Witten. . Was 2018 in Witten geschah: Von alten Stahlwerken, dem Verkehrskollaps, Vor- und Nachteilen des Supersommers – und noch viel mehr.

In unserem Jahresrückblick schauen wir noch einmal auf die großen Themen 2018.

>>> Supersommer bringt Dürre

Die einen sprechen vom Jahrhundertsommer – mit hohen Temperaturen bis Mitte Oktober. Die Trockenheit macht aber vor allem den Landwirten und Gartenbesitzern zu schaffen. Und schließlich sorgt der niedrige Rheinpegel sogar für hohe Spritpreise an den Wittener Tankstellen. Aber der Reihe nach.

112.000 Badegäste zählen die Stadtwerke in der Saison 2018 – das sind 30 000 mehr als 2017. Trotzdem hatte es in früheren Jahren mehr Menschen ins kühle Nass gezogen. Vermutlich ist es einigen sogar zu warm, um ins Freibad zu gehen. Witten schwitzt und freut sich über warme Abende. Die Ruhrwiesen sind voll mit Sonnenanbetern und man denkt mal wieder über eine Badeanstalt an der Uferstraße in Bommern nach. Es gibt aber auch etliche Menschen, denen die Hitze zusetzt.

Währenddessen wird in den Gärten der Rasen braun. Selbst Polizisten bewässern Straßenbäume mit dem Wasserwerfer. Die Feuerwehr pumpt Frischwasser in den Hammerteich – vorbeugend. Denn im Teich des Bochumer Stadtparks sind schon hunderte Fische verendet.

Landwirt Jan Bockholt lässt die trockene Erde seines Kartoffelfeldes durch seine Hand rieseln. Er muss die Feldarbeit im August einstellen.
Landwirt Jan Bockholt lässt die trockene Erde seines Kartoffelfeldes durch seine Hand rieseln. Er muss die Feldarbeit im August einstellen. © Theo

Immer häufiger gibt es kleinere Waldbrände, die glimpflich ausgehen. Ein 20 mal 30 Meter großes Waldstück fängt zum Beispiel im Juli im Muttental Feuer. Die Hitze schlägt auch auf die Gesundheit. Wie überall im Land verzeichnen die Rettungsdienste vermehrt Einsätze, die aufs Konto der Wärme gehen.

Die Böden sind staubtrocken. Es herrscht Futtermangel, weil das Gras unter der sengenden Sonne nicht mehr nachwächst – die Dürre trifft die Bauern am stärksten. Landwirt Jan Bockholt unterbricht im August die Bearbeitung seiner Felder an der Hörder Straße, um Anwohner und Autofahrer vor der Staubentwicklung zu schützen. Nicht nur für Getreide, auch für Kartoffeln und viele Gemüsesorten gilt: Die Trockenheit hat die Pflanzen geschädigt und führt zu geringeren Erträgen. Pommes dürften beispielsweise 2019 teurer werden.

>>> Baustellen- und Brückenblues

Im Kinderzimmer der Bernsmanns wird es im November laut. Anna (7) und Johann (9) packen alle Spielzeugautos, die sie auftreiben können, auf den Verkehrsteppich. Bis alle Straßen dicht sind, alle sich gegenseitig blockieren. „Was macht ihr denn da?“, will der Papa wissen. Die Kinder: „Na, wir spielen Witten.“

Die Autofahrer, aber auch Lkw-Fahrer, Busfahrer und Busfahrgäste werden in der zweiten Jahreshälfte auf eine harte Geduldsprobe gestellt, weil an mehreren neuralgischen Punkten gleichzeitig gebaut wird. Die Pferdebachstraße wird noch gut weitere zwei Jahre lang für zwölf Millionen Euro ausgebaut. Die Herbeder Ruhrbrücke, um die Lkw und Gelenkbusse sowieso schon einen Bogen schlagen müssen, bekommt nach einem Sturmschaden (Baum aufs Geländer) eine Wanderbaustelle. Sie wird ebenso noch vor Weihnachten fertig wie die Mühlengrabenbrücke, an der schon seit Mitte 2016 gebaut wurde.

