Witten. . Klaus Ording kam 1950 ins Ruhrgebiet, um auf der Zeche Klosterbusch zu arbeiten. Dort lernte er Artur Pach kennen. Ein Treffen nach 60 Jahren.

Was für eine Geschichte: In den 50er Jahren haben der Hevener Artur Pach und der Buchholzer Klaus Ording auf der Zeche Klosterbusch in Bochum-Querenburg gearbeitet. Durch eine Sprengung, die Ording als Schießhauer ausgelöst hatte, kam es dort zu einem Wassereinbruch. Bergmann Artur Pach saß mehrere Stunden unter Tage fest. Ein Schrecken, den er nie vergessen wird. Nach 60 Jahren haben sich die heute 83-jährigen ehemaligen Bergleute wiedergetroffen. Per Zufall – auf dem Hevener Friedhof am Steinhügel.

„Meine Schwester und die Ehefrau von Klaus sind nebeneinander begraben, was wir aber nicht wussten“, erzählt Artur Pach. Als die beiden Männer die Verstorbenen jetzt besuchten, kamen sie miteinander ins Gespräch. Erst im Laufe der Unterhaltung stellte sich heraus, dass sie zusammen einst auf der Zeche Klosterbusch im Querenburger Lottental ihr Geld verdienten. Zwei ehemalige Bergleute, beide Kriegskinder, die in ihrem Leben viel erlebt und sich nun viel zu erzählen haben.

Drei Kinder im Krieg alleine unterwegs gen Westen

Klaus Ording stammt aus der Hafenstadt Stettin, die heute Szczecin heißt und mit ihren über 400.000 Einwohnern die größte Stadt im nordwestlichen Polen ist. „Meine Mutter war Stettinerin, mein Vater Herbeder. Er kam im Zweiten Weltkrieg als Soldat nach Stettin. Ich bin das Ergebnis“, erzählt Ording lachend, obwohl seine Kindheit keine leichte war. Die Eltern trennten sich früh. Das Verhältnis zur Mutter war nicht herzlich. Schließlich wurden Mutter und Sohn im Krieg für ein ganzes Jahr getrennt.

Der zehnjährige Klaus Ording sollte mit der Kinderlandverschickung nach Bayern kommen. Das Abteil, in dem er mit anderen Kindern saß, war aber falsch an einen Militärzug angehängt worden. Dieser stoppte im damals deutschen Königsberg. Mit zwei anderen Kindern, einem Jungen und einem Mädchen, machte sich der Stettiner zu Fuß auf in Richtung Westen. „Das war ein Tipp, den uns ein alter Soldat gegeben hat. Wir sollten immer an der Ostsee entlang laufen, dem Sonnenaufgang entgegen.“ Zu Fuß, per Auto, Bus und Eisenbahn schlug sich Ording durch, wurde dabei von den beiden anderen Kindern getrennt. „Es war eine grausame Zeit. Das Mädchen haben sich die Russen geschnappt, denen wir begegnet sind.“

Ohne das Wissen der Mutter ging er ins Ruhrgebiet

Ordings Stimme stockt. Denn es sind Erlebnisse, von denen er seiner Frau erst nach 20 Ehejahren berichten konnte. „Ich war ein Wolfskind, verwanzt, verlaust.“ Schließlich kam der Junge im Oktober 1945 über das Rote Kreuz im Flüchtlingslager Pöppendorf in Lübeck-Kücknitz an. „Am Eingang standen die Namen von Menschen, die gesucht wurden – auch meiner. Meine Mutter war auch in diesem Lager. Sie begrüßte mich mit einer Ohrfeige und den Worten: ,Du solltest doch in Bayern sein, was machst du hier?’“ Im schleswig-holsteinischen Ort Hamberge bezogen sie eine Zwei-Zimmer-Wohnung.

Wie kam Klaus Ording ins Ruhrgebiet? „Das Arbeitsamt in Bad Oldesloe suchte damals Menschen, die dort als Bergleute arbeiten wollten. Ohne Wissen meiner Mutter fuhr ich mit 200 anderen jungen Leuten mit dem Zug bis Essen-Steele. Dort wurden wir verschiedenen Zechen zugeteilt.“ Ording kam 1950, mit 15 Jahren, als Lehrling zur Zeche Klosterbusch, wo er 1961 die Zechenschließung erlebte. Bis 1969 war er auf der Zeche Holland in Herbede, die 1972 schloss. „Weil sich das schon abzeichnete, bin ich vorher Postbote geworden. Ich musste ja meine Familie ernähren.“

„Die DDR wollte mich als Grenzschützer haben“

Artur Pach nickt. Auch er stammt aus dem Osten Deutschlands, ist gebürtiger Cottbuser. „Ich habe meine Heimat verlassen, weil die DDR mich als Grenzschützer haben wollte. Das wollte ich aber nicht und bin vor der Musterung vom Flughafen Berlin-Tempelhof aus nach Hannover geflogen und von dort mit der Eisenbahn weiter nach Witten gefahren, wo meine Schwester verheiratet war.“

1955 bekam der Lausitzer bei der Wittener Firma Walloschek eine Anstellung als Maurer, wechselte dann aber – um auch im Winter durchgängig beschäftigt zu sein – als Bergmann zur Querenburger Zeche Klosterbusch. 1960, kurz vor deren Schließung, ging Artur Pach als Maurer und Stuckateur zurück zur Firma Walloschek, wo er bis zu seiner Rente blieb.

Seilbahn brachte die Kohle nach Herbede

Die beiden ehemaligen Bergleute haben sich jetzt im Lottental noch einmal an der einstigen Zeche Klosterbusch getroffen. Vor dem durch einen Zaun abgesperrten Gelände wurden Erinnerungen wach. „Da waren die Werkstätten, dort war das Verwaltungsgebäude, in dem auch die Badewannen für die Steiger waren!“ Klaus Ording: „In Herbede, hinter der Firma Dittmann & Neuhaus, haben die Kohlenwäsche und die Brikettfabrik der Zeche gestanden.“ Der Kohlentransport lief von der Zeche in Querenburg aus über eine zwei Kilometer lange Seilbahn, die über die Ruhr bis nach Herbede führte. „Ach“, sagt der 83-jährige Klaus Ording zum gleichaltrigen Artur Pach: „Die Zeit auf Klosterbusch, Artur, war die schönste in meinem Leben.“


>>> DIE ZECHE KLOSTERBUSCH WURDE 1961 GESCHLOSSEN

Die Zeche Klosterbusch (1918-1961) förderte Steinkohle im Querenburger Lottental. Noch zu sehen sind Gebäude und der einstige Steinbruch der Zeche.

Ende der 30er Jahre erreichte die Zeche eine Maximalförderung von 450.000 Tonnen bei einer Belegschaft von 1200 Mitarbeitern. Im Juli 1961 wurde die Zeche stillgelegt. Der NRW-Landtag hatte den Bau der Ruhr-Universität Bochum beschlossen.

Um das Auftreten von Bergschäden möglichst weitgehend zu verhindern, war es erforderlich, dass unter dem Universitätsgelände kein weiterer Kohleabbau mehr stattfand. Die Stadt Bochum und das Land NRW drängten auf eine vorzeitige Stilllegung der Zeche.