Da habe ich bisher fast nur Lob gehört.

Friederike: Ich bin auf dem Berufskolleg – und da ist es leider etwas anders. Viele denken, dass sie eh nichts ändern können. Ein Mitschüler hat mal gesagt: Ich gehe lieber auf eine Automesse als auf eine Klimademo. Dann denke ich mir: Wo setzt du deine Prioritäten? Das Auto wird dich später nicht retten.

Vielleicht verderbt ihr auch manch große Träume? Viele Schüler wünschen sich, nach dem Abschluss die Welt zu umreisen. Ganz klimaneutral ist das schwierig.

Friederike: Ich möchte auch nach dem Abi reisen, aber werde nur noch mit dem Zug reisen. Ich möchte nach Griechenland. Das wird ziemlich lange dauern, aber das nehme ich gerne in Kauf. Ich versuche meine Träume auszuleben, aber bin bereit, sie für die Umwelt etwas einzuschränken.

Patrick: Wenn man große Träume hat, muss man die nicht gleich fallen lassen. Aber man sollte ein Bewusstsein dafür haben, was man tut und schauen, ob es Alternativen gibt. Wenn man nach Australien will, ist es schwer eine Alternative zum Flugzeug zu finden.

Kommt ihr mit eurer nachhaltigen Lebensweise mit euren Eltern in Konflikt?

Friederike: Ich bin oft mit meinen Eltern wegen Fleisch und Plastik in Streit geraten. Als ich mit 15 Vegetarierin sein wollte, hat meine Mutter mir trotzdem noch Fleisch gekocht. Es war ein steiniger Weg, sie davon zu überzeugen, dass das bei mir nicht nur eine Phase ist. Inzwischen hat sie aber angedeutet, dass sie stolz darauf ist, was ich mache. Sie kauft auch weniger Fleisch. Ich habe die Nachhaltigkeit ein bisschen in die Familie gebracht.


Patrick: Der Kompromiss bei meinen Eltern hieß: Du lässt uns leben, wir lassen dich leben. Ich wurde trotzdem unterstützt. Wenn blöde Sprüche von meinen Geschwistern kamen, haben mich meine Eltern eher verteidigt. Aber inzwischen lebe ich alleine und kann mein Leben so nachhaltig umstellen wie ich möchte. Ich lebe vegan und meinen Plastikkonsum habe ich schon stark reduziert. Meine Kosmetik ist schon komplett plastikfrei. Auch mein Auto habe ich schon aufgegeben. Ich sehe da keinen Grund mehr für. Mobilität heißt für mich: Zu Fuß oder Nahverkehr.

Und was sagen die Lehrer zu eurem Engagement?

Patrick: Ich bin heute ins Oberstufenbüro gegangen und habe versucht da eine Entschuldigung für die Demo zu bekommen. Leider vergeblich (lacht). Aber ich weiß, dass die Schulleitung das sehr positiv sieht Die sagen allerdings auch ganz klar: Wer sich dafür einsetzt, bekommt halt drei Fehlstunden.

Friederike: Bei mir es gemischt. Ein Lehrer findet es gut, andere fragen mich: Warum machst ausgerechnet du jetzt schon wieder Stress?

Die Weltpolitik ist das eine. Was sollte man konkret in Witten verbessern?

Patrick: Eine Idee wären Trinkbrunnen auf der Bahnhofstraße und in Wittener Schulen. Ich war im Sommer in Antwerpen. Dort gab es in der Stadt überall Brunnen, an denen man ganz einfach seine Wasserflasche auffüllen konnte. Das könnte man sicher auch schnell in Witten umsetzen.