© Arnd Bernsmann

Das Nadelöhr am Ruhrdeich verabschiedet sich ab Oktober mit einer Vollsperrung – verlängert bis zum 1. Advent. Das führt endgültig zum Verkehrskollaps: Jede Umleitung und jeder Schleichweg führt in den nächsten Stau. Auf der Bommeraner Brücke, der Ruhrstraße und der Herbeder Straße geht nichts mehr. Es scheint kein Entrinnen zu geben, selbst aufs Rad umzusteigen, nützt wenig: Auch die Nachtigallbrücke ist seit dem Ende der Sommerferien gesperrt. Wie nötig die lange verschobene Reparatur ist, wird klar, als der Pritschenwagen, der die Gerüstteile bringt, mit einem Rad durch die morschen Eichenplanken bricht.

Die Stockumer Straße, Umfahrung für die Pferdebachstraße, wird auch erst kurz vor Weihnachten frei. Da ist es schon fast eine glückliche Fügung, dass die Ausbaupläne für die Linie 310 auf der Bochumer Straße wegen der Bahnunterführung ins Stocken geraten. Dort soll es erst Mitte 2019 weitergehen.

>>> Das Böckchen kehrt zurück

Der Diebstahl empört etliche Wittener. Im Oktober 2017 wird eine Bronzeskulptur aus dem Stadtpark gestohlen.

Das Böckchen ist zurück.
Das Böckchen ist zurück. © theo

Metalldiebe trennen den Ziegenbock an den Hufen vom Sockel. Die Rotarier legen sich daraufhin ins Zeug, um ein neues Böckchen zu bekommen. Tatsächlich werden sie bei den Erben des verstorbenen Künstlers Clemens Pasch fündig, die über einen weiteren Abguss der Skulptur verfügen.

Im Mai 2018 wird das neue, nachts künftig beleuchtete Böckchen auf einen Sockel aus Ruhrsandstein gestellt.

>>> Viel Wirbel ums Oktoberfest

Viel Theater gibt es bei den Vorbereitungen für das 32. Herbeder Oktoberfest. Im Sommer kochen die Emotionen hoch – seit bekannt wurde, dass die heimische Band BOP nicht auftreten soll. Eventplanerin Gabriele Diedrichs, die das Fest erstmals auf die Beine stellt, hat anderes im Sinn.

Mitte Mai erst hatte sie die Vereinbarung mit der Werbegemeinschaft Herbede über die Planung unterschrieben – nachdem das Stadtmarketing sich aus personellen Gründen von der Traditionsveranstaltung zurückgezogen hatte.

© Svenja Hanusch

Auf Facebook diskutieren die Bürger heftig. Daraus entwickelt sich ein ernsthaftes Engagement, um die Traditionsveranstaltung zu retten. Im Netz gründet sich ein Verein. Spenden für eine zweite Bühne werden gesammelt. Bei einem öffentlichen Gespräch im Jever Krog einigen sich Bürgerinitiative, Werbegemeinschaft und Eventplanerin schließlich doch noch, BOP darf spielen, beim Konzert ist es rappelvoll und alles wird gut. Anfang Oktober feiern die Herbeder drei Tage lang – und sind voll des Lobes.

>>> Die doppelte Hella

Hella von Sinnen ist im Mai nach Witten gekommen, um das Mopsrennen zu moderieren.

© Zabka

Eingeladen worden war sie von Organisatorin Heike Köhler, die wegen der großen Ähnlichkeit auch die „Hella von Witten“ genannt wird. Auf der Bühne bereiten die beiden den zahlreichen Zuschauern viel Vergnügen.

>>> Ehedrama in der Winkelstraße

Eine 43-jährige Frau ersticht am 27. November in einer gerade erst neu bezogenen Wohnung in der Winkelstraße ihren Ehemann. Als mögliches Tatmotiv gilt Eifersucht. Für das 45 Jahre alte Opfer kommt jede Hilfe zu spät. Den Mann trifft ein Stich ins Herz. Die Frau ruft noch selbst den Notarzt.

Als sie sich widerstandslos festnehmen lässt, hat sie zwei Promille Alkohol im Blut. Die Nachbarn haben in der großen Wohnanlage in der Nähe des Albert-Martmöller-Gymnasiums offenbar nichts mitbekommen. Das aus Russland stammende Ehepaar soll 20 Jahre lang verheiratet gewesen sein.

>>> Große Anteilnahme nach Tod eines 18-jährigen Flüchtlings

Es war ein Fall, der Witten bewegte. Der 18-jährige syrische Flüchtling Ahmad Bakr wird Anfang April bei einer Messerstecherei nachts auf der Annenstraße von einem 24-jährigen Deutschen getötet. Hunderte kommen zu seiner Beisetzung auf dem Friedhof an der Pferdebachstraße. Am offenen Grab spielen sich herzzerreißende Szenen ab.

© Theobald

Zwischen den beiden Männern war es in der Nacht zum 9. April aus nichtigem Anlass auf offener Straße zu einem Streit gekommen, in dessen Verlauf der 24-Jährige plötzlich ein Messer zückt und zusticht. Es soll u.a. um eine verschwundene Flasche Wodka gegangen sein. Das Landgericht verurteilt den dann 25-Jährigen zu vier Jahren und neun Monaten. Die Kammer entscheidet auf Körperverletzung mit Todesfolge. Der Syrer habe den Angeklagten angegriffen, der Täter daher in Notwehr gehandelt, wenngleich mit einem unverhältnismäßigen Mittel.

Ein umstrittenes Urteil, das nicht nur bei der Familie des Getöteten auf Unverständnis stößt. Ahmad habe weder provoziert noch angegriffen, beteuert sein Bruder. „Das war Mord.“

>>> Stahlwerke wiederentdeckt: Witten hat sein Pompeji

Als bei der Verdichtung des früheren Bahngeländes Drei Könige im Januar eine schwere Baumaschine einbricht, ist die Betroffenheit bei der Stadt Witten groß. Trotz vorheriger Probebohrungen und Archivrecherche werden im Bauch der Brache die Reste von zwei Stahlwerken aus dem 19. Jahrhundert wiederentdeckt, die keiner mehr auf der Rechnung hatte.

Bis in zehn Meter Tiefe reichen die Fundamente, Mauern, Ofenstümpfe und Rauchgaskanäle der Steinhauser Hütte (1855 – 1878) und der Bessemer Hütte hinab. In Absprache mit dem Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) wird das geplante Gewerbegebiet erst einmal Ausgrabungsstätte. „Jetzt hat Witten sein Pompeji“, zollt Fotograf Jürgen Theobald der Arbeit der Archäologen-Teams Respekt. Die Reste werden zu Bodendenkmälern erklärt.

Reste der Bessemer Hütte, die dokumentiert und dann eingeebnet wurden.
Reste der Bessemer Hütte, die dokumentiert und dann eingeebnet wurden. © Theo

Mit LWL-Zustimmung dürfen diese aber nach der Freilegung eingeebnet werden, um künftigen Betrieben festen Untergrund zu gewährleisten. Bedingung ist eine detaillierte Dokumentation, auch in Form von 3-D-Modellen. Einige Fachleute stufen das nördliche Puddelwerk als besonders erhaltenswert ein. Sie wünschen sich ein „Archäologiefenster“, das den Blick in die Vergangenheit der Stahlerzeugung erlaubt.

Die Rathaus-GroKo tritt erst einmal auf die Bremse: Vor einer Entscheidung will sie Konzept, Kosten und Trägerschaft geklärt wissen. Mindestens 7,5 Prozent des neuen Gewerbegebiets müssten dafür abgetreten werden. Eine gute Nachricht: Schon vor dem Start der Vermarktung haben 33 Betriebe Interesse an dem Standort angemeldet – mehr als auf das Gelände passen.

>>> Ralf Brauksiepe (CDU) verlässt den Bundestag und geht zu Vivawest

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Ralf Brauksiepe (51) wechselt überraschend ab November als Manager zum Wohnungsbaukonzern Vivawest.

Ralf Brauksiepe.
Ralf Brauksiepe. © Michael Korte

20 Jahre hat der Hattinger die Parlamentsbank gedrückt, davon acht als Staatssekretär, erst im Arbeits-, dann im Verteidigungsministerium. Dort muss er seinen Posten nach der letzten Wahl räumen. Schon sein Einzug in den Bundestag wurde zuletzt zur Zitterpartie – offenbar genug Gründe, sich beruflich neu aufzustellen.