Witten. . Warum hatte Witten den ältesten Fußballclub im Revier? Warum wurde der Hohensteiner Wald verheizt? Ein Buch von Historiker Schoppmeyer erklärt’s.

Wie viele Einwohner hatte Witten vor 200 Jahren? Rund 1500, es war noch ein Dorf. Wann wurde die Ardeystraße gebaut? Schon im ausgehenden 18. Jahrhundert. Wer lebte früher im Haus Witten, das eigentlich Haus Berge heißen müsste? Ab 1790 der Fabrikant Friederich Lohmann, der das Haus als Wohnung und in Teilbereichen auch als Gußstahlwerk nutzte. Viel Wissenswertes aus längst vergangenen Zeiten, das man im neuen Buch des Historikers Prof. Heinrich Schoppmeyer findet. Titel: Kleine Studien zur Geschichte Wittens.

Fast 25 Jahre war der heute 83-Jährige Vorsitzender des Vereins für Orts- und Heimatkunde in der Grafschaft Mark. In dieser Zeit wurde Schoppmeyer zu den verschiedensten Anlässen – oft Jubiläen – gebeten, einen Vortrag oder Artikel zu einem Aspekt der Wittener Stadtgeschichte zu halten oder zu schreiben. „Viele dieser Beiträge sind bisher nicht veröffentlicht worden“, sagt er. So entstand die Buchidee.

Schüler gründeten ältesten Fußballclub des Reviers

In 25 Artikeln erfahren die Leser, wie Witten und die Grafschaft Mark zuerst brandenburgisch und dann preußisch wurden. Auch, wie man in Witten um 1900 Anstand und Sitte bewahrte. Stichwort Fußball: Der Historiker weist darauf hin, dass dieser Ende des 19. Jahrhunderts als „Fußlümmelei“ und „Engländerei“ gescholten wurde. Nichtsdestotrotz sei der FC Witten von 1892 der älteste Fußballclub des Ruhrgebiets und sogar der fünfälteste Deutschlands gewesen. „Wer weiß das schon?“

Clubgründer waren einst 26 Schüler des Real-Gymnasiums, also des späteren Ruhr-Gymnasiums. Damals hätten drei Brüder der Familie Reichwald, die in England das Fußballspielen kennengelernt hatten, den Sport nach Witten gebracht.

Provinz Westfalen suchte Standort für „Irrenanstalt“

Auch die Geschichte des Hohensteins, der nicht immer ein grünes Paradies war und der Erholung diente, hat Schoppmeyer für einen Vortrag beschrieben. So hätten sich ab 1768 die adeligen Häuser Berge, Steinhausen und Crengeldanz darüber gestritten, wer welche Teile des Hohensteins erhalten solle. Schließlich hätten sich die Vertreter des Ortsadels auf Kosten der bäuerlichen Bevölkerung geeinigt, was bei dieser einen Sturm der Entrüstung zur Folge gehabt habe.

„Der Ortsadel verzichtete etwas unfreiwillig auf Teile der Mark. Danach begann die Teilung.“ Parzellen des Hohensteins seien teils Bauern, teils Köttern zugesprochen worden. „Diese Entscheidung bedeutete faktisch das Aus für den dortigen Waldbestand, der zu Brenn- und Bauholz verarbeitet wurde.“ Anfang der 1890er Jahre habe die Provinz Westfalen nach einem Standort für eine „zweite Provinzial-Irrenanstalt“ gesucht. Die Stadt Witten habe mit dem Gedanken gespielt, dafür den „ruinierten Hohenstein“ anzubieten, so Schoppmeyer. Die Sache ging anders aus. Die Anstalt wurde in Aplerbeck gebaut.

Gußstahlwerk auch von Holländern gegründet

Die wechelsvolle Historie des Gußstahlwerks bis 1945 – heute Edelstahlwerke – ist ein weiteres Thema im neuen Buch des Historikers. Alles begann 1854, als die Firma „Gußstahlfabrik Berger & Comp“ ihre Arbeit aufnahm und Gußstahl für Klingen und Gewehrläufe produzierte. Damaliger Gesellschafter war der Wittener Unternehmer Carl Ludwig Berger (1794-1871), der über einen umfangreichen Bergwerksbesitz verfügte, zu dem mehrere Stollenzechen in Witten, Bommern und im heutigen Bochum-Dahlhausen gehörten.

Weitere Gesellschafter waren laut Schoppmeyer die Niederländer Dr. Cornelius Jacob Arnoldus van Tex, „der seit 1869 Oberbürgermeister von Amsterdam war“, und Jan Jacob van Braam, ein Landgutbesitzer von der indonesischen Insel Java. Schoppmeyer: „Es wird deutlich, dass Witten nicht gerade selten von der ,Weltgeschichte’ Besuch erhalten hat.“


>>> BUCH IST IM KLARTEXT-VERLAG ERSCHIENEN

Heinrich Schoppmeyer: Kleine Studien zur Geschichte Wittens, Verlag Klartext, 228 Seiten, 19,95 Euro. Herausgeber ist Dr. Dietrich Thier im Auftrag des Vereins für Orts- und Heimatkunde in der Grafschaft Mark.

Historiker Prof. HeinrichSchoppmeyer war von 1987 bis 2011 Vorsitzender des Vereins für Orts- und Heimatkunde in der Grafschaft Mark. In seinen Forschungen, die nicht Witten betreffen, hat er sich mit der mittelalterlichen Geschichte, der deutschen Landesgeschichte und der Stadtgeschichte befasst.