Witten. . Praxen sind auch in Witten verpflichtet, sich bis Juli digital mit Kassen zu vernetzen. Die Mediziner befürchten allerdings Datenlecks.

2019 ist ein Jahr großer Veränderungen in den Arztpraxen. Ab dem dritten Quartal sollen alle Ärzte an die sogenannte „Telematikinfrastruktur“ (TI) angebunden sein. „Geschützte Daten wird es dann nicht mehr geben“, befürchtet Dr. Arne Meinshausen vom Vorstand der Ärztlichen Qualitätsgemeinschaft Witten (ÄQW).

Die TI soll alle Beteiligten des Gesundheitswesens digital vernetzen. Zunächst werden nur Stammdaten wie Name oder Versicherungsstatus des Patienten beim Einlesen der Gesundheitskarte mit der Krankenkasse abgeglichen. Das System bildet aber auch die Grundlage für die elektronische Patientenakte, die laut Koalitionsvertrag bis 2021 eingeführt wird, freiwillig genutzt werden kann und den Austausch aller medizinischen Daten vereinfachen soll.

Zehn Prozent der Praxen angeschlossen

Zwar soll die Datensicherheit oberste Priorität haben – unter anderem sollen nur registrierte Nutzer mit einem Heilberufs- und Praxisausweis zu dem Netz Zugang erhalten. Die Wittener Ärztegemeinschaft glaubt allerdings: Ob die sensiblen Patientendaten nur von den autorisierten Personen eingesehen werden können, sei angesichts „der Fülle der zurzeit festgestellten Datenlecks“ fraglich. „Dass keine Schwachstellen auftreten, halten wir für unrealistisch“, so Meinshausen. „Und wenn andere auf die Patientenakten zugreifen können, ist das Arztgeheimnis durchlöchert.“

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Wer sich dem System nicht bis zum dritten Quartal anschließt, muss mit Sanktionen rechnen. Es drohe ein Abzug von einem Prozent des ärztlichen Honorars. „Einige Kollegen in Witten werden lieber zahlen statt sich anzuschließen“, sagt Meinshausen, der seine Gemeinschaftspraxis selbst bis zum 1. Juli umstellt, „aus Sorge, in absehbarer Zeit keine Patienten mit neuen Gesundheitskarten einlesen zu können“. Bisher seien etwa zehn Prozent der Wittener Praxen angeschlossen.

Kritik an zentralen Vermittlungsstellen

Neben der Frist zur Anbindung an die Telematikinfrastruktur sorgt das geplante „Terminservice- und Versorgungsgesetz“ für Ärger bei den Wittener Medizinern – gerade die geplante zentrale Vermittlungsstelle. Die bisher nach Ländern unterschiedlichen Telefon-Servicestellen sollen bundesweit zu Rund-um-die-Uhr-Angeboten ausgebaut werden.

Die Sorge der Ärztlichen Qualitätsgemeinschaft Witten: Ein über die Leitstelle zugeordneter Patient könnte chronisch erkrankten Patienten den Platz wegnehmen. „Eine teure Vermittlungsstelle, die kurzfristige Termine vergibt, kann diese nur zulasten von in Folge behandelten Patienten vermitteln, die dann möglicherweise länger auf ihre Folgetermine warten müssen“, so ÄQW-Vorstandsmitglied Dr. Arne Meinshausen.

„Wer mehr arbeiten soll, soll mehr arbeiten dürfen“

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) schlägt darüber hinaus eine erhöhte Honorierung von neuen Patienten und eine Sprechstundenzeit von mindestens 25 Stunden pro Woche vor. Diese Stundenzeit würden in Witten bereits alle Ärzte erfüllen. „Es gibt hier Praxen, die arbeiten sogar 60 Stunden die Woche“, sagte Meinhausen.

Die ÄQW wünscht sich vom Gesetzgeber anderes: „Wir haben eine gewisse Arbeitszeit, die wir nicht überschreiten dürfen“, so Dr. Bernhard Schul vom ÄQW-Vorstand. „Wenn wir mehr arbeiten sollen, sollten wir auch mehr arbeiten dürfen.